Wien : Finanzpolizei ermittelt wegen Sozialbetrug auf Signa/Porr-Großbaustelle

Im heutigen Ö1-Morgenjournal berichtete Bernt Koschuh über einen Fall, in dem mögliches Sozialdumping relativ konkret beweisbar scheint. Hier der Text des Beitrags mit freundlicher Genehmigung: Sozialbetrug, Lohndumping und Ausbeutung kommen auf Baustellen in Österreich oft vor. Aber selten haben die Behörden Belege dafür. Im Fall von rund 20 Arbeitern aus Portugal und Spanien auf einer Großbaustelle in Wien, über den wir berichtet haben, gibt es aber jetzt ziemlich deutliche Anzeichen für möglichen Sozialbetrug. Nach einem Hinweis von Ö1 ermittelt die Finanzpolizei. Betroffen ist eine Großbaustelle von Signa-Holding und Porr AG, die Bernt Koschuh schon einmal für uns besucht hat:
Das Baustellen-Drehkreuz neben dem neuen Hauptbahnhof. Die Signa-Holding baut hier drei hochmoderne Bürotürme, einer soll über 20 Stockwerke hoch werden. Am Freitag dürfte die Finanzpolizei aufgetaucht sein. Der Anlass: Ein Lohnzettel des spanischen Arbeiters Ismael Velazquez, den er Ö1 zugespielt hat und vom Chef der slowakischen Subfirma JMP erhalten habe: "Das ist ein offizielles Dokument. Aber die 405 Euro Lohn stimmen nicht zusammen mit unserem Vertrag, wo 2.200 Euro Lohn vorgesehen sind. Also: Ist da irgendwo ein Betrug?"
Für November und Dezember haben die Spanier ihren Lohn nicht erhalten. Davor aber tatsächlich für zwei Monate je rund 2.200 Euro, fünf Mal so viel wie am slowakischen Lohnzettel vermerkt. Arbeiterkammerjuristin Andrea Ebner-Pfeifer meint: "Der Grund könnte sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich Sozialversicherungsbeiträge ersparen möchte."
Nämlich im Vergleich zu reguärer Anmeldung in Österreich "Rund 350 bis 370 Euro pro Arbeitnehmer und Monat."
Am Freitag, einen Tag nachdem Ö1 den Lohnzettel und einige Fragen an Firmen und Behörden gemailt hat, kommt vom Finanzministerium die Antwort, es hätten gleich konkrete Ermittlungshandlungen stattgefunden. Zumindest indirekt betroffen ist die Porr AG, sie hatte einen Auftrag an die Wattaul Bau vergeben und die an die slowakische Subfirma JMP. Doch interessanterweise hatte es davor laut Porr schon zwei routinemäßige Kontrollen durch die Behörden gegeben. Da seien keine Unregelmäßigkeiten entdeckt worden und vermutlich auch keine slowakischen Lohnzettel.
Arbeiter Ismael Velazquez erhebt massive Vorwürfe auch gegen die Firmen Wattaul und Porr: "Sie verlangen keinen Nachweis, dass die Arbeiter ausreichend versichert sind, sie verlangen keine Gesundenuntersuchung der Arbeiter, keinen Ausbildungs-Nachweis, keinen Nachweis von Sicherheitsschulungen. Ich habe in vielen Ländern gearbeitet aber das hier ist tiefste Niveau, das ich in den letzten 20 Jahren auf Baustellen erlebt habe."
Er fordere, dass 20 Spanier und Portugiesen endlich ihre November/Dezember-Löhne erhalten.
Von den Firmen gibt es kein Interview, aber Georg Wattaul sagt, Lohnzettel müssten seiner Ansicht nach nicht aufliegen auf Baustellen. Von Porr heißt es, eine Kontrolle von Lohnzetteln oder Lohnzahlungen sei sehr schwierig und würde auch an datenschutzrechtliche Grenzen stoßen. Beide sagen, man habe alle gesetzlichen Verpflichtungen eingehalten. Die wurden übrigens mit Jahresbeginn verschärft. Die Frage, ob die österreichischen und europäischen Regelungen streng genug sind, stellt sich trotzdem.