National und global nimmt die Digitalisierung der Immobilienbranche weiter Fahrt auf. Gemessen an dem, was technologisch möglich erscheint, befindet sich die Entwicklungskurve allerdings erst am Anfang. Begriffe wie „Digital Twins“ oder „Tokenized Assets“ geistern durch den Raum. Peter Sittler ist Lektor im Studienbereich Immobilienwirtschaft der FHWien der WKW und geschäftsführender Gesellschafter der sittler immobilien kg. Er bemerkt zur Geschwindigkeit dieses Wandels: „So wie Immobilien ‚immobil‘ sind, so langsam verändert die Digitalisierung die Immobilienwirtschaft. Was vor Jahren mit der Umstellung von Webseiten begann, wird die Branche mit neuen Geschäftsmodellen und PropTechs verändern.“
Die Veränderungen betreffen nach Sittlers Meinung primär die Umsetzung von Datenanalysen. Stichwort: Big und Smart Data zu Predictive Analytics. Schließlich sammeln sämtliche Bereiche der Immobilienwirtschaft sowie deren Umfelder Unmengen an Daten. Diese gilt es auszuwerten, um damit sinnvolle Prognose treffen zu können. Sie können beispielsweise die Umzugswünsche von Mietern betreffen, die Erhaltung und den Betrieb von Gebäuden verbessern, Due Diligences bei großen Übernahmen wesentlich erleichtern oder ganze Städte smarter machen.
Für Planung, Vermarktung & Co
Naheliegend, dass die Platzhirsche der heimischen Immobilienbranche sich des Themas längst in verschiedenen Facetten angenommen haben. So nutzt Die Wohnkompanie, die in Österreich und Deutschland als Entwickler und Bauträger Wohnbauprojekte realisiert, die Digitalisierung bislang vor allem als Unterstützung bei der Planung und Vermarktung (siehe Interview mit dem Wiener Geschäftsführer Roland Pichler). Signa wiederum beteiligte sich im Rahmen einer Finanzierungsrunde an dem Berliner PropTech Start-Up Comgy, das sich auf die Digitalisierung der Messung, Visualisierung und Abrechnung von Wärme-, Wasser- und Stromverbräuchen spezialisierte. Deklariertes Ziel ist es, dabei eine bisher unerreichte Transparenz und Geschwindigkeit zu bieten sowie Nachzahlungen gänzlich zu vermeiden. Zu den bisherigen Kunden von Comgy zählen die Deutsche Wohnen, Vattenfall und ArtInvest Real Estate.
Sittler resümiert: „Die großen Player erkennen, dass es ohne in diesem Bereich aktiv zu sein und seine Fühler auszustrecken nicht geht. Einerseits sind technische Entwicklungen zu implementieren, anderseits eigene Geschäftsprozesse zu adaptieren. Drittens kann auch der Weg des Investments in PropTechs eingeschlagen werden.“ Der Lektor im Studienbereich Immobilienwirtschaft der FHWien der WKW ruft allerdings ins Gedächtnis, dass es die Banken im Laufe vieler Jahren schafften, ihre Kunden dazu zu bringen, alles selbst zu machen. Diesbezüglich hinke die Immobilienwirtschaft weit hinter her. Dank digitaler Prozesse könne – speziell in Hinblick auf die immer digitaler-affiner werdenden Kunden – massiv Arbeit eingespart werden. Auch lösen laut Sittler PropTechs immer nur kleine Ausschnitte einer meist umfassenderen Aufgabe. Sich diese Dienste zu Nutze zu machen, kann erhebliches Potential schaffen. Im Gegensatz dazu wird es nicht reichen, das Papierarchiv zu scannen und damit zu hoffen, die Digitalisierung schon gemeistert zu haben.
PropTech Vienna naht
Selbstverständlich gibt es längst Veranstaltungen, die das allumfassende Thema aufgreifen. So geht am 7. November 2019 zum dritten Mal die PropTech Vienna über die Bühne. Bei dem von der apti – kurz für: Austrian PropTech Initiative – organisierten Event erläutern rund neunzig Experten die aktuellen Digitalisierungstrends in der Immobilienbranche. Und das ziemlich analog in den Sofiensälen.
SOLID: Die Digitalisierung betrifft alle Wirtschafts- und Lebensbereiche. Was bedeutet sie für die österreichische Immobilienbranche?
PICHLER: Die digitale Revolution ist auch in der Immobilienwirtschaft in vollem Gange, insbesondere bei den Themen BIM, Smart Home, digitaler Kundenservice, digitale Vermarktung, Apps, usw. Die Anzahl der Entwicklungen nehmen rapide zu und werden unaufhaltsam auch diese Branche beeinflussen bzw. verändern.
SOLID: Ist die heimische Immobilienbranche Ihrer Meinung nach „reif“ für die Digitalisierung?
PICHLER: Die Frage stellt sich nicht. Als modernes und kundenorientiertes Unternehmen ist es die Aufgabe, reif zu sein. Tatsächlich gibt es einige Hürden. Derzeit ist der Kostendruck in der Immobilienbranche enorm. Dazu kommt, dass die Kunden immer anspruchsvoller werden und die Entwicklungen der Digitalisierung aus anderen Lebensbereichen bereits als selbstverständlich auffassen und dies auch auf die Immobilienwirtschaft umlegen. Ein weiteres Thema sind zum Beispiel die personellen Ressourcen, Aus- und Weiterbildungen und damit im Zusammenhang die Unternehmenskultur und Akzeptanz der Digitalisierung von allen Mitarbeitern.
SOLID: Welche Digitalisierungsprojekte bzw. -maßnahmen hat Die Wohnkompanie bereits umgesetzt, welche folgen?
PICHLER: Die Wohnkompanie hat die Digitalisierung bislang vor allem als Unterstützung der Planung und Vermarktung eingesetzt. Des Weiteren haben wir zurzeit hochwertigste Technologien im Smart-Home-Bereich bei einem Projekt im High-End-Segment eingebaut. De facto laufen in unserem Projekt in der Goethegasse alle haus- und sicherheitstechnischen Anlagen in einem System zusammen und können beliebig konfiguriert werden. Darüber hinaus arbeitet Die Wohnkompanie am Einsatz von Produkten im Bereich der digitalen Kundenbetreuung während der Bauphase und wir möchten diesen Bereich auch auf das Kundenservice während der Betriebsphase ausbauen.
SOLID: Mit welchen Partnern arbeiten Sie diesbezüglich zusammen?
PICHLER: Wir sind hierbei auf Partner in allen Bereichen, d.h. von der Planung über den Bau bis hin zur Betriebsphase; angewiesen, wo wir ein kleines Netzwerk aufgebaut haben. Gerne gehen wir auch neue Partnerschaften ein.
SOLID: Welche Kosten fallen an und wie rasch rechnen sich diese?
PICHLER: Das lässt sich so pauschal nicht sagen und hängt natürlich stark davon ab, was umgesetzt wird. Einfacher ist die Antwort auf die Frage der Amortisation. Wenn bedarfsgerecht investiert wird, amortisiert sich die Investition rasch. Darin sind wir Experten und beraten gerne unsere Kunden.