Marktanalyse : Wie der Einzelhandel Deutschland zubaut

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Sie reihen sich mancherorts dicht an dicht: Ein Lidl neben dem Aldi und dann noch ein riesengroßer Obi oder ein XXL-Lutz-Möbelhaus. Deutschland wird regelrecht zugepflastert mit Super-, Möbel- und Diskontmärkten. Viele Konzerne wachsen nicht mehr über Umsatz, sondern über die Fläche. Umweltschützer, aber auch kommunale Verbände sind besorgt: Den neuen Verkaufsflächen steht vielfach nicht mehr die entsprechende Kaufkraft gegenüber. In Deutschland gibt es jetzt schon doppelt so viel Einzelhandelsfläche pro Einwohner wie beispielsweise in England oder Frankreich."Die Entwicklung sehen wir sehr kritisch", sagt Manuel Dillinger vom Naturschutzbund Nabu. "Wir werden immer weniger Menschen und gleichzeitig entstehen immer mehr Märkte. Das macht auch ökonomisch keinen Sinn." Zersiedelung der Flächen Zudem werden immer mehr Flächen verbraucht und versiegelt. Die Zersiedlung habe auch ökologische Konsequenzen. Viele Kommunen buhlen jedoch geradezu um Neuansiedlungen. Sie erhoffen sich neue Arbeitsplätze und zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen."Eine Überversorgung macht keinen Sinn", heißt es beim Städte- und Gemeindebund. Mit dem weiteren Flächenverbrauch müsse man sehr sorgsam umgehen. "Wir empfehlen, sich immer anzuschauen, welche Einzelhandelsflächen gibt es bereits, wie wird sich die Bevölkerung entwickeln, wie sieht die Infrastruktur aus", sagt Bernd Düsterdiek.Auch das Europäische Handelsinstitut EHI in Köln beobachtet den Trend mit Sorge, "wenn alle nur noch über die Fläche wachsen und dabei nicht zusätzlichen Umsatz generieren." Der Umsatz nehme zwar absolut zu, aber nicht im Verhältnis zu den steigenden Ladenflächen. Vielfach lasse der knallharte Verdrängungswettbewerb den Unternehmen gar keine andere Wahl. Jeder versuche der Konkurrenz das Geschäft abzujagen. Allein in den vergangenen zehn Jahren sei die gesamte Verkaufsfläche im Einzelhandel um zehn Millionen auf rund 121,5 Mio. Quadratmeter angewachsen.Während im Osten der Republik kaum noch neue Flächen entstehen, werden im Westen munter weiter neue Märkte gebaut oder bereits Bestehende vergrößert.

Lebensmittelhandel besonders stark Besonders starkes Flächenwachstum verzeichnet der Lebensmittelhandel. Allein der Edeka-Verbund sieht für dieses Jahr die Eröffnung von rund 200 neuen Supermärkten und etwa 250 neuen Netto-Filialen vor. Jedes Jahr werde mehr als eine Milliarde Euro in die Erweiterung und Modernisierung des Vertriebsnetzes investiert, heißt es.Kannibalisierung bei der Hofer-Mutter Aldi"Bei Aldi und Co. setzt da schon die Kannibalisierung ein", beobachtet EHI-Experte Marco Atzberger. Problem sei, dass Einzelhandelsimmobilien immer noch als sehr gute Investition gelten. Deshalb fließe dorthin viel, viel Geld. "Da könnte aber eine Blase entstehen, die irgendwann platzt", warnt Atzberger. Ein erster Umschwung ist bereits erkennbar: So geht der Trend allmählich weg von der "grünen Wiese" hin zu den Innenstädten. "Die Märkte werden dort gebaut, wo die Menschen leben." Die Verbraucher meiden angesichts steigender Spritpreise zunehmend lange Anfahrtswege.Ende der Fahnenstange bei Baumärkten Das Ende der Fahnenstange scheint bei den Baumärkten erreicht zu sein. Neue Märkte entstehen fast nur noch im Ausland. In Deutschland werden dagegen alte Standorte mit einer Fläche von 2.000 bis 3.000 Quadratmetern auf 6.000 bis 7.000 Quadratmeter erweitert. Derzeit zählt die Branche 2.447 Märkte mit einer Verkaufsfläche von insgesamt 13,18 Mio. Quadratmetern.

Anders sieht es bei den Möbelhändlern aus: "Hier zeigt die Kurve weiter nach oben, wenn auch leicht abgeflacht", erläutert Branchensprecher Andre Frederik Kunz. Vor allem im Rhein-Main-Raum sowie rund um Berlin und Hannover werde viel neu gebaut.

Jedes Jahr ein neuer Ikea

Allein Branchenprimus Ikea öffnet im Schnitt pro Jahr ein neues Einrichtungshaus und investiert pro Markt etwa 60 Mio. Euro. Derzeit haben die Schweden 46 Filialen in Deutschland. Für dieses Jahr ist keine Neueröffnung geplant, dafür sollen es zwei in 2012 sein - in Hamburg und Lübeck. (von Maren Martell/dpa/APA/pm)