SOLID: Wie viele Jahrzehnte Trockenbau haben Sie jetzt hinter sich?
Otto Ordelt: Vier.
Was waren die größten Veränderungen in der Branche in dieser langen Zeit?
Ordelt: Als wir begonnen haben – ich war damals Mitte Zwanzig -, war der Trockenbau eigentlich nur in Nischen präsent. Das waren Krankenhäuser – damals war gerade das Wiener AKH sehr präsent -, Hotels, Bürohäuser und fallweise abgehängte Decken oder ähnliche Dinge in Einkaufszentren. Ende der 1980er und anfangs der 1990er Jahre haben wir dann versucht, im Wohnbau Fuß zu fassen. Dadurch und auch durch das Anwachsen der Fertighaussegments hat sich eine enorme Mengensteigerung ergeben.
>> Zum kompletten e-Paper von SOLID 11/2019
Wie ist der Schritt in den Wohnbau vor sich gegangen?
Ordelt: Wir haben eine Aktion namens Wohnbau 2000 ins Leben gerufen, bei der das besondere war, dass wir nicht nur mit Trockenbaumaterialien gegen die Massivwände zu punkten versucht haben, sondern wir sind auch zu den anschließenden Gewerken gegangen. Wir haben mit Elektrikern und Installateuren geredet, wir sind zu den Wohnbaugenossenschaften gegangen und haben bei allen versucht, die Gesamtheit und die Vorteile einer anderen Bauform herauszustreichen – dieses gesamtheitliche Vorgehen war meiner Meinung nach ein ganz wesentlicher Punkt für den Erfolg.
Und um ehrlich zu sein, hat noch etwas mitgespielt: damals war der EU-Beitritt schon ein bisschen mehr als nur eine Phantasie. Damit waren auch die Abschottungsmöglichkeiten gegenüber dem Ausland nicht mehr so gegeben. Der Protektionismus für österreichische Produkte hat aufgehört und das hat natürlich eine Auswirkung auf die Preise gehabt. Durch das Absinken der Preise haben wir plötzlich gegen die traditionellen Wandbildner bessere Chancen gehabt.
Auch am Produkt selber hat sich in diesen vierzig Jahren ja viel geändert – zumindest wird das immer so kommuniziert. Was waren da die entscheidenden Entwicklungssprünge?
Ordelt: Ich würde sagen, gar so viel hat sich eigentlich nicht geändert! Im Prinzip sind die Hauptprodukte gleich geblieben. Wir haben im Wohnbau mit einer Vorsatzschale begonnen, um Wärmedämmung und Schallschutz bei Massivwänden zu verbessern, damit die Wand der Norm gerecht werden konnte. Dann gab und gibt es die normalen Ständerwände zur Trennung von Zimmern und Wohnungen. Das alles ist vom Grundsatz her gleich geblieben, auch die Befestigungstechnik.
Man hat nur in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren den Schritt gemacht, für besondere Anwendungen auch besondere Platten zu entwickeln – wir nennen das Performance-Platten. Mit diesen kann man mit dem Gewicht, mit Zuschlagstoffen für mehr Feuchtigkeitsresistenz etc. variieren. Da ist eine große Menge an Platten für jeweils bestimmte Performance-Zwecke entwickelt worden.
Der Präsident des Trockenbauverbands Gregor Todt sagt: man muss den Trockenbau als Beruf aufwerten, weil er von der Verarbeitung her komplexer geworden ist – das klingt jetzt nicht so?
Ordelt: Es war immer schon so, dass man richtig und korrekt arbeiten musste. Gregor Todt hat insofern Recht, als dass man das gesamte Berufsbild nicht als ein Larifari abtun darf, den jeder machen kann. Mit einem beschränkten Gewerbeschein irgendwo eine Schraube hinein drehen und spachteln ist mit Sicherheit zu wenig. Der Trockenbau muss Brand-, Wärme- und Schallschutz gewährleisten und auch andere bauphysikalische Anforderungen erfüllen. Wenn das nicht von Leuten ausgeführt wird, die das auch können, haben wir ein Problem.
Und früher war das anders?
Ordelt: Eine der Hauptaufgaben in den 1980er Jahren war, überhaupt ein eigenes Berufsbild zu schaffen. Damals gab es den Beruf Stukkateur und Trockenbauer ja noch nicht. Eine der Hauptaufgaben des damaligen Verbandes der österreichischen Innenausbauer, aus dem der heutige VÖTB wurde, war die Etablierung eines Berufsbilds. Dafür hat man sich dann mit den Stukkateuren zusammen gefunden und eine gemeinsame Ausbildung entworfen, bei der der Schwerpunkt auf dem Trockenbau lag.
Aber es war damals möglicherweise so, dass das ernster genommen wurde als es heute mit der Liberalisierung der Gewerbeordnung der Fall ist. Mit den damit einhergehenden Problemen haben wir heute zu kämpfen. Man muss die Dinge wieder in die richtige Richtung bringen – und der VÖTB macht da einiges dazu.
Auch die Bauinnung macht ja mit der neuen Baulehre und der Baukaderlehre gerade einen großen Schritt zur Attraktivierung des Bauberufs.
Ordelt: Genau. Bei uns gibt es Lehre mit Matura und dann parallel dazu einen HTL-Lehrgang mit vier Semestern auf der Malerberufsschule in Baden, wo die Richtung zum Ingenieur abgesteckt wird. Wir müssen einfach – in allen Branchen! – wieder qualifizierte Fachkräfte bekommen. Digitalisierung wird unser Hauptthema sein. Darin steckt ein riesiges Potenzial. Der Zugang zur Arbeit verändert sich völlig – auch der eines Geschäftsführers.
Wo glauben Sie denn, dass es hin gehen wird für die Baubranche?
Ordelt: Diese Frage bringt uns direkt zu meiner jetzigen und vor allem zukünftigen Tätigkeit als Präsident des Zentralverbands der industriellen Bauproduktehersteller (ZIB, Anm.). In diesem Verband geht es darum, Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger zu formulieren. Die zwei Hauptschwerpunkte sind auf der einen Seite leistbares Wohnen mit allen Dingen, die daran geknüpft sind – wie nachhaltige Energieformen angesichts der notwendigen Dekarbonisierung etc. Das andere Thema ist Sanierung. Dabei geht es einerseits um Werterhalt von zu sanierenden Gebäuden, auf der anderen Seite ebenfalls die thermische und energetische Sicht. Auch hier stoßen wir also auf Dekarbonisierung und Klimaschutz.
Da sehe ich zum Beispiel für Trockenbaufirmen wie Knauf schon ein sehr großes Potenzial, weil wir immer schon Konstruktionen hatten, die für guten Wärme- und Kälteschutz gesorgt haben.
Ein weiterer Trend geht da meiner Meinung nach zum seriellen Bauen – für mich und Knauf zur Firma KMH, aber ganz generell im ZIB auch über den Trockenbau hinaus zu den massiven Wandbildnern. Jeder Baustoff hat da seine Vorteile und Probleme. Aber ohne serielles Bauen wird es meiner Meinung nach nicht gehen.
Wie weit ist das Thema Modular Housing wirklich?
Ordelt: KMH hat in Russland bereits ein Werk errichtet, das seit April produziert. Ein erstes Hotel südlich von Moskau wurde bereits gebaut und übergeben. Im Osten passiert da einiges. In Zentraleuropa ist es noch nicht das große Thema, da haben wir ein Pilotprojekt in Deutschland, bei dem wir allerdings noch auf die Genehmigung warten. Das dürfte in Österreich durch das OIB leichter gehen.
Was außer Trockenbau ist da noch beteiligt?
Ordelt: Außer den dazu nötigen Trockenbauelemente mit allen Einbauteilen und Außenwänden sind da alle möglichen Industrien beteiligt – etwa für die Befestigungen, für die Fenster, Elektroleitungen etc. Es handelt sich um ein Multi-Industrieprodukt. Man muss aber ganz ehrlich sagen: die Offenheit gegenüber solchen neuen Systemen ist in Osteuropa wesentlich mehr gegeben als in Zentraleuropa. In Prag gibt es etwa schon zwei Interessenten, die große Werke bauen wollen. Dabei wäre das in Zentraleuropa absolut notwendig, wenn ich an den gemeinnützigen Wohnbau und dessen Kostenprobleme denke. Darüber sind sich auch die großen Bauunternehmen und Bauträger einig. Wir haben für 60 Prozent der Wohnungen, die wir bauen, die selben Anforderungen – und wir bauen jedes einzelne Wohnhaus als Unikat mit Nebenauflagen. Das lässt sich alles modular lösen. Wir haben 78 Module gemeinsam mit dem Architekten Dietmar Eberle entwickelt – dazu werden jetzt Plugins für die CAD-Programme entwickelt – und dabei sind natürlich Module ohne definierten Inhalt, aus denen man Fahrradabstellräume und ähnliches machen kann. Das ist alles fertig.
Zur Person Otto Ordelt
Geb. 8. September 1956 in Wien, Wohnort: Rust, Burgenland
Nach der Schulausbildung und Jobs bei Versicherungen stieg Ordelt bei der Firma Settef Edelputze in die Branche ein und kam 1981 zu Knauf, wo er bis zu seiner Pensionierung tätig war. Folgende Funktionen übte Ordelt dabei unter anderem aus: Assistent der Verkaufsleitung und Leiter der Objektabteilung, Stv. Verkaufsleiter, Projektleiter Aktion „Wohnbau 2000“ Österreich, Exportleiter, Auslandsleiter (Gesamt) Osteuropa, Geschäftsführer Knauf Ges.m.b.H. Österreich.
Ordelt ist Präsident des Zentralverbands der industriellen Bauproduktehersteller (ZIB).