Immobilien : Virtuelle Liegenschaften im Reality-Check

Südseeinsel Tuvalu im Metaverse

Die Südseeinsel Tuvalu, die im Meer zu versinken droht, gründet sich als „erste digitale Nation“ neu und beginnt, sich ins Metaverse zu verlagern.

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Immobilien im Metaverse

„Virtuelle Immobilien, wie sie via ‚Second Life‘ schon einmal angeboten wurden, haben derzeit wieder Hochkonjunktur. Auf einer Plattform können sogar das Taj Mahal, die Golden Gate Bridge und der Eiffelturm gekauft werden“, meint Mathias Mühlhofer, Vorstand der Immobilienrendite AG, wenn man ihn auf das Metaverse anspricht. Er schränkt umgehend ein: „Aus unserer Sicht sind das reine Spekulationsobjekte. Was bringt ein Besitzrecht, wenn die Plattform, siehe ‚Second Life‘, plötzlich nicht mehr hip ist? Ein bekanntes österreichisches Unternehmen versuchte sich im Metaverse und investierte viel Geld für die Programmierung und den Online-Gang des Gebäudes. Doch gleich am Nachbargrundstück entstand ein zehn Mal höheres Haus, das das eigene plötzlich klein aussehen ließ. Voraussehbar war das nicht, denn dort gibt es keine Bauordnung.“

Mühlhofer und sein Team setzen lieber auf Old Economy, also auf Objekte im echten Leben, die Menschen tatsächlich brauchen. Und nicht auf Immobilien aus Blasen, die jederzeit platzen können, wie er betont.

  • „Aus unserer Sicht sind das reine Spekulationsobjekte. Was bringt ein Besitzrecht, wenn die Plattform plötzlich nicht mehr hip ist?“

    Mathias Mühlhofer, Vorstand der Immobilienrendite AG

Diverse Versionen verschiedener Anbieter

Die Skepsis ist angebracht. Etwa, weil es DAS Metaverse gar nicht gibt. Vielmehr existieren diverse Versionen verschiedener Anbieter nebeneinander. Die bedeutendsten sind aktuell Decentraland und The Sandbox.

Generell handelt es sich bei einem Metaverse um eine virtuelle Umgebung, die Menschen gleichzeitig nutzen können. Mit ihren persönlichen Avataren können sie untereinander interagieren, Informationen austauschen, Veranstaltungen besuchen, handeln, sich fortbilden gemeinsam Inhalte erstellen – also grundsätzlich dieselben Dinge wie im richtigen Leben tun. Die besondere Erfahrung dabei ist, dass dies mittels Virtual Reality (VR) erfolgt. User können mithilfe sogenannter VR-Brillen völlig in die computergenerierte Welt eintauchen.

Begrenzt verfügbare Baufläche

Und dort ist wie auf dem realen Globus das verfügbare Bauland begrenzt. Denn die Plattformen bieten ausdrücklich endliche Flächen. Aufaddiert handelt es sich lediglich um einige Hunderttausend Parzellen, also relativ wenig für einen vermeintlich unendlich großen virtuellen Raum. Dass es sich bei den Grundstücken um Unikate handelt und diese nicht mehrfach verkauft werden, sollen die fälschungsresistente Blockchain-Technologie beziehungsweise sogenannte Non Fungible Tokens (NFTs) garantieren. Dank besagter Token lässt sich das virtuelle Eigentum an einem Gegenstand oder einer Immobilie zweifelsfrei und transparent zuordnen. Bezahlt wird in Kryptowährungen.

Was kostet nun ungefähr ein Grundstück? „Das lässt sich nicht pauschal sagen, da es ganz auf das jeweilige Metaverse und den Use-Case ankommt. Es beginnt bei umgerechnet wenigen Euro und geht bis in die Millionen, wie ein bestätigter Kauf in der Höhe von knapp über vier Millionen Euro in The Sandbox zeigt“, sagt Martin Kocijaz, Geschäftsführer der Radical Innovators GmbH, eines Digitalisierungsexperten-Netzwerks mit Sitz in Linz (siehe Interview).

Die Wiener Wirtschaftskanzlei Dorda eröffnete kürzlich ein Büro im Metaverse, konkret im Decentraland.

- © Dorda

Für Modeschauen & Co

Der traditionellen Immobilienbranche eröffnen sich durch den Kauf virtuellen Lands diverse Möglichkeiten: Investoren können Einnahmen durch die Vermietung ihrer Objekte erzielen und von der Wertsteigerung der digitalen Fläche profitieren. Mieter sind beispielsweise Unternehmen, die einen Standort für Werbemaßnahmen nutzen möchten oder Events planen. So zelebrierten Dolce & Gabbana, Gucci und Philipp Plein bereits entsprechende Fashion-Shows. Da die Grundstücke frei gestaltbar sind, können eigene Objekte designt oder virtuelle Abbilder existierender Gebäude erstellt werden. Auf dem Markt tummeln sich bereits erste Maklerangebote für Metaverse-Immobilien, die bei diesen Tätigkeiten Unterstützung offerieren.

Zwei konkrete Beispiele aus Rot-Weiß-Rot: Am 2. September 2022 sperrte die Österreichische Post als laut Eigenangabe erste Postgesellschaft der Welt einen virtuellen Standort auf, konkret im Decentraland. Unter anderem wurde dort eine Briefmarke präsentiert. Ebenfalls im Decentraland eröffnete die Wiener Wirtschaftskanzlei Dorda kürzlich ein Büro. "Für uns als IT-Rechtspioniere war es ein logischer Schritt, frühzeitig eine Dependance im Metaverse zu eröffnen. Zum einen, um selbst aus erster Hand Erfahrungen zu sammeln und am Puls der Zeit zu sein. Zum anderen, um für unsere Mandanten auch über diesen Kanal erreichbar zu sein und sie auch dort abzuholen", begründet Axel Anderl, Managing Partner und Leiter der Digital Industries Group bei Dorda, den Schritt.

Eine ganze Insel übersiedelt

Die Eröffnung und Bewirtschaftung computergenerierter Immobilien wie dieser setzt eine Expertise voraus. Verfügt die österreichische Immobilienbranche über selbige? „Im Großen und Ganzen gibt es wohl noch nicht so viele Fachkräfte mit breitem Know-how und Erfahrungen in diesem Bereich. Aber das mediale Echo bezüglich Metaverse trägt sicher dazu bei, dass sich mittelfristig zahlreiche weiterbilden und erste Erfahrungen machen werden. Für viele in der Branche Tätige macht es gewiss Sinn, zuerst mit externen Experten über die Möglichkeiten für das eigene Unternehmen zu sprechen, bevor hier aufwändige Maßnahmen gesetzt werden“, lautet die Einschätzung Kocijaz‘.

Fachkräfte hin, Fachkräfte her; mit Tuvalu will eine ganze Insel ins Metaverse übersiedeln. Das knapp 26 Quadratmeter große Südseeparadies versinkt aufgrund der Erderwärmung im Pazifik. Beim Klimagipfel COP27, der im vergangenen Dezember im ägyptischen Sharm El-Sheik stattfand, wandte sich Außenminister Simon Kofe an die Öffentlichkeit. Sein Land könne nur noch gerettet werden, wenn alle Staaten an einem Strang zögen. Da damit nicht zu rechnen sei, gründet sich Tuvalu als „erste digitale Nation“ neu – und beginnt, sich ins Metaverse zu verlagern. Aber eben notgedrungen...

Interview: „Erst in ferner Zukunft…“

Der Immobilienmarkt im Metaverse könnte jenen im Real Life beeinflussen. Allerdings erst, wenn die Technologie in der breiten Bevölkerung angekommen ist, meint Martin Kocijaz, Geschäftsführer der Radical Innovators GmbH.

Derzeit gibt es mehrere Metaversen. Wird es so sein, dass sich eines durchsetzt und die anderen in der Versenkung verschwinden?

Martin Kocijaz: Es ist möglich, dass sich ein bestimmtes Metaverse als besonders beliebt oder erfolgreich erweisen wird und dadurch andere verdrängt. Es ist jedoch auch denkbar, dass sich mehrere Metaversen parallel etablieren und für unterschiedliche Zwecke genutzt werden. Durch die angestrebte „Interoperabilität“ soll es in Zukunft auf einfache Art und Weise möglich werden, digitales Eigentum (Kunstwerke, Modeaccessoires etc.) in jedem Metaversum zu nutzen.

Es ist schwer vorherzusagen, welches Metaverse sich durchsetzen wird, da die Entwicklung noch in den Anfängen steckt und es viele Faktoren gibt, die den Erfolg beeinflussen können, beispielsweise die Qualität der Inhalte, die Benutzerfreundlichkeit sowie die technischen Möglichkeiten.

Welche Geschäftsfelder eröffnen sich für die österreichische Immobilienbranche im Metaverse?

Ich denke, dass hier schon einige Perspektiven entstehen werden. In vielen Metaversen gibt es beispielsweise die Möglichkeit, virtuelle Immobilien zu erwerben oder zu mieten. Dabei können Angebote für virtuelle Häuser, Büros oder Geschäftsräume erstellt werden, die verkauft oder vermietet werden könnten. Es wäre auch möglich 3D-Modelle von realen Immobilien zu erstellen und diese als Unikate zu verkaufen, Stichwort NFTs.

Auch die Vermittlung von Immobilien im Metaverse könnte ein lukratives Geschäft sein. Dazu könnten beispielsweise virtuelle Maklerdienste angeboten werden, die Nutzer beim Kauf oder Verkauf von virtuellen Immobilien unterstützen, aber genauso als immersive Marketingplattform für reale Immobilien.

Was sind vor diesem Hintergrund die größten Risiken?

Die Marktlage im Metaverse ist noch unsicher und es gibt keine Garantie für erfolgreiche Investitionen. Weiters erfordert dortige Geschäftstätigkeit technische Expertise, welche nicht jedes Unternehmen besitzt. Es gibt auch Sicherheitsrisiken und teilweise ungeklärte rechtliche Fragen, die Unternehmen beachten müssen, um sicherzustellen, dass sie geltende Gesetze und Regelungen einhalten.

Wird der Immobilienmarkt im Metaverse jenen im Real Life beeinflussen?

Aus meiner Sicht ist es schon denkbar, dass ein zunehmender Aufenthalt in Metaversen einen Einfluss auf den Immobilienmarkt haben könnte – allerdings erst in ferner Zukunft. Erst wenn die Technologie in der breiten Bevölkerung angekommen ist, könnten Auswirkungen zu spüren sein, auch was Büroräumlichkeiten, Ausbildungszentren etc. angeht. Dazu muss aber die notwendige Hardware, wie VR-Brillen, noch ausgefeilter und jedenfalls günstiger werden.

Martin Kocijaz ist Geschäftsführer der Radical Innovators GmbH