Grader und Walzen : Die Kleinen ganz groß
Originale gibt’s in der Baubranche viele. Aber nur wenige davon kommen an den Oberösterreicher Franz Haider heran. Sein Betrieb in der Mühlviertler Marktgemeinde Gutau führt als Subunternehmen Grader- und Walzenarbeiten im Straßenbau durch. Selbständig gemacht hat sich Haider im Alter von 53 Jahren. Sein Arbeitgeber, die Landwirtschaftskammer, verkaufte damals den eigenen Erdhobel und damit war dessen Fahrer Haider arbeitslos. „Das AMS hat mir geraten, als Langzeitarbeitsloser auf die Pension zu warten, aber ich sagte denen, das kann sich der Staat nicht leisten und ich kann mir das auch nicht leisten“, erzählt er.
So besann er sich auf das, was er wirklich gut kann - aufs Graderfahren. Er kaufte sich einen eigenen Erdhobel und diente sich samt Maschine bei diversen Straßenbaufirmen an. „Du spinnst, dir das in deinem Alter noch anzutun“, hörte er damals nicht nur einmal. Haider hat nicht gesponnen: Heute ist er 74 und sitzt ab und zu noch immer am Grader oder auf der Walze. Aber nicht aus Zwang, sich über Wasser halten zu müssen, sondern aus Spaß an der Arbeit. Der vor mehr als zwanzig Jahren aus Verlegenheit gegründeten Ein-Mann-Betrieb ist längst ein solides kleines Unternehmen geworden. Neun Grader und ebensoviel Walzen gehören zum Reich des Seniors. Sein Sohn betreibt mit zehn Lastwagen partnerschaftlich ein Transportunternehmen.
Die wahre Kunst
Ein Grund für den Erfolg von Haider in späten Jahren ist, dass Grader- und Walzenfahren eine Kunst ist, die nicht allzu viele beherrschen. Deshalb bekommt er manchmal sogar Aufträge von Firmen, die eigenes Gerät und eigene Fahrer haben, aber denen es an der Haider’schen Fahrerqualität mangelt. So etwa hat ihn unlängst eines der ganz großen Bauunternehmen für ein Straßenbaulos engagiert. „Sie wollten ihre eigenen Grader einsetzen. Dafür haben sie extra Fahrer aus Ostdeutschland geholt. Aber auch die haben’s nicht richtig gekonnt und dann hat man eben wieder mich gerufen“, erzählt er mit einem erfrischenden Selbstbewusstsein, das auf vielen Jahren Anerkennung für seine Arbeit beruht.
Erklären worauf es beim Graderfahren ankommt, will er nicht: „Das ist eine Wissenschaft für sich, entweder man kann es oder man kann es nicht“, sagt er. Seinen Mitarbeitern hat er diese Kunst allerdings gelehrt. Und sie halten ihm auch die Treue: „Man muss gescheit zahlen, man muss sie menschlich behandeln, zuerst der Kollege, dann der Chef sein, dann kann sie dir keiner abwerben“, erzählt er. Baumaschinen-Verkäufer beißen sich bei dem Grader- und Verdichtungsprofi mit seinem in 45 Jahren praktischer Arbeit erworbenen Wissen manchmal die Zähne aus. Technischer Schnickschnack beeindruckt ihn nämlich kaum: „Jeder Hersteller hat heute gute und schlechte Maschinen im Programm, wichtig ist einzig, dass sie ordentlichen Einsatz leisten.“
Nicht vergreifen
Bei Gradern bevorzugt Haider die Marken New Holland und HBM-Novas. Ein wesentliches Kriterium für die Wahl dieser Marken war, dass beide Hersteller auf die gleiche Steuerung setzen: „Das ist wichtig, damit sich der Fahrer nicht dauernd vergreift, wenn er von einer auf die andere Maschine wechselt“, erzählt Haider. Elektronische Technologien zur Gradersteuerung wie eine 3D-Positionierung setzt er zwar ein, sie ist aber für ihn nicht das Gelbe vom Ei: „Wenn einer nicht Grader fahren kann, nützt ihm eine solche Steuerung auch nix. Es kommt immer wieder vor, dass in manchen Bereichen manuell gefahren werden muss, und wenn der Fahrer das ohne Elektronik nicht kann, muss extra ein anderer hinkommen“, erzählt er.
New Holland, von Kohlschein vertreten, ist bei Erdhobeln Marktführer in Österreich und zwar in ziemlich überlegener Position. Stefan Jonke von Kohlschein schätzt aufgrund der von seiner Firma verkauften Maschinen - 25 bis 30 Stück pro Jahr - den Marktanteil auf „80 bis 90 Prozent“. Der Erfolg von New Holland ist allerdings zumindest in diesem Bereich nur bedingt dem zur Fiat-Gruppe gehörenden Konzern zuzuschreiben. Denn unter der satt-gelben New-Holland-Lackierung steckt das Grundprinzip der legendären, roten O & K-Maschinen. Der deutsche Hersteller Orenstein & Koppel wurde in den neunziger Jahren filetiert. Terex übernahm die Hydraulikbagger-Produktion; New Holland die Grader-Fertigung. Hergestellt werden die New-Holland-Grader, wie Stefan Jonke besonders betont, „aber nach wie vor im ehemaligen O & K-Werk in Berlin“.
Ob klein, ob groß
„Made in Germany“ sind auch die HBM-Novas-Maschinen. Hersteller Papenburg ist einer der wenigen, kleineren Unternehmen, die sich am Baumaschinenmarkt noch behaupten können. 170 Mitarbeiter beschäftigt der Betrieb und die Geschäfte dürften trotz der Krise und ohne Großkonzern im Hintergrund laufen: Heuer investierte Papenburg knapp 10,5 Millionen Euro in die Erweiterung der Baumaschinenproduktion und schuf damit 28 neue Arbeits- und 12 Ausbildungsplätze. Vertrieben werden die HBM-Novas-Grader in Österreich von Terra.
Im Vergleich zu HBM-Novas Hersteller Papenburg sind Caterpillar und Volvo Giganten. Die beiden Branchenriesen bieten in Österreich ebenfalls Erdhobel an. Volvo stellte seine aktuellen Grader der 900er-Serie im Herbst 2005 vor. Ein Highlight ist das optional erhältliche 11-Gang-Getriebe, das für jeden Einsatz die optimale Untersetzung bieten soll. Caterpillar brachte vor zwei Jahren seine neue M-Serie auf den Markt. Die Besonderheit dieser Grader ist, dass nahezu alles Funktionen über zwei Joysticks gesteuert werden.
Der Rückkehrer
Im kommenden Jahr wird ein weiterer bekannter Produzent um die Gunst der Grader-Käufer rittern: Der japanische Hersteller Komatsu, der sich vor zehn Jahren mit diesen Maschinen vom Markt zurückgezogen hat, steigt mit der Bauma wieder ins europäische Grader-Geschäft ein. Vermutlich dürfte es sich um die in des USA und Asien angebotene Serie handeln, die mit verschiedenen technischen Details „europäisiert“ wird.
Nach Gradern kommen im Straßenbau Walzen zum Einsatz, um das glatt gestrichene Erd- und Schottergefüge des Unterbaus zu verdichten. Hier wird der Markt von ganz anderen Herstellern beherrscht. Um die Spitzenposition rittern in Österreich Hamm und Bomag. Weiters bieten die zum schwedischen Atlas-Copco-Konzern gehörende Dynapac, Baumaschinen-Marktleader Caterpillar und der Schweizer Hersteller Amann Walzen. Hamm meint bereits mit der Nase vor Bomag zu liegen, behauptet Josef Fessl, Geschäftsführer von Wirtgen Österreich: „Am gesamten Walzenmarkt dürften unser Anteil in Summe nicht mehr weit von 50 Prozent entfernt liegen, und somit glaube ich, dass wir in allen Bereichen heute Markleader sind.“
In familiärer Hand
Hamm und Bomag, die zwei größten am Markt haben einiges gemeinsam. Beide Produkte stammen aus deutschen Werken und beide gehören zu Unternehmens-Gruppen, die sich im Familienbesitz befinden. Die Wirtgen-Gruppe wurde 1961 gegründet zunächst für den Transport von Baumaterialien. Erst Ende der 70er-Jahre stieg man mit Straßenfräsen in die Produktion ein. Ab den 90er-Jahren kaufte das Unternehmen mit Vögele, Hamm und Kleemann drei traditionsreiche deutsche Straßenbaumaschinen-Hersteller. Heute ist die Gruppe mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro Weltmarktführer in diesem Segment. Die Anteile des Unternehmens werden von der Witwe des 1997 bei einem Autounfall verunglückten Firmengründers und den beiden Söhnen Stefan und Jürgen Wirtgen gehalten, die das Unternehmen heute auch führen.
Die Gründung der Bomag erfolgte im Jahr 1957 durch den Holzhändler Karl Heinz Schwamborn. Angeregt wurde er dazu vom Techniker Benno Kaltenegger, der eine damals revolutionäre Idee hatte: Verdichten durch Doppelvibration mit Allbandagenantrieb. Die Idee schlug ein. Bomag wurde bald zu einem wichtigen Walzen-Anbieter. 1970 verkaufte Schwamborn das Unternehmen an den US-Konzern Koehring. Mehrmals wechselten in den nächsten Jahren US-Eigentümer. 2005 erwarb die französische Fayat-Gruppe die nach wie vor innovative Bomag um rund 440 Millionen Dollar. Fayat ist wie Wirtgen ein Familienunternehmen mit Schwerpunkt auf Straßenbaumaschinen. Gegründet wurde es 1957 von Clément Fayat, der mit 77 Jahren noch immer an der Spitze des Konzerns steht. Seine Söhne Jean-Claude und Laurent sind ebenfalls in Führungsposition der Gruppe tätig, die weltweit 16.000 Mitarbeiter beschäftigt.
Sensibel verdichten
Ein wesentliches Wettbewerbskriterium bei den Verdichtungsmaschinen ist die Vibration, um nicht allein durch den Druck der Walze, sondern auch durch „Schläge“ das Material zu verdichten. Die übliche Vibrationstechnik leitet über Wuchtgewichte in den Walzen Schwingungen in den Boden ein. Hamm dagegen setzt als einziger Hersteller auf die Oszillationsverdichtung, die durch eine oszillierende Drehbewegung der Bandage Scher- und Schubkräfte ins Material einleitet. Für den Erdbau bietet Hamm Walzen mit Oszillation und Vibration, was Wirtgen-Österreich-Geschäftsführer Josef Fessl als entscheidenden Vorteil sieht: „Auch im Erdbau macht das Oszillieren Sinn, weil man damit etwa selbst unmittelbar neben sensiblen Bauwerken voll verdichten kann. Eine unserer Maschinen verdichtete unlängst neben dem Dom in Wiener Neustadt mit Oszillation.“
Christian Pfeffer, Verkaufsleiter von Dynapac in Österreich, will nicht bestreiten, dass die Oszillation für solche Einsätze gut geeignet ist, „aber erstens kann man die Amplituden-Frequenz so einstellen, dass nichts passiert und zweitens ist die Schwingung nach unten die bessere Variante, wenn starke Verdichtung gebraucht wird, speziell beim Straßenbau, wo stärkere Grund- oder Tragschichten verbaut sind.“ Wie alle anderen Hersteller lobt Christian Pfeffer die Elektronik, die heute in Walzen für den Straßenbau steckt. „Wir bieten Software, die automatisch entsprechend dem Untergrund die Zahl der notwendigen Übergänge errechnet, der Fahrer erhält genaue Anweisungen wo er wie zu fahren hat, damit optimal verdichtet wird.“
Franz Haider aus Gutau beeindruckt solche Technik weniger: „Das sind alles tolle Sachen“, sagt er, „aber ein guter Fahrer hat es im Gefühl, wenn genug verdichtet ist.“ Die guten Fahrer wie Haider werden allerdings immer weniger. Und da sind Steuerungen, die mangelndes Feingefühl durch präzise Elektronik ausgleichen, durchaus sinnvoll. Mit den Protokollen der Verdichtungsleistungen kann darüber hinaus dem Bauherrn bewiesen werden, dass die Arbeit technisch perfekt durchgeführt wurde. Für Haider, der Walzen von Hamm und Bomag einsetzt, zählen praktischere Dinge: „Beide Marken sind sehr gut, aber die Motoren eines Herstellers verbrauchen im Schnitt zwei bis drei Liter Diesel mehr, da rennt das Geld, das ist für mich der Punkt.“ (Wolfgang Pozsogar)