SOLID 06/2019 : Öffentliche Ausschreibungen: Muss man China mitbieten lassen?
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Vor wenigen Wochen stattete eine Delegation mit dem Bundespräsidenten und Ex-Kanzler Kurz an der Spitze der Volksrepublik China den größten Staatsbesuch in Österreichs Geschichte ab, bei dem es auch zu einem Treffen mit dem Staats- und Parteichef Xi Jinping kam. Im Fokus des Aufenthalts standen die wirtschaftliche Zusammenarbeit und das große Potential für heimische Firmen auf dem rasch wachsenden Markt der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Die hoffnungsfrohe Atmosphäre trübt sich indes schlagartig ein, wenn das Engagement chinesischer Firmen in Europa zur Sprache kommt. Europäische Anbieter zittern regelmäßig vor der Billigkonkurrenz aus China. In Österreich sorgte jüngst die Absicht der Westbahn, neue Züge beim chinesischen Marktführer CRRC zu erwerben, für Aufsehen. Die Gewerkschaft sah bis zu 20.000 Arbeitsplätze in Österreich gefährdet.
Diese Ängste scheinen nicht ohne Grundlage zu sein. Chinesische Firmen bemühen sich verstärkt um öffentliche Aufträge in der EU. Bislang gelang es ihnen (zumindest im Bausektor) nur punktuell, öffentliche Aufträge zu erlangen (zB hat das staatliche chinesische Bauunternehmen China Road and Bridge Corporation bekanntlich in Kroatien den Zuschlag für den Bau der zu 85 Prozent aus EU-Fonds finanzierten Peljesac-Brücke erhalten und Mitbewerber aus der EU aus dem Feld geschlagen). Generell hatten chinesische Unternehmen bisher Schwierigkeiten, gewisse Voraussetzungen bei öffentlichen Ausschreibungen zu erfüllen (etwa erforderliche EU-Zulassungen oder EU-Referenzen). Je erfolgreicher chinesische Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen im EU-Raum sind, desto eher werden sie einen erfolgreichen Zugang zum gesamten EU-Binnenmarkt finden. Im Eisenbahn-Sektor könnte etwa ein Westbahn-Auftrag im „kleinen Österreich“ für CRRC zu einem entscheiden Schritt nach Europa werden.
Müssen Auftraggeber chinesische Unternehmen an Ausschreibungen teilnehmen lassen?
Das EU-Vergaberecht hat primär Bieter aus dem EWR und der Schweiz im Auge. Hinsichtlich Bewerber und Bieter aus Drittstaaten bestehen unterschiedliche Regelungen. Deutschland beispielswiese zeigt sich besonders liberal und öffnete bereits 1960 den heimischen Markt einseitig für außereuropäische Unternehmen. Das österreichische Vergaberecht ist weniger großzügig. Bewerber und Bieter aus Staaten außerhalb des EWR und der Schweiz dürfen grundsätzlich von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn eine solche Ungleichbehandlung völkerrechtlich zulässig ist. Bei chinesischen Unternehmen wäre diese Voraussetzung erfüllt. China ist zwar seit 2001 Mitglied der Welthandelsorganisation WTO, hat es seitdem – mittlerweile sohin 18 Jahre – jedoch verabsäumt, dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) beizutreten. Ein Beitritt zum GPA würde China dazu verpflichten, den eigenen Markt für ausländische Bieter zu öffnen.
Dürfen Auftraggeber Bietern aus China hohe Niveaus abverlangen?
Öffentliche Auftraggeber in Österreich könnten also chinesische Firmen von ihren Vergabeverfahren ausschließen, allerdings mit der Einschränkung, dass sie nicht mit EU-Tochterunternehmen an Ausschreibungen teilnehmen. Tatsächlich findet man in Ausschreibungen solche Ausschlüsse äußert selten. Auftraggeber haben Drittstaaten außerhalb des EWR und der Schweiz in der Regel gar nicht im Auge. Fehlt ein ausdrücklicher Ausschluss, dürfen chinesische Unternehmen an heimischen Ausschreibungen teilnehmen und haben das Recht auf Gleichbehandlung mit Mitbewerbern aus dem EWR und der Schweiz.
Auch ohne konkreten ausdrücklichen (direkten) Ausschluss besteht eine Vielzahl an Möglichkeiten, chinesische Unternehmen indirekt von einer Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen auszuschließen. So können Auftraggeber über die gängigen EU-Referenzen hinaus bestimmte EU-Gütezeichen, Zertifizierungen oder gewisse Ausbildungsanforderungen verlangen. Weiters steht es heimischen Auftraggebern offen, einer der größten Bedenken bei Angeboten aus China zu begegnen: während chinesische Unternehmen dank Subventionen regelmäßig ihre europäischen Mitbewerber mit Dumpingpreisen zusetzen können, unterliegen die Bieter aus der EU dem strikten Beihilfenrecht. Auftraggeber können dagegen mit Vorgaben, die auf staatliche Beihilfen abzielen, vorgehen.
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Die Hürde der „europäischen“ Wertschöpfung bei Lieferaufträgen
Das Bundesvergabegesetz selbst räumt den sogenannten Sektorenauftraggebern (aus Bereichen wie Energie, Verkehr, Wasser) die Möglichkeit ein, EU-Wertschöpfung zu bevorzugen. Bei Lieferaufträgen dürfen Angebote ausgeschieden werden, wenn der Anteil aus Drittländern stammenden Waren mehr als 50 Prozent beträgt. Auftraggeber sind sogar dazu verpflichtet, wenn zwei oder mehrere gleichwertige Angebote vorliegen. Beim Preis ist die Gleichwertigkeit jedoch eng zu verstehen. Die Abweichung darf nicht mehr als drei Prozent betragen. Ein Mitbewerber aus Fernost dürfte daher bei gleicher Qualität nicht viel günstiger sein.
Der EU-Gesetzgeber hat es aber verabsäumt, eine vergleichbare Schutzbestimmung für die europäische Bauindustrie vorzusehen.
Sofern eine sachliche Rechtfertigung vorliegt, können Auftraggeber auch in anderen Bereichen einen EU-Wertschöpfungsanteil verlangen. Seit der Vergaberechtsreform sind überdies Umweltkriterien zu berücksichtigen und Auftraggeber können soziale Kriterien festlegen. In Bezug auf Bieter aus Drittländern wäre es überlegenswert, beispielsweise ausdrücklich Kinderarbeit auszuschließen – in Hinblick auf den gewohnten europäischen Bieterkreis selbstverständlich.
EU verschärft den Druck auf China bezüglich Marktöffnung und fairen Wettbewerb
Während die USA unter Trump mit China einen erbitterten Handelskrieg ausfechten und auch nicht davor zurückschrecken, in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen aus Staaten mit abgeschotteten Vergabemärkten Beschaffungsverbote zu verhängen, mahlen die Mühlen in der EU langsam. Brüssel setzte mit China über viele Jahre auf Dialog und scheiterte, gemeinsame Positionen zu finden. In jüngerer Zeit sah sich die EU angesichts bescheidener Zugeständnisse Pekings jedoch gezwungen, den Druck zu erhöhen. So legte sie im Dezember 2018 bei der WTO Beschwerde gegen China ein, weil europäische Unternehmen als Voraussetzung für eine Geschäftstätigkeit in China sensible Technologien und Know-how preisgeben müssen.
Beim EU-Gipfel Ende März 2019 beschloss der Europäische Rat die Wiederaufnahme der Beratungen des sogenannten „EU-Instruments betreffend das internationale Beschaffungswesen“ (IPI). Auf Verordnungen aus den Jahren 2012 und 2016 zurückgehend, würde das IPI der EU erstmals konkrete Sanktionsmöglichkeiten gegen Drittstaaten ermöglichen, die ihre Beschaffungsmärkte abschotten. Als letzte Konsequenz – nach einer ausgiebigen Phase an Untersuchungen und Konsultationen – könnte die EU auf Angebote, bei denen mehr als 50% auf Waren oder Dienstleistungen aus einem Drittstaat, der seinen Beschaffungsmarkt abschottet, entfällt, eine „Preisanpassungsmaßnahme“ in Höhe von 20 Prozent der Angebotssumme aufschlagen. Nach den genannten Verordnungen ist die Ausführung von Bauarbeiten bzw die Errichtung von Bauwerken als Erbringung einer Dienstleistung zu betrachten.
Key-Points
Öffentliche Auftraggeber sollten sich bereits vor Beginn einer Ausschreibung entscheiden, ob sie Bewerber und Bieter aus China einbeziehen möchten oder nicht.
Grundsätzlich ist es zulässig, chinesische Unternehmen von der Teilnahme an einer Ausschreibung auszuschließen, da China dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) bis dato nicht beigetreten ist.
Schließt ein Auftraggeber Unternehmen aus China in seiner Ausschreibung hingegen nicht aus, können chinesischen Firmen teilnehmen und haben einen Recht auf Gleichbehandlung mit Bewerbern und Bietern aus dem EWR und der Schweiz.
Durch verpflichtende EU-Referenzen, europäische Gütezeichen, Zertifizierungen, Ausbildungsanforderungen, Umweltkriterien und EU-Wertschöpfungsanteile können Auftraggeber auch bei Teilnahme chinesischer Unternehmen entsprechende Ausschreibungsniveaus sicherstellen.
Die EU ist zuletzt entschlossener gegen Maßnahmen Chinas zur Abschottung seines Beschaffungsmarktes vorgegangen.
Autoren:
RA Mag. Manfred Essletzbichler
RA Dr. Philipp J. Marboe