Vergaberecht : Mehrfachangebote im Konzernverbund

Close-up Of Two Businesspeople Hand Working On Contract Paper Over Desk

Wenn Angebote von miteinander verbunden Unternehmen kommen, gehören diese genau geprüft.

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Wie soll man mit Angeboten von verbundenen Unternehmen umgehen?

Im Einzelfall gar nicht immer so leicht zu beantworten ist die Frage, wie mit (gesonderten) Angeboten von miteinander verbundenen Unternehmen in einem Vergabeverfahren umzugehen ist. Sind solche Angebote sofort auszuscheiden? Oder bedarf es vielleicht doch einer genaueren Prüfung, unter welchen Umständen die Angebote erstellt wurden? Ist es von Bedeutung, ob die Verbindung zwischen den miteinander verbundenen Unternehmen den Inhalt der einzelnen Angebote konkret beeinflusst hat?

Weil diese Fragen nicht so leicht zu beantworten sind, hat sich auch der EuGH schon mehrfach mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Aus den diesbezüglichen Judikaten des EuGH können einige wichtige Grundsätze und damit Orientierungshilfen für Bieter (aber auch Auftraggeber) abgeleitet werden.

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AKTUELLE AUSGABE

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Kriterien Eigenständigkeit und Unabhängigkeit

Ganz grundsätzlich müssen (gesonderte) Angebote von miteinander verbundenen (aber nicht als ARGE oder BIEGE auftretenden) Unternehmen eigenständig und unabhängig voneinander erstellt und abgegeben werden. Dementsprechend dürfen gesonderte Angebote von miteinander verbundenen Unternehmen von Auftraggebern nicht systematisch von der Teilnahme an ein und demselben Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden. Der EuGH hält dazu fest, dass ein solches Vorgehen den Wettbewerb auf Gemeinschaftsebene erheblich verringern würde. Weiters würde es laut EuGH dem Gemeinschaftsrecht widersprechen, ginge man automatisch davon aus, dass Angebote verbundener Unternehmen für denselben Auftrag stets voneinander beeinflusst worden seien. Miteinander verbundenen Unternehmen muss daher grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden nachzuweisen, dass die Angebote in ihrem Fall unbeeinflusst voneinander erstellt wurden und der Wettbewerb zwischen den Bieter nicht verfälscht wurde.

Durchaus der Praxis entsprechend versteht auch der EuGH, dass konzernverbundene Unternehmen eigenständig unterschiedliche Strategien und Ziele verfolgen können und es daher nicht zwangsläufig ausgeschlossen ist, dass solche verbundenen Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Geschäftspolitik und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit über eine gewisse Eigenständigkeit verfügen. Dies gilt auch im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe und daher auch bei der Gestaltung von Angeboten. Außerdem kann auch im Konzernverbund dafür Vorsorge getroffen werden (etwa durch vertragliche Regelungen), dass den Erfordernissen der Unabhängigkeit und Vertraulichkeit entsprochen wird.

Ob der konkrete Inhalt abgegebener Angebote von miteinander verbundenen Unternehmen in einem Vergabeverfahren durch die Konzernverbindung tatsächlich beeinflusst worden ist, hat letztlich der Auftraggeber zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass die Judikatur des EuGH streng ist und die Feststellung eines wie auch immer gearteten Einflusses auf die Angebote für einen Ausschluss (regelmäßig beider verbundenen Unternehmen) vom Vergabeverfahren nach Ansicht des EuGH ausreicht.

Auftraggeber muss genau prüfen – auch Doppelausschluss möglich

Die bloße Feststellung, dass zwischen den betroffenen Unternehmen durch Eigentum oder die Anzahl der Stimmrechte, die in der Gesellschafterversammlung ausgeübt werden können, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, ist hingegen noch nicht ausreichend für einen Ausschluss. Hier muss der Auftraggeber jedenfalls prüfen, ob sich ein solches Verhältnis auf das Verhalten der Unternehmen bzw. die Angebotsabgabe im Rahmen des Vergabeverfahrens tatsächlich auch ausgewirkt hat.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Angebote stets unabhängig und unbeeinflusst voneinander zu erstellen und abzugeben sind, sofern eine Mehrfachbeteiligung in einem konkreten Vergabeverfahren stattfindet. Auftraggeber haben bei Zweifeln an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von Angeboten immer eine Prüfung durchzuführen. Ein sofortiger bzw. automatischer Ausschluss ist unzulässig. In der Praxis finden sich Indizien für einen wechselseitigen Einfluss oftmals in den K-Blättern (insbesondere idente Kalkulationsansätze im K3-Blatt). Kann vom Auftraggeber ein wie immer gearteter Einfluss in Hinblick auf die Angebotserstellung von miteinander verbundenen Unternehmen in einem Vergabeverfahren festgestellt werden, sind grundsätzlich beide Unternehmen auszuschließen.

Praxistipps für Bieter

* Angebote mehrerer Konzernunternehmen im selben Vergabeverfahren sind unabhängig und unbeeinflusst voneinander zu erstellen. Dazu sind klare Strukturen und Sicherheitsvorkehrungen (wie getrenntes Personal für Angebotserstellung, getrennte Verantwortlichkeiten, Chinese Walls etc) zu schaffen und auch zu dokumentieren, um einen Ausschluss von der Ausschreibung durch den Auftraggeber zu verhindern.

* Empfohlen wird weiters eine entsprechende Schulung des involvierten Personals in Bezug auf die relevanten Regelungen sowie die Berücksichtigung der Maßnahmen zur Ermöglichung einer konzerninternen Mehrfachangebotslegung im Rahmen des CMS.

* Bieter können von ihrem Recht Gebrauch machen, dem Auftraggeber nachzuweisen, dass sie ihre Angebote unabhängig und unbeeinflusst voneinander erstellt und abgegeben haben. Dabei sind neben der (wirtschaft­lichen/gesellschaftsrechtlichen) Verflechtung auch die gesonderten für die Angebotserstellung zuständigen Personen/Teams und Verantwortlichkeiten sowie die sonstigen Maßnahmen für eine unabhängige und unbeeinflusste Erstellung und Abgabe der Angebote darzustellen.

Praxistipps für Auftraggeber

* Ein automatischer Ausschluss von Angeboten miteinander verbundener Unternehmen ist grundsätzlich nicht erlaubt.

* Auftraggeber haben zu prüfen, ob die Verbindung zwischen zwei Konzernunternehmen den Inhalt der einzelnen abgegebenen Angebote konkret beeinflusst hat.

* Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass miteinander verbundene Unternehmen bei der Ausarbeitung ihrer beiden Angebote eben gerade nicht unabhängig voneinander agiert haben?

* Wenn ja, welche Anhaltspunkte gibt es und sind diese ausreichend, um eine Beeinflussung bei der Angebotslegung festzustellen (hier sind alle relevanten Umstände zu prüfen)?

* Wird ein solcher Einfluss festgestellt, ist dies ausreichend, um die Unternehmen vom Vergabeverfahren auszuschließen.

* Bietern muss die Möglichkeit gegeben werden, nachzuweisen, dass sie ihre Angebote unabhängig und unbeeinflusst voneinander erstellt und abgegeben haben.

* In den Ausschreibungsunterlagen sollte auf die Voraussetzungen einer zulässigen Mehrfachangebotslegung im Konzern hingewiesen werden.