SOLID 04/2018 : So autonom werden Maschinen und LKW am Bau

Digitalisierte Geschäfts- und Logistikprozesse, Elektromobilität und autonome Fahrzeuge und Maschinen stellen eine ganze Branche vor enorme Herausforderungen. Die neuen Technologien bringen jedoch auch Chancen - und nicht nur etablierte Großunternehmen können hier profitieren. Die Zukunft der Baustelle klingt schwer nach Science Fiction: LKWs, die ganz ohne Fahrer Baumaterialien minutengenau an ihren Bestimmungsort bringen, selbstfahrende Lader, die diese präzise dort entladen, wo sie gebraucht werden, und ein Arbeiterheer, das Stehzeiten nur von der Mittagspause kennt. Und all das ohne viel Lärm und ohne Emissionen.

Diese utopische Baustellenvision verdankt ihren Ursprung einer Reihe von Technologien, die derzeit vor allem den Logistik-Sektor in Aufruhr bringen. Elektrische LKWs, die danke umfangreicher Sensortechnik ganz ohne Fahrer auskommen, versprechen die Branche vollkommen zu transformieren.

Als häufiger Endpunkt einer Logistikkette wird diese Veränderung auch die Baustelle verändern.

Voll elektrisch oder was?

Wie rasant die Entwicklung hier fortschreitet, zeigt ein Blick in das Forschungsportfolio der großen Bau- und Logistikmaschinenhersteller: Egal ob Scania, MAN, Caterpillar oder Wacker Neuson - fast jedes Unternehmen entwickelt unter Hochdruck neue Fahrzeuge, die mit Strom (und oftmals ohne Fahrer) auskommen.

Die ersten Produkte haben es sogar schon auf den Markt geschafft: Wacker Neuson und Unternehmensschwester Kramer bieten bereits Lader an, die voll elektrisch betrieben werden. Beim Lieferwagen - dem Schweizer Taschenmesser gewerblicher Mobilität - ist man sogar schon weiter. Hier bietet Nissan beispielsweise mit dem e-NV200 einen ernstzunehmenden Konkurrenten zum Diesel-befeuerten Kleintransporter an, der sich um Emissionen und Dieselfahrverbote keine Gedanken machen muss.

Die großen Brummis und schweren Baumaschinen waren bislang von der Elektrifizierung allerdings noch ausgenommen. Das soll ich nun ändern: Daimler will noch in diesem Jahr den 2016 als Studie vorgestellten “Urban e-Truck” auf den Markt bringen. Der 25-Tonner mit einer Ladekapazität von 12,8 Tonnen schafft immerhin 200 Killometer mit einer Akkuladung.

Auch LKW-Hersteller MAN geht in einem Praxistest zusammen mit neun österreichischen Logistikunternehmen elektrische Wege und testet seinen Verteiler-LKW mit ebenfalls 200 Kilometer Reichweite in der City-Logistik.

Chance auch für die Kleinen und Startups

Die neuen Technologien bringen seit langen wieder Chancen für junge Unternehmen, sich einen Teil des Logistik-Sektors zu schnappen. Angriffslustig gibt sich hier biespielsweise Robert Falck vom schwedischen LKW-Startup Einride. Obwohl Daimler, MAN oder E-Auto-Hersteller Tesla an selbstfahrenden Elektrotrucks arbeiten, postuliert Falck: “So weit wie wir ist niemand.” 15 Standardpaletten kann das erste Modell von Einride über eine Distanz von 200 Kilometern elektrisch transportieren.

Der “T-Pod” kommt dabei schon jetzt ganz ohne Fahrer aus. Eine Kabine für menschliche Insassen ist nicht einmal vorhanden. Die Reichweite sieht Falck übrigens gar nicht als große Hürde: “Wenn man keinen Fahrer bezahlen muss, kostet es auch kein Geld, wenn der Truck unterwegs mal anhalten und aufladen muss.”

Wie autonomes Fahren auf der Baustelle in der Praxis aussehen kann, sieht man bereits bei Caterpillar. Der Hersteller für schweres Gerät testet bereits seit geraumer Zeit selbstfahrende Trucks und Bagger, die selbständig einen Aushub vornehmen, das Material verladen und abtransportieren können. Der Computer am Steuer spart dabei nicht nur den menschlichen Fahrer ein - autonome Fahrzeuge verbrauchen auch deutlich weniger Treibstoff, da sie unnötiges Beschleunigen und Bremsen vermeiden. Das bringt im Baustellenalltag Einsparungen von bis zu 20 Prozent!

Bis Baustellen ganz ohne Personal auskommen, dürfte allerdings noch einige Zeit ins Land ziehen. Viele Logistikprozesse im Bau lassen sich zwar gut automatisieren, wenn es an das tatsächliche Errichten eines Gebäudes geht, ist der Mensch allerdings noch immer klar der bessere Baumeister. Denn jeder, der schon einmal auf einer Baustelle war, weiß: Egal wie gut die Planung im Vorfeld auch ist - am Bau braucht es auch Intuition und Improvisationstalent.