Building Information Modeling : ÖBB-Vorstand Bauer: „Haben nichts von etwas, das zu 60 Prozent passt“
SOLID: Welchen Platz nimmt das Thema Building Information Modeling bei den ÖBB ein?
Franz Bauer: Für uns ist BIM enorm wichtig. Bei uns geht es dabei zwar natürlich auch um Planen und Bauen, aber unser Hauptfokus ist die Anlagenbereitstellung und deren optimale Bewirtschaftung. Das unterscheidet uns ganz wesentlich von Baufirmen oder auch Planungsbüros. Diese haben logischerweise einen anderen Blick auf das Thema.
Wie positionieren sie sich im internationalen Vergleich?
Bauer: Speziell in den Nordländern ist das Thema schon etwas früher aufgekommen. Dort sind zwar Standards entwickelt worden, das sind aber eher digitale Lösungen, die sehr klein gedacht sind. Im Hochbau ist man da dadurch relativ weit.
Aber die Standards, die da zugrunde gelegt sind, sind eher individuelle und singuläre. Das hilft uns als ÖBB nicht weiter. Wir sehen das eher als Little Closed BIM , sehr gewerk- oder projektbezogen. Wir wollen aber zu Big Open BIM.
Bleiben wir jetzt speziell beim Thema Eisenbahn – was ist da ihr Ziel und wie wollen sie es erreichen?
Bauer: Wir wollen gemeinsam mit anderen Bahnen Standards schaffen. Das machen wir in der DACH-Gruppe mit SBB und DB schon ziemlich intensiv, übrigens nicht nur beim Thema BIM.
Warum nur die deutschsprachigen Länder?
Bauer: Man tut sich da einfach leichter. Wir merken zum Beispiel beim Projekt Brenner Basistunnel mit den Italienern, wie schwierig es wird, wenn alles ins Englische und dann wieder zurück übersetzt werden muss. Ein einzelnes anders übersetztes Wort gibt da einem Satz manchmal einen anderen Sinn.
Wenn wir diese Standards gemeinsam schaffen können, schaffen wir uns damit auch einen größeren Markt und sind nicht so sehr von einzelnen BIM-Modellanbietern abhängig. Wichtig ist, dass die Anbieter auch verstehen, was wir brauchen. Ich habe ja nichts von einem Produkt, das zu 60 Prozent für uns passt.
Ist das dann eine rein deutschsprachige Lösung?
Bauer: Nein, wir sind da natürlich auch international sehr aktiv. Das geht dann sogar über Europa hinaus bis China. Die Aufgabe ist, für jedes Element in unserer Infrastruktur die Merkmale zu definieren, die international dann auch verstanden und angewendet werden können, sonst funktioniert ja der Austausch nicht. Allein für die ÖBB Infrastruktur AG würde sich ja kaum ein namhafter Softwarelieferant interessieren. Wir sind aber auch national zum Beispiel sehr intensiv in der Österreichischen Bautechnik Vereinigung engagiert und in Abstimmung mit der Asfinag – als Infrastrukturanbieter verstehen wir uns da gegenseitig natürlich gut und es gibt viele Gemeinsamkeiten bei Tunnels, Brücken etc. Diese unterscheiden sich ja dann im Grunde nur mehr in der Ausstattung, aber die Standardleistungsbeschreibungen sind dieselben.
Wie sieht ihr Stand in der Baurealität aus?
Bauer: Die Entwicklung von Standards ist sehr wichtig, aber letzlich doch viel Theorie. Wir müssen daher auch mit den Mitteln und Produkten, die es DERZEIT gibt, Erfahrungen sammeln und das tun wir mit Pilotprojekten – zB in Kärnten mit der Tunnelkette Granitztal. Wir haben da in einer internen Arbeitsgruppe mit externer Beteiligung versucht, den Tunnel an sich in ein BIM-Modell zu packen. Bei Tunneln spielen ja auch geologische, hydrologische und andere Modelle sowie Daten, die aus dem Vortrieb gekommen sind, eine Rolle. Dieses BIM-Modell – quasi den Rohbau des Tunnels – können wir dann für den nächsten Schritt weiter verwenden, für die Ausrüstung des Tunnels. Beim ersten Mal ist das natürlich ein bisschen holprig und es ist gar nicht so einfach, alle Beteiligten dazu quasi zu vergattern.
Was sind die Erkenntnisse daraus?
Bauer: In Wahrheit ist es so: Egal ob man jetzt mit oder ohne BIM arbeitet, die Problemstellungen sind im Wesentlichen die gleichen. BIM hat – wenn es funktioniert - den Vorteil, dass man EINE gemeinsame Datenbasis hat, in die alle hinein und aus der alle heraus arbeiten. Bei den Tunnelausrüstungen spielen da etwas Kollisionsprüfungen eine sehr große Rolle. Aber es braucht die Bereitschaft der Menschen, die damit arbeiten, dieses Instrument auch so zu behandeln, wie es notwendig ist.
Nach meinen Informationen ist so ein gemeinsames Modell im Tiefbau auch aufgrund der enormen Datenmengen noch eine sehr schwierige Sache – wie sind da ihre Erfahrungen?
Bauer: Im Eisenbahnbereich gibt es sehr spezifische Dinge, was die Leitsicherungstechnik, den Fahrweg etc. betrifft. Das sieht zwar theoretisch simpel aus, ist aber sehr komplex.
Welche Pilotprojekte gibt es noch?
Bauer: Wir haben ganz in der Nähe der Tunnelkette Granitztal den Bahnhof Lavanttal, wo es um die Verknüpfung des Hochbaus mit der Strecke und allen Kundeneinrichtungen geht. Einen weiteren Hochbau gibt es mit der Lehrlingswerkstätte St. Pölten, da tun wir uns natürlich etwas leichter. Und dann haben wir aber auch als Neuland die Neubaustrecke Salzburg-Köstendorf, wo wir mit dem viergleisigen Ausbau auf ca. 20 Kilometern gerade im UVP-Verfahren sind.
Was halten sie von einer Verpflichtung zu BIM für öffentliche Bauprojekte?
Bauer: Eine gesetzliche Verpflichtungen macht ja nur dann einen Sinn, wenn die Grundlagen vorhanden sind. Eigentlich sollte ja jeder Anlagenbetreiber so wie wir das Interesse haben, dass er diese Methode verwendet. Natürlich kann da ein gesetzlicher Druck mit einem definierten Zeithorizont dazu helfen, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Und man kann das ja ganz offen sagen: wir haben durchaus interessante Diskussionen in der Österreichischen Bautechnik Vereinigung, weil Firmen – im wesentlichen Baufirmen – BIM-Produkte eingekauft haben und die jetzt anzuwenden versuchen. Diese Produkte passen aber nicht für diese umfassende Lösung, die wir brauchen. Wir haben eine ganz andere Interessenslage, weil für uns nach dem Bau erst das Leben beginnt.
Wir versuchen daher im ÖBV derzeit sehr kooperativ, eine Dolmetscherfunktion zwischen den einzelnen Produkten und Anwendungen zu finden. Daran arbeitet gerade die TU Wien und wir werden sehen, was da rauskommt.