Energie & Technik : Energie aus Hirnschmalz

Häuser denken nicht. Auch intelligente Gebäude sind nur so klug wie der Haustechniker, der die Gebäudeleittechnik konfiguriert und optimiert. Macht dieser seine Sache gut, lassen sich in fast jedem Gebäude zehn bis fünfzehn Prozent Energie einsparen – und manchmal sogar deutlich mehr. In der Praxis liegt dieses Effizienzsteigerungspotenzial jedoch oft brach.

„Wenn wir in Betriebe kommen, erleben wir immer wieder, dass Gebäudeleitsysteme bei der Inbetriebnahme des Gebäudes einmal eingestellt wurden, und seither einfach so laufen“, erklärt Stefan Pilgerstorfer von AMS Engineering. Lüftungsanlagen laufen rund um die Uhr auf voller Leistung, leere Gänge werden beleuchtet, und auch die Steuerung von Heizung oder Kühlung lässt sich oft verbessern. „Manchmal werden kurzfristige Umprogrammierungen vergessen rückgängig zu machen, oder es ändern sich Benutzungsart oder -muster. Daher muss man immer wieder Anpassungen vornehmen, sonst läuft das Gebäude genauso ineffizient wie ohne Regelung“, ergänzt Peter Palensky, Geschäftsfeldleiter „Sustainable Building Technologies“ am Austrian Institute of Technology.

Sensoren und Aktoren

In Österreich gibt es zahlreiche Anbieter für die Gebäudeautomation. Ihr Hauptbetätigungsfeld sind Konzepte und Produkte für Industrie-, Gewerbe- und Bürogebäude, Sportanlagen und Schulen. Kaum ein großvolumiges Gebäuden wird heute noch ohne Gebäudeautomation errichtet. Die Gebäudeleittechnik sollte auf internationalen, offenen Standards - zum Beispiel EIB/KNX oder LON - basieren, um sich nicht von einem Anbieter abhängig zu machen und um das System mit Komponenten anderer Hersteller erweitern zu können.

Temperaturfühler liefern die Datengrundlage für die Steuerung von Heizung und Kühlung. Lichtsensoren ermöglichen es, die künstliche Beleuchtung zu dimmen, wenn die Sonne hinter den Wolken hervorkommt. CO2-Sensoren an den Arbeitsplätzen verhindern dicke Luft, außer der Bewegungsmelder gibt dem System bekannt: Keiner da. Die Software verarbeitet die Daten und schickt ihre Befehle an diverse Schalter und Aktoren aus. Sonnenschutz aus- und einfahren, Fenster auf oder zu.

Damit sich die Gebäudenutzer nicht vollkommen dem System ausgeliefert sehen, werden ihnen meistens Möglichkeiten geboten einzugreifen. „Ich kann von meinem Computer aus an der Heizung feilen oder das Licht ein- und ausschalten“, sagt Julia Angerer von der Copa-Data GmbH, die vor allem Industriebetriebe automatisiert. „Hier ist wie auch in anderen Bereichen das Energiemanagement gefragt. Die Gebäudeleittechnik ermöglicht es, die Prozesse zentral zu verwalten, und gewisse Trends vorherzusehen.“ Damit können Lastspitzen beim Stromverbrauch vermieden und Nachtstromtarife optimal genutzt werden.

Externe Informationen integrieren

„Prognosegeführte Systeme sind schon am Markt, stecken aber eher noch in den Kinderschuhen“, meint Palensky. Künftige Gebäude werden sich nicht nur an Wetterprognosen orientieren, sondern interagieren mit dem Wärme- und Stromnetz. „Im Stromnetz gibt es hohe Lastspitzen und die Relation zur Grundlast steigt jedes Jahr“, weist der Energieexperte auf ein gravierendes und teures Problem der E-Wirtschaft hin. Das Haus der Zukunft könnte zu solchen Zeiten automatisch alle Verbraucher abschalten, die nicht unbedingt für den Nutzerkomfort erforderlich sind.

Selbstverständlich lassen sich eine Reihe weiterer Funktionen in die Gebäudeleittechnik integrieren, die nichts mit Energieeffizienz zu tun haben, zum Beispiel Brandmelder oder Alarmsysteme. Im Bereich der Home-Automation werden auch Funktionen angeboten, die den Stromverbrauch erhöhen, vor allem wenn durch automatisches Einschalten von Licht oder Fernsehern Anwesenheit vorgetäuscht wird. „Da muss man sich dann entscheiden, ob einem die Sicherheit oder die Energieeffizienz wichtiger sind“, meint Daniela Nöbauer von der Moeller Gebäudeautomation GmbH. Beide Features bieten dagegen Fenstersensoren. „Wird ein Fenster geöffnet, schaltet sich automatisch die Heizung aus“, erläutert Nöbauer. „Es kann aber auch eine Warnung ans Handy des Besitzers geschickt werden, sollte ein Fenster geöffnet werden, obwohl niemand daheim ist.“

Während die Bedienung des Smart Homes nicht viel komplexer als die eines Videorecorders ist, braucht es bei größeren Immobilien einen internen oder externen Experten. „Es muss jemand sein, der die Branche kennt, nicht irgendein Programmierer, der nur am Rande Know-How in Sachen Gebäudetechnik besitzt“, erklärt Axima-Prokurist Helmuth Biermeier. Mit der Messstandregeltechnik – kurz MSR - seien Energieeinsparungen von bis zu 30 Prozent möglich, vor allem bei Heizung, Kühlung und Beleuchtung. Wie andere Contracting-Anbieter auch, sorgt Axima für nötige Investitionen und refinanziert sich über die erzielten Einsparungen. Damit diese auch wirklich erzielt werden, bedienen die Fachleute des Energiedienstleisters die Anlagen der Kunden. In Zeiten des Internets sind Fernüberwachung und -steuerung von Gebäuden längst kein Problem mehr.

Der Serverraum als Heizung

Was alles gemessen und gesteuert werden kann, zeigt kaum ein Bürogebäude anschaulicher als das Amsec in Hagenberg im Mühlkreis. 11.000 Messpunkte sorgen für eine wahre Datenflut. „Wir wollten ein Testobjekt schaffen, mit dem man auch die verschiedensten Situation und Bedarfsfälle ausprobieren kann“, erklärt Pilgerstorfer das Übermaß an Sensoren. Der Clou an dem Gebäude ist aber weniger die hochkomplexe und auf Effizienz getrimmte Gebäudeautomation, als die Heiz- und Kühltechnik, die von ihr gesteuert wird. Bei dem wachsenden Software-Unternehmen stiegen mit jedem zusätzlichen Mitarbeiter, Server und Computerbildschirm die internen Wärmelasten. Resultat des immer heißer werdenden Betriebsklimas war die Errichtung eines Gebäudes, das ausschließlich von den Servern beheizt wird.

Wärme und Kälte werden über Zwischendecken mit Betonkernaktivierung verteilt. „Für die Gebäudekühlung haben wir gänzlich auf Kältemaschinen verzichtet und eine passive Kühlung gewählt“, so Pilgerstorfer. 21 Tiefensonden im Granit liefern ohne Wärmepumpe ausreichend Umweltkälte. Lediglich die Pumpen benötigen Strom. „Während konventionelle Kältemaschinen eine Leistungsziffer von 1,5 bis 2 aufweisen – also zwei Teile Kälte für einen Teil Strom –, kommen wir auf Leistungsziffern von 50 aufwärts.“

Moderne Gebäudeleittechnik kann einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zur Kostensenkung und zum Klimaschutz leisten. Das Amsec oder kombinierte Heizsysteme wie Solar/Biomasse würden ohne Elektronik gar nicht funktionieren. Die Grenzen des Machbaren liegen beim Know-How des Anlagenbetreibers und an der „Hardware“ des Gebäudes, seinem thermischen Zustand und der verwendeten Haustechnik. Den optimalen Beitrag kann die Gebäudeautomation daher leisten, wenn sie im Neubau gemeinsam mit Gebäude-, Energie- und Haustechnikplanung konzipiert wird. Nachträglich ist so manches Sparpotenzial nicht mehr zu realisieren.