Baurecht : Achtung Haftung! – Sachverständige in der Pflicht

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Der Auswahl des richtigen Sachverständigen kommt vor allem in Bauprozessen große Bedeutung zu. Mit diesem Artikel wollen wir beleuchten, dass für den ausgewählten Sachverständigen mit dessen Bestellung auch eine nicht zu unterschätzende Verantwortung bzw Verantwortlichkeit einhergeht.

Haftung für ein "falsches" Gutachten

Gemäß § 1299 ABGB haftet – kurz gesagt – jeder Fachmann im Rahmen seiner beruflichen/professionellen Tätigkeit mit jenem Sorgfaltsmaßstab, den ein "durchschnittlicher" Fachmann auf diesem Gebiet üblicherweise an den Tag legt. Das gilt für jeden Handwerker genauso wie für einen Sachverständigen vor Gericht. Ein Gerichtssachverständiger hat bei seiner Tätigkeit damit jedenfalls jene überdurchschnittlichen Fachkenntnisse auf dem jeweiligen Gebiet an den Tag zu legen, die man von einem Sachverständigen üblicherweise erwartet.

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Erstellt ein Sachverständiger sein Gutachten nicht entsprechend dieser überdurchschnittlichen Fachkenntnisse bzw nicht nach den Regeln der Wissenschaft, so haftet er für daraus resultierende Schäden. Darunter fällt auch jener Schaden, der einer Prozesspartei dadurch entsteht, dass sie aufgrund eines "falschen" Gutachtens im Verfahren ganz oder teilweise unterliegt. In einem folgenden "Haftungsprozess" gegen den Sachverständigen hat die geschädigte Partei nachzuweisen, dass der Sachverständige sein Gutachten nicht nach den Regeln der Wissenschaft erstellt hat. Ein bloßer Zweifel an der Richtigkeit eines Gutachtens oder der Umstand, dass ein anderer Sachverständiger zu einem anderen Ergebnis gelangt, ist für eine Haftung jedenfalls nicht ausreichend.

Wolfgang Müller, Wolf Theiss
Partner Wolfgang Müller leitet die Praxisgruppe Dispute Resolution von Wolf Theiss sowie das Construction Team der Kanzlei. Er ist als einer der österreichischen Top-Anwälte in diesem Gebiet bekannt und regelmäßig in komplexe Bauvorhaben involviert. - © www.amriphoto.com

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Der Sachverständige "auf Tauchstation"

Neben dieser Haftung für ein "falsches" Gutachten kommt jedoch auch eine Verantwortung für ein verspätetes oder – trotz Zusage – gar nicht erstelltes Gutachten in Betracht. Doch wann oder in welchen Fällen kommt es zu einer solchen Haftung?

Erfahrungsgemäß läuft der Weg zum finalen Gerichtsgutachten in der Regel so – oder so ähnlich – ab: Dem Sachverständigen wird – nach vorangehender telefonischer Rückfrage hinsichtlich dessen Verfügbarkeit und Unbefangenheit – mittels Beschuss aufgetragen innerhalb einer vom Gericht festgesetzten Frist sein Gutachten zu erstellen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Sachverständige in der Regel noch keine Kenntnis vom Akt. Bei genauerer Durchsicht des Aktes kommen neue Aspekte hervor. Dies kann zur Folge haben, dass die anfangs zugesagte Frist zur Erstellung des Gutachtens nicht mehr eingehalten werden kann. In der Regel wird der bestellte Sachverständige sodann das Gericht um Erstreckung seiner Frist ersuchen und zumeist auch gewährt bekommen. Doch was passiert, wenn auch am Ende der bereits erstreckten Frist anstatt des Gutachtens der nächste Fristerstreckungsantrag einlangt?

Vorerst kann festgehalten werden, dass entschuldbare Verzögerungen zwar für die Parteien ärgerlich sein mögen, jedenfalls aber keine Ansprüche auslösen. So ist es ja im Interesse aller, dass der Sachverständige ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes und alle relevanten Aspekte abdeckendes Gutachten erstellt.

Philipp Szelinger, Wolf Theiss
Philipp Szelinger ist Rechtsanwalt im Construction Team bei Wolf Theiss. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt – neben streitigen Baurechts-Causen – in der Erstellung und Verhandlung von Bau- und Planerverträgen. - © www.amriphoto.com

Wenn jedoch ein zur Erstattung des Gutachtens bestellter Sachverständiger ohne genügende Entschuldigung das Gutachten nicht in der festgesetzten Frist erstattet, können die Parteien gemäß § 354 Abs 1 der Zivilprozessordnung von ihm den Ersatz der durch seine Säumnis verursachten Prozesskosten verlangen.

Ein weiteres Fehlverhalten, welches eine Haftung des Sachverständigen für Verfahrenskosten zur Folge haben kann, liegt vor, wenn dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung bei der zur Beweisaufnahme bestimmten Tagsatzung nicht erscheint. Dabei können – wenig überraschend – insbesondere die Kosten für die Tagsatzung, zu welcher der Sachverständige unentschuldigt nicht erschienen ist, von den Parteien geltend gemacht werden.

Seltener (aber nach eigener Erfahrung nicht ausgeschlossen) ist es, dass der Sachverständige die Ausführung des Gutachtens gänzlich verweigert bzw weder mit dem Gericht noch mit den Parteien in Kontakt tritt. Auch in diesem Fall greift § 354 Abs 1 ZPO, wonach dem Sachverständigen die infolge seines Fehlverhaltens entstandenen Kosten vom Gericht auferlegt werden können.

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Nadine Pfuner ist Rechtsanwaltsanwärterin im Construction Team bei Wolf Theiss. - © www.amriphoto.com

Geltendmachung des Schadens

In allen drei oben genannten Fällen können die Parteien mittels Antrag begehren, dass dem Sachverständigen die Verfahrenskosten auferlegt werden. In ihrem Antrag haben sie darzulegen, in welcher Weise der Fortgang des Verfahrens in der Hauptsache ausschließlich durch die ungerechtfertigte Säumnis oder Weigerung des Sachverständigen beeinflusst wurde. Hierüber hat das Gericht dann im ersten Schritt mittels Grundsatzbeschluss zu entscheiden. Nach Rechtskraft dieses Grundsatzbeschlusses ist den Parteien Gelegenheit zu geben, binnen 14 Tagen ihre Kostenersatzansprüche "als frustrierte Aufwendungen / Schaden" zu verzeichnen. In einem weiteren Beschluss sind dann die dem Sachverständigen als Kostenersatz an die Antragsteller aufzuerlegenden Kosten zu bestimmen.

Wie bereits oben festgehalten, setzt der vom Sachverständigen zu leistende Kostenersatz voraus, dass dieser ohne genügende Entschuldigung nicht rechtzeitig geleistet hat. Wurde demnach dem Sachverständigen zuvor keine Gelegenheit für eine Entschuldigung gegeben, kann eine solche Entschuldigung auch noch nachträglich erfolgen. Dies kann zu Folge haben, dass dem Sachverständigen aufgrund seiner Entschuldigung die zum Ersatz auferlegten Kosten ganz oder teilweise erlassen werden.

Weitere Säumnisfolgen für den Sachverständigen

Die Weigerung zur Erstellung eines Gutachtens sowie eine mehrmalige unentschuldigte Säumnis wird zumeist auch zur Folge haben, dass der Sachverständige seitens des Gerichtes enthoben und ein neuer Sachverständiger bestellt wird. Auch dieses Vorgehen ist in § 354 ZPO vorgesehen. Das dem Sachverständigen in einem solchen Fall keine Kosten für dessen Aufwendungen zugesprochen werden, ist naheliegend.

Neben der Verpflichtung zum Kostenersatz gegenüber den Parteien und der Enthebung kann über den Sachverständigen für sein Fehlverhalten zusätzlich eine Ordnungsstrafe von bis zu € 2.000 oder – bei mutwilliger Verweigerung der Abgabe des Gutachtens – eine Mutwillensstrafe bis zu € 4.000 verhängt werden.

Kommt es tatsächlich zu einer Enthebung des Sachverständigen, wird den Parteien zu diesem Zeitpunkt oft auch ein über diesen Kostenersatz (im Gerichtsverfahren) hinausgehender Schaden entstanden sein. § 354 Abs 3 ZPO sieht für diese Fälle vor, dass der Sachverständige zudem für alle weiteren, den Parteien durch die Vereitlung oder Verzögerung der Beweisführung verursachten Schäden haftet. Zwar müssen diese Schäden gesondert in einem eigenen Verfahren geltend gemacht werden, dass der Sachverständige in einem vorherigen Prozess jedoch bereits enthoben und zum Kostenersatz verurteilt wurde, wird jedenfalls eine gewisse Indizwirkung für ein weiteres Zivilverfahren haben.

Fazit und Praxistipp

  • Sachverständige haften für "falsche" Gerichtsgutachten, wenn diese nicht nach dem Stand der Wissenschaft erstellt wurden und einer Partei daraus ein Schaden entsteht.
  • Sachverständige haften auch für zu späte oder gar nicht erstellte Gerichtsgutachten, wenn und insoweit den Parteien aus der Verzögerung erhöhte Prozesskosten entstanden sind und der Sachverständige keine ausreichende Entschuldigung vorweisen kann.
  • Ein Kostenersatz ist grundsätzlich im ersten Schritt von den Parteien bei Gericht zu beantragen; dies kann jedoch auch von Amts wegen erfolgen.
  • Der Kostenersatz ist vom zuständigen Gericht auf Antrag der Partei und auf Basis einer Kostenbekanntgabe, in der die Partei die infolge des Fehlverhaltens entstandenen Kosten anzuführen hat, zuzusprechen.