Österreich : GBV-Rezepte gegen Wohnungsmangel

Gegen den akuten Wohnungsmangel in Österreich hilft aus Sicht der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft nur ein Ankurbeln des Neubaus. Aus der Wohnbauinvestitionsbank WBIB und dem Wohnbauprogramm müsse rasch etwas werden, forderte Verbandsobmann Karl Wurm bei einem Wohnbausymposium. GBV-Bestandswohnungen dürften nicht verkauft werden, sie müssten weiter als sozialpolitische Masse erhalten bleiben. Wegen des starken Bevölkerungswachstums wird der Wohnungsbedarf in Österreich zwischen 2015 und 2020 auf 60.000 Wohnungen pro Jahr steigen - die Neubauleistung liegt aktuell aber nur bei 51.000 Einheiten jährlich, geht aus Berechnungen des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) hervor. Verglichen mit früheren Jahrzehnten stellen die gemeinnützigen Bauträger die Wohnungen heute in Relation zu den Einkommen billiger her als früher, sagten Wurm und GBV-Wohnwirtschaftsreferentin Eva Bauer: "In den 1970er-Jahren war die Belastung durch die Wohnkosten höher, auch bei den Höherverdienern." 2013 hätten bereits 37 Prozent der GBV-Wohnungen zu dem gemessen an der Miethöhe günstigsten Viertel gezählt, 1971 jedoch nur 5 Prozent. Die damals teuren Wohnungen seien jedoch heute die günstigsten Wohnungen im GBV-Bestand, weil sie kostengedeckelt seien. Davon könnten aber nur rund 10.000 im Jahr neu vermietet werden; oft seien sie auch so klein - 50 bis 55 Quadratmeter -, dass sie heutigen Ansprüchen nicht mehr genügten. Bei den Gemeinnützigen gibt es - mit rund 600.000 Wohnungen - den stärksten preisgebundenen Mietwohnungssektor mit rund 40 Prozent aller Mietwohnungen in Österreich. Mit 6,6 Euro je Quadratmeter (bei Neu- und Altmieten zusammen) liegt die Miete bei den GBV (samt Betriebskosten und Umsatzsteuer) um rund 20 Prozent unter dem Niveau privater bzw. gewerblicher Vermieter (mit 8,1 Euro/Quadratmeter). Bei GBV-Wohnungen mit abbezahlten Darlehen gibt es nur noch 1,75 Euro/Quadratmeter Grundmiete plus Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB). Ohne EVB lägen die Mieten ausfinanzierter Objekte bei rund 1,3 Euro pro Quadratmeter und Monat. Der private Wohnungssektor müsse eigentlich froh sein über die Größe des preisgebundenen Bereichs, meinte GBV-Obmann Wurm, "denn sonst wäre bei ihnen die Regulierungswut der Politik viel höher. Die privaten Renditen wurden möglich, weil es hier eine Förderung und einen abgesicherten Bestand gegeben hat." Betrachte man es historisch, sei die Wohnbauförderung immer auch eine Mittelschichtförderung gewesen. Einkommensgrenzen im geförderten Wohnbau, die heute wieder diskutiert würden, seien erst 1968 eingeführt worden - davor sei es um den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gegangen. Von Ideen, die Einkommen von Mietern geförderter Wohnungen nachträglich nochmals zu überprüfen, hält Wurm nichts. Das sei ein Argument der privaten Immobilienmarkt-Akteure, die beides wollten - nämlich eine Nachschärfung im gebundenen Bestand, mit dem Argument, dass "die falschen Leut" drin wohnen würden, und die dann obendrein auch noch am Markt höhere Mieten kassieren wollten. "Das ist die Strategie, mit der auch die Mietrechts-Reformer derzeit konfrontiert sind", meinte der GBV-Obmann am Donnerstag bei einem Symposium des Verein für Wohnbauförderung (vwbf) in Krems (NÖ). In den Bauten der Gemeinnützigen sei die soziale Durchmischung recht gut, ziemlich ähnlich wie im Wohnungsbestand insgesamt, erläuterten Wurm und Bauer. Zur Frage einer "gesunden" sozialen Durchmischung in einer Großstadt insgesamt, meinte TU-Wien- Stadtentwicklungsexpertin Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald, dass es damit in Wien verglichen mit anderen Metropolen gar nicht so weit her sei: "Menschen mit höherer und niedrigerer Bildung wohnen doch recht getrennt." Natürlich gebe es einen Zielkonflikt zwischen sozialer Treffsicherheit und größtmöglicher sozialer Durchmischung: "Die soziale Durchmischung kostet halt etwas." Der soziale Wohnbau in Wien sei zwar weder auf die untersten Einkommensschichten noch auf die billigsten Bezirke beschränkt, aber die sozioökonomische Durchmischung sei in jenen Bezirken stärker, die von privaten (Altbau-)Mieten geprägt seien, so die TU-Expertin. Diakonie-Österreich-Direktor Michael Chalupka plädierte angesichts von vermutlich 50.000 bis 55.000 anerkannten Asylanten oder subsidiär Schutzbedürftigen, die dauerhaft in Österreich bleiben dürften und integriert werden müssten, für ein System, damit diese Menschen "nicht in die Obdachlosigkeit entlassen werden". Denn auf "obdachlose Familien" sei auch die Diakonie nicht eingestellt, bei der sich eigentlich nur 6 Prozent ihrer Mitarbeiter mit Flüchtlingsarbeit befassen würden. Für ein Gesamtsystem könne man sich an Modellen orientieren, die es als Ausnahme schon gebe: Start-Wohnungen für 18 bis 24 Monate Nutzung via Diakonie-Vertrag, Final-Wohnungen für drei oder mehr Jahre, den Housing-First-Ansatz mit fünf oder mehr Jahren Mietdauer (die ersten zwei über die Diakonie) sowie Wohnungspatenschaften. Letztere zeigten, welche Kraft in der Zivilgesellschaft stecke; teils würden Private Anmietungen durch hinterlegte Sparbücher ermöglichen; es seien auch schon extra Wohnungen gekauft worden, um sie Flüchtlingen zu vermieten. Nichts hält Chalupka von Kürzungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung ("Von 520 Euro kann man nicht leben.") oder einer Residenzpflicht ("Jemand, der 1.000 Kilometer weit gekommen ist, bleibt nicht in einem vorgeschriebenen Ort, nur weil er 827 Euro bekommt. Der will wegen der sozialen Netzwerke in Wien bleiben.") (APA)