Unternehmen im Portrait : Amazon als Vorbild

Sieg und Niederlage liegen im Sport recht eng beieinander. Dass dies auch für die Wirtschaft gilt, war eine neue Erfahrung für den jungen Unternehmer. „Der Stahlhandel ist seit 2004 sehr gut gelaufen. Nicht, weil wir so gescheit waren, sondern weil wir vor allem vom starken Stahlpreisanstieg profitiert haben“, erinnert sich Javor an die Zeiten des ungebrochenen Wachstums zurück.

„Der September 2008 war der beste Monat in unserer Firmengeschichte. Im Oktober 2008 habe ich gesehen, dass es so nicht weiter geht.“ Der Stahlpreis sank dramatisch – und der Absatz ebenfalls. „Wir haben alleine in Österreich 50.000 Tonnen Stahl auf Lager. Und die waren über Nacht nur mehr die Hälfte wert.“

„Ein Kulturschock“

So entschlossen sich Marcel Javor und sein Va

ter, Firmengründer Erwin Javor, als erstes Unternehmen der Branche zu einer Restrukturierung. „Am Anfang haben mich die Leute nicht verstanden, weil wir ja vom besten Ergebnis herkamen und seit 1970 immer nur ausgebaut und erweitert haben. Das war ein Kulturschock, als wir erstmals Mitarbeiter abbauen mussten. Und wir waren die ersten in der Branche.“ Ein Fünftel der Beschäftigten musste gehen, die Kosten konnten um ein Drittel reduziert werden.

Schneller als Amazon

Jetzt läuft der Laden wieder, und Marcel Javor strahlt und sprüht vor Ideen. Die Krise des Jahres 2009 habe bei Frankstahl zu einem Kreativitätsschub geführt, meint er. Seine Vorbilder sucht Javor nicht bei der Konkurrenz im Stahlhandel, sondern in anderen Branchen. „Was macht Amazon? Sie kaufen ein, lagern, verkaufen“, nimmt Javor Maß. „Bei uns passieren noch Zwischenschritte wie Zuschnitte oder Beschichtungen. Aber eigentlich machen sie fast dasselbe wie wir.“

So entwickelte man bei Frankstahl nach dem Vorbild des Onlinehandels einen 24-Stunden-Lieferservice. Wer seine Ware bis 16 Uhr bestellt, bekommt sie am nächsten Tag in ganz Österreich geliefert. Erst nach Eingang des letzten Auftrags beginnt dann die Tourenplanung, das Puzzlespiel, welche Bestellung auf welchen Lastwagen kommt. „Wenn dieser Prozess cirka um 22 Uhr abgeschlossen ist, erhält der Kunde automatisiert ein E-Mail mit der Uhrzeit der Lieferung, dem Namen des Chauffeurs und dem Lieferschein im Anhang. Das ist Amazon.“ Eigentlich ist das sogar schneller, als der Onlineversandhandel seine Bücher und CDs ausliefert.

Grüne Ideen

Außerdem hat Javor sein Herz für die Umwelt entdeckt, was vor der Krise für ihn kein Thema war. Nun möchte er Hybridautos anschaffen und versucht, Frankstahl in ein nahezu papierloses Unternehmen zu verwandeln, – nicht nur weil er seine Freude an den Möglichkeiten der Technik hat. So sitzen er und sein Team meist ohne Papier, dafür mit Laptops an seinem quadratischen Besprechungstisch, stöpseln sich an und projizieren ihre Charts mittels Beamer auf eine automatisch ausfahrbare Leinwand. Papier will Javor vor allem bei den Rechnungen sparen: „Wir versuchen unsere Rechnungen, und das sind doch rund tausend pro Tag, nur mehr per E-Mail zu versenden. Wenn Kunden auf eine Papierrechnung bestehen, verrechnen wir 1,50 Euro, die wir dann an Global 2000 spenden.“

Weit energieintensiver als die Geschäftspost ist freilich der Transport der Ware. „60 Prozent unserer Ware bekommen wir mit der Bahn. Die Auslieferung erfolgt allerdings zum Großteil mit dem LKW“, zuckt Javor die Schultern. Denn 90 Prozent seiner Kunden haben keinen Bahnanschluss. „Und beim Rest scheitert der Schienentransports häufig an mangelnder Flexibilität und höherem Preis der Bahn.“ Dennoch will Javor in den nächsten zwölf Monaten eine Vorreiterrolle beim Umweltschutz einnehmen, und seine Kunden und Lieferanten mit dem Thema anstecken. „Ich denke, wir können das Thema Umweltschutz besser kommunizieren als die Politik, weil wir neutraler sind“, meint Javor. „Wir versenden pro Jahr rund eine Million E-Mails. Was wir da für eine Kommunikationsmacht in der Hand haben!“

Sport und Vitamine

Auch das Thema Gesundheit nimmt für den Unternehmer einen hohen Stellenwert ein. Dienstags nach der Arbeit schnürt er seine Laufschuhe und begibt sich mit Mitarbeitern und einem eigens engagierten Lauftrainer auf die Strecke. Salzgebäck, Chips oder Schokolade sucht man in seinem Büro vergeblich. Dafür findet man eine Schale Obst am Besprechungstisch, und auf seinem Schreibtisch steht ein Metallgefäß, prall voll mit Studentenfutter. Die Menge an Nüssen würden ausreichen, um eine ganze Eichhörnchenfamilie durch den Winter zu bringen.

„Ich kann unsere Mitarbeiter weder zu gesunder Ernährung, noch zu Sport zwingen. Ich kann nur anregen und die Möglichkeiten schaffen“, meint Javor und trägt sich mit dem Gedanken, ob man in der Firma nicht auch ein eigenes Fitnesscenter einbauen könnte. Und noch so eine Idee beschäftigt den begeisterten Austria-Wien-Fan schon seit langem: ein Tischfußballtisch, vulgo „Wuzler“, für sein Büro. Na, hoffentlich wird das kein Eigentor.

Den Grundstein zur Firma Frankstahl Rohr- und Stahlhandelsgesellschaft m.b.H. legte 1880 Bela Frank in der Wiener Nordwestbahnstraße.

Seine kleine Flanschfabrik wurde von den Nationalsozialisten arisiert und erst Ende der 1960er-Jahre zurückerstattet.

Erwin Javor – heute auch Impresario des Stadttheaters Walfischfasse und Herausgeber von „NU - Jüdisches Magazin für Politik und Kultur“ – kaufte die Firma und leitet sie bis heute gemeinsam mit seinem Sohn Marcel.

1986 bezog Frankstahl das Betriebsareal in Guntramsdorf in der Frankstahlstraße 2.

1990 wurde die erste Auslandstochter in Tschechien gegründet.

In den Jahren danach folgten Firmenkäufe und Joint-Ventures in Österreich, Ungarn, Slowenien, der Slowakei, Kroatien, Rumänien und Bulgarien.

2009 beschäftigte Frankstahl in Österreich 264 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 125,7 Millionen Euro.