Straßenbau : Die Schwarzdecken-Bauer

Josef Fessl, Geschäftsführer von Wirtgen Österreich, kann leicht lachen, wenn er nach verkaufsentscheidenden Vorzügen der Asphalt-Fertiger aus dem Hause Vögele gefragt wird. „Wir haben hierzulande einen Marktanteil von 85 Prozent, beweist das nicht, was unsere Produkte können?“, lautet seine Gegenfrage. Wem das als Antwort nicht reicht, der bekommt von Fessl noch einen weiteren eindrucksvollen Satz über die Marktposition des deutschen Herstellers zu hören: „Vögele ist auch weltweit Marktführer und zwar bauen wir mehr Fertiger als der zweite, der dritte, der vierte und der fünfte Marktteilnehmer gemeinsam.“ Und die auf den Rängen hinter Vögele liegenden Fertiger-Produzenten sind nicht irgendwelche Firmen, fügt er dann noch im Nachsatz hinzu: „Dort finden sich unter anderen Caterpillar, Volvo und Dynapac.“

Dass die in Ludwigshafen beheimatete Firma heute den Weltmarkt für Straßenfertiger dominiert, hat zwei Gründe. Zum einen bestimmt Vögele schon seit bald einem Jahrhundert die Entwicklung der Asphaltfertiger maßgeblich mit. Bereits 1929 brachte die Firma quasi den Urahn dieser Geräte auf den Markt, einen sogenannten Schleppverteiler: ein längsförmiger Trichter, der an einen LKW gehängt wurde und über eine Schnecke Asphalt mehr oder weniger gleichmäßig auf dem Unterbau verteilt.

Elektrisch statt Gas

Fertiger mit der im Prinzip heute noch eingesetzten Technologie kamen in den fünfziger Jahren auf den Markt. Dabei spielt eine sogenannte „schwimmende“ Bohle - quasi ein höhenverstellbares Verteilgerät – die Hauptrolle. Mit ihr lässt sich die Stärke der Schwarzschicht präzise regulieren. Während die Mitbewerber die Bohle ursprünglich mit Gas beheizten, damit der Asphalt flüssig bleibt, entwickelte Vögele eine Elektroheizung. Offensichtlich war diese problemlose und rasch betriebsbereite Heizung ein entscheidender Vorteil gegenüber der zischenden Gasheizung, die auch in der Umgebung der Maschine für höhere Temperaturen sorgte. Die Technik brachte jedenfalls den Durchbruch für Vögele und heute sind nahezu alle Fertiger mit einer Elektroheizung ausgestattet.

Zur jahrzehntelangen Erfahrung mit der Fertiger-Technik kam Ende des vorigen Jahrhunderts eine weitere Komponente, die zu Vögeles heutiger Führungsposition beitrug: Reinhard Wirtgen, der damals gerade mit Fräsen am europäischen Markt reüssierte, erkannte, dass im Wettbewerb auf einem globalen Markt ein komplettes Programm an Straßenbau-Maschinen ein entscheidender Trumpf wäre. Und er beschloss, durch Firmenaufkäufe zu einem solchen Gesamtanbieter zu werden. 1996 kaufte Wirtgen als erstes Unternehmen auf diesem Weg Vögele, nach seinem Tod folgte 2000 der Walzenhersteller Hamm und 2006 der Brechanlagenproduzent Kleemann. Heute setzt die Wirtgen-Group mit diesem Komplettangebot an mobilen Maschinen für den Straßenbau und für die Straßeninstandsetzung knapp 1,6 Milliarden Euro um.

Komplett neues Programm

„Die Größe des Unternehmens bringt eine Reihe von Vorteilen“, meint Josef Fessel, „etwa bei Service- und Ersatzteilhaltung, in der Anwendungstechnik, bei Schulungen und auch bei Forschung und Entwicklung.“ So wurde nach der Übernahme durch Wirtgen im letzten Jahrzehnt ein komplett neues Programm an Fertigern entwickelt. Den Anfang machte 2003 die Strich 1-Fertigerfamilie, danach folgten unter anderen neue Mini- und Kleinfertiger, die Strich 2-Modelle und neue Kompaktmodelle. „Zu dieser Zeit waren vier Wirtgen-Konstrukteure bei Vögele und sie haben die besten Fertiger entwickelt, die jemals gebaut wurden“, lobt Josef Fessl seine Ware.

Im Vorjahr stellte das Ludwigshafener Unternehmen auf der Bauma abermals Erweiterungen am unteren und am oberen Ende der Produktpalette vor. Der Raupenfertiger Super 700 ist mit einer Durchfahrtsbreite von nur 1,20 Metern für kleinere und mittlere Asphaltierungsarbeiten ideal. Die Grundbreite der Bohle von 1,10 Meter lässt sich hydraulisch auf 2,0 und mit Anbauteilen auf 3,20 Meter erweitern. Zusätzlich gibt es ein Verschmälerungssystem, mit dem bis auf eine Einbaubreite von 0,5 Metern zurückgegangen werden kann.

Quasi das Gegenstück zu diesem Minifertiger ist der SUPER 3000-2. Mit einer Einbaukapazität von bis zu 1500 Tonnen/Stunde und einer Einbaubreite von bis zu 16 Metern – das sind fünf Fahrspuren – eignet sich diese Megamaschine für Neubau und die Sanierung von Autobahnen, Bundesstraßen, Landstraßen und Flughäfen. Sie kann nicht nur bituminöses, sondern auch nicht bituminöses Mischgut für den Unterbau einbauen. Dazu wurden verschiedene Elemente besonders verschleißfest ausgelegt, optional kann bei geplantem häufigen Unterbau-Einsatz außerdem ein Heavy-Duty-Kit geordert werden. Angetrieben wird das Großgerät von einem Deutz 6-Zylinder-Dieselmotor, der 300 kW/408 PS leistet. Die allein durch ihre Größe beeindruckende Maschine wird hierzulande allerdings kaum verkauft werden, da Österreichs Autobahnen fast ausschließlich mit Betonfahrbahn gefertigt werden und für den Bau von Asphalt-Straßen ein Fertiger mit dieser Leistung nicht notwendig ist.

Wobei in der Praxis bei den Überlegungen für eine maximale Ausnützung der Fertigerbreiten noch andere Dinge eine Rolle spielen, erklärt Harald Simon, Bauleiter bei ABO Asphalt Bau Oeynhausen: „Ob man jetzt Anbauteile nützt, um einen Fertiger auf maximale Einbaubreite zu vergrößern oder stattdessen zwei Bänder fährt, ist eine individuelle wirtschaftliche Entscheidung, bei der auch der Einsatz der eigenen Mannschaft für Transport und Montage der Anbauteilen berücksichtigt werden muss.“ Dass große Breiten bei der Fertigung von Asphaltdecken in Österreich nicht das Um und Auf sind, hat laut Simon noch einen weiteren Grund. Bei der Sanierung von Autobahnen und Bundesstraßen wird in einem Arbeitsgang meist ohnehin nur die Decke für eine Spur erneuert, damit der Rest der Fahrbahn noch für den Verkehr zur Verfügung steht.

Wettbewerb will mithalten

Ganz an die Wand spielen lassen wollen sich die Wettbewerber von Vögele natürlich nicht. Dynapac etwa hat heuer zu Jahresbeginn sechs neue Asphalt-Kettenfertiger mit Arbeitsbreiten von 2 bis 14 Metern auf den Markt gebracht. Der legendäre schwedische Hersteller wurde 2007 vom Atlas Copco Konzern im Zuge seiner Expansion in den Wachstum versprechenden Straßenbaumarkt erworben. Als Vorzüge der neuen Modelle nennt Dynapac unter anderem größere und breitere Materialbehälter, breitere Transportbänder und schlankere Schneckenantriebe, die gleichmäßigeren Materialtransport durch den Fertiger, geringerer Materialentmischung und letztendlich noch bessere Einbauergebnisse bringen sollen.

Besonders stolz ist man bei Dynapac auf die Bohle, die das wichtigste Element für das Arbeitsergebnis eines Asphalt-Fertigers ist: „Bereits mit unserer normalen Bohle erreichen wir nahezu das Niveau der Hochverdichtungsbohlen unserer Wettbewerber“, behauptet Thilo Ohlraun, Dynapac-Vertriebsleiter für Deutschland. In diesem Bereich möchte man sich jetzt selbst übertreffen: Für neue Modelle, die im kommenden Jahr auf den Markt kommen sollen, will Dynapac eine eigene Hochverdichtungsbohle auf den Markt bringen. Sie befindet sich derzeit in Erprobung und soll, verspricht Ohlraun, „neue Maßstäbe setzen.“

Hält Spur wie Kettenfertiger

Caterpillar hat 2009 und 2010 neue Fertiger auf den Markt gebracht. Im Sommer vor zwei Jahren wurde der Radfertiger AP600D vorgestellt. Die Maschine bietet eine maximale Arbeitsbreite von acht Metern und ist mit einer Einbauleistung von 600 Tonnen/Stunde für mittlere bis hohe Fertigungsleistung geeignet. Cat lobt bei diesem Fertiger das Traktions- und Fahrverhalten, das an Leistungen eines Kettenfertigers herankommt, sowie die Selbstnivelliereigenschaften. Neu beim AP600D ist außerdem ein ausgeklügeltes und besonders leistungsfähiges Kühlsystem. Es leitet die heiße Luft vom Motorraum in Richtung Mischkübel und verbessert so auch die Arbeitsbedingungen.

Auf der Bauma präsentierte Cat den kompakten kettengetriebenen Asphaltfertiger AP555E mit einer maximalen Einbaubreite von acht Metern und einer maximalen Einbauleistung von 600 Tonnen. Zeppelin spricht von einer neuartigen, besonders wendigen Kompakt-Fertiger. Ein MobileTrackSystem mit pendelnd aufgehängten Laufrollen ermöglicht es dem Fahrwerk, Unebenheiten auszugleichen, Unregelmäßigkeiten in der Asphaltschicht werden so weitgehend verhindert. Außerdem kann die Maschine auf der Stelle drehen, was sie besonders manövrierfähig macht. Jüngstes Cat-Modell am heimischen Markt ist der Radfertiger AP500E, ebenfalls mit acht Meter maximaler Einbaubreite und 600 Tonnen theoretischer Einbauleistung. Vorzüge dieser Maschine sind unter anderem die Manövrierbarkeit und die schnelle Einstellung der Bohle.

Eine gute Sache

Ein wesentlicher Fortschritt bei den neuen Fertigern ist die Ausstattung mit elektronischen Steuerungen. Statt vieler Hebel wie früher gibt es heute ein übersichtliches Bedienpult, auf dem Geschwindigkeit, Arbeitstempo und viele andere Komponenten stufenlos gewählt werden können. Die Elektronik gewährleistet auch beim wiederholten Anfahren und Stoppen einwandfreie Belagqualität. GPS-Signale sorgen für millimetergenauen Einbau nach Plan. „Bei sinnvoller Verwendung ist die Elektronik eine gute Sache, die einen Großteil der Arbeit abnimmt“, meint ABO-Bauleiter Harald Simon. Was zu deutlichen Personaleinsparungen führt: Bestand in den achtziger Jahren eine Einbaumannschaft aus zwölf Leuten, kommt man heute dank Elektronik mit sieben aus.

Zum Tragen kommen die Vorteile aber erst bei längeren und gleichmäßigen Arbeiten. „Wenn ich den Fertiger neu starte dauert es einige Meter, bis sich die Elektronik auf das vorgegebene Maß einstimmt“, sagt Simon. Auch verschiedene Feinarbeiten sind mit der manuellen Fahrweise exakter realisierbar. Simons Wunschtraum wäre eine Elektronik, die den kompletten Einsatz des Fertigers vollautomatisch steuert. „Aber das wird nicht umsetzbar sein, weil jedes Projekt individuell ist, jede Baustelle ihre Eigenheiten hat“, meint er realistisch. Allerdings - vergleicht man den gigantischen Fortschritt zwischen dem vor 80 Jahren als revolutionäre Neuheit angesehenen Schleppverteiler und den heute eingesetzten Fertigern, dann scheinen selbst solche Wünsche realisierbar. Vielleicht wird in weiteren 80 Jahren ein Roboter den Fertiger in allen Arbeitssituationen im Griff haben ...