Digitalisierung : Ist E-Commerce bald die einzige Wahl im Baugewerbe?

Der E-Commerce ist aus dem B2C Bereich nicht mehr wegzudenken – doch wie sieht es im B2B Bereich, speziell im Baugewerbe aus? Derzeit wickeln Bauunternehmen und Handwerker ihren Einkauf noch kaum digital ab. Ebenso selten bieten Unternehmen im Baugewerbe ihre Produkte bereits online an. Glaubt man den Prognosen und Experten, wird sich das aber in den kommenden Jahren ändern. In ganz Gallien? Vielleicht eher nur in einigen Bereichen der Branche.

Denn aktuell stehen besonders Maler, Trockenbauer und Dachdecker der Beschaffung von Materialien und Werkzeugen im Netz skeptisch gegenüber. 47 Prozent der Maler und 44 Prozent der Trockenbauer sowie Dachdecker glauben, dass sie in den nächsten zwei Jahren überhaupt keine Online-Bestellungen tätigen werden. Das geht aus einer neuen Studie des Marktforschungsinstituts Bau Info Consult hervor, für die gut 500 Bauunternehmer und Handwerker zu dem Thema befragt wurden. Hingegen gehen 74 Prozent der SHK-Installateure und 70 Prozent der Bauunternehmer davon aus, bis 2021 online zu bestellen. 18 Prozent der Installateure geben sogar an, mindestens die Hälfte ihres Einkaufs auf diesem Weg zu erledigen. In allen anderen Gewerken würden hingegen nur die wenigsten so weit gehen – zwischen zwei und drei Prozent liegen hier die Zahlen.

Trockenbauer wollen keinen E-Commerce

Woher kommt die Skepsis, die hier teilweise noch sehr stark durchscheint? „Der Einkauf ist etwas, das stark auf zwischenmenschliche Interaktion setzt“, meint Tino Lichtenberg, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Procumerge mit Sitz in der Schweiz. Es ginge stark ums Verhandeln, das Finden und Halten eines guten Geschäftspartners. Tatsächlich könnte die Angst, schlechtere Preise und Beratung zu erhalten, wenn der direkte Kontakt beim Einkauf wegfällt, für viele noch größer sein als der Wunsch nach Digitalisierung.

Den hegen allerdings vermehrt Kunden von Bauunternehmen. Laut einer aktuellen Studie durch das Rotterdamer Software-Unternehmen Sana Commerce zusammen mit Sapio Research wurden 75 Prozent der B2B Unternehmen aus der Baubranche bereits von ihren Kunden gefragt, ob ihre Produkte auch online erhältlich seien. Sana Commerce glaubt, dass implementierte Webshops Baufirmen zumindest viel Zeit in der Administration sparen könnten. Die Möglichkeit für den Kunden, einfach und rund um die Uhr bestellen zu können, könnte wohl auch ein positives Licht auf das Unternehmen werfen und seine Modernität beweisen. „Im B2C Sektor gilt es bereits als überlebenswichtig, seine Produkte auch online anzubieten. Auch der B2B Sektor bleibt von dieser Entwicklung nicht verschont“, so Ursula Koller von Sana Commerce. „B2B Unternehmen dürfen die Augen vor der Wahrheit nicht mehr verschließen und müssen sich der digitalen Transformation ihres Unternehmens stellen.“

Der Wunsch zum Webshop

Gerade derzeit, wo sich die Bauwirtschaft derart im Wachstum befindet, könnten Unternehmen in der Branche vom E-Commerce profitieren – die einen, weil sie Online Shops für ihre Kunden anbieten; die anderen, weil sie ihren Einkauf online und teil-automatisiert abwickeln. Die Voraussetzung für den ersten Punkt ist, dass sich der Webshop gut in die bestehende IT-Landschaft integrieren lässt. 90 Prozent der über 300 befragten B2B Unternehmen in der Sana Commerce-Studie halten das für eine der größten Herausforderungen bei einem E-Commerce-Projekt. Diese Einschätzung ist branchenübergreifend in etwa gleich hoch. In der Baubranche kommt speziell noch die Hürde eines einzigen Business-Systems, also einer einzigen Datenquelle hinzu. 88 Prozent der befragten Unternehmen halten das für eine besonders große Herausforderung, wenn sie einen Webshop starten wollen – also alle nötigen und brauchbaren Informationen in ein einziges System einzuspeisen.

Digitale Strategie im Einkauf

Wie könnte derweil ein Bauunternehmen von einer digitalen Strategie im eigenen Einkauf profitieren? Geht es um den direkten Einkauf – also Rohstoffe, Teilprodukte, Werkzeuge und andere Waren, die in das Endprodukt fließen – ist ein entscheidender Faktor das genaue Wissen um den Produktabsatz – wird zu wenig eingekauft, gibt es klarerweise ein Problem. Gleichzeitig müssen die schwankenden Preise und anfallende Lagerkosten berücksichtigt werden. Künstliche Intelligenz kann in solch einer komplexen Aufgabe von großer Hilfe sein. Trotzdem sieht Tino Lichtenberg KI hier nicht unbedingt als die einzig große Wahrheit: „Hierbei werden uns Maschinen zwar unterstützen, aber auf lange Sicht nicht ablösen können.“

Gleichzeitig wächst aber die Bauindustrie. Laut Global Construction Perspectives und Oxford Economics wird die globale Bauleistung bis 2030 um 85 Prozent wachsen – das wäre ein Markt in der Höhe von 15,5 Billionen Dollar. Dass für diese Leistungen auch mehr Baustoffe, Bauteile und Werkzeuge auf der einen Seite eingekauft, auf der anderen Seite verkauft werden müssen, ist keine schwere Rechnung. Derzeit verarbeitet ein mittelgroßes Bauunternehmen in unseren Breiten 25.000 Eingangsrechnungen pro Jahr, meint Lichtenberg. Hier kann die Automatisierung allein durch das Abgleichen von Bestellung, Wareneingang und Rechnung schon von großer Bedeutung sein. Vielleicht ist eine noch umfassendere digitale Strategie inklusive automatisiertem Einkauf in den kommenden zehn Jahren aber nicht mehr nur hilfreich, sondern absolut notwendig. Und damit in weiterer Folge für den Anbieter die Implementierung eines Webshops.

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