Baurecht : Gewährleistung am Bau - die Uhr tickt

Baurecht SOLID Wolf Theiss
© WEKA Industrie Medien / Johanna Kellermayr

Schäden: nicht immer unmittelbar erkennbar

Mängel und Schäden begleiten sämtliche am Bau Beteiligten ebenso wie uns RechtsanwältInnen in unserer täglichen Beratungspraxis. Nicht alle Mängel und Schäden sind aber unmittelbar nach Übergabe oder deren objektiver Erkennbarkeit auch für einen technischen Laien ersichtlich, eindeutig feststellbar oder einem bestimmten Schädiger zuordenbar. Für uns Grund genug, uns mit Problemstellungen der Verjährung von Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüchen anhand tiefer stehender Fallbeispiele auseinander zu setzen:

Fallbeispiele

Fall 1: Ein Bauherr beauftragt die Planung und Ausführung seines Einfamilienhauses bei gesonderten Unternehmen. Bereits einige Monate nach Übergabe zeigen sich immer wieder leichte Feuchteflecken entlang der Klima-Leitungen. Ob ein Planungs- oder Ausführungsfehler vorliegt, ist für den Bauherrn als technischen Laien nicht erkennbar.

Fall 2:
Ein Bauherr stellt kurz nach Übergabe Korrosionsmängel an den Fassadenpanelen seines Bürogebäudes fest. Allerdings kann er nicht eindeutig bestimmen, ob die vorliegenden Mängel technisch behebbar sind und in welchem Ausmaß diese genau vorliegen. Es ist davon auszugehen, dass die Fassade in Zukunft einen höheren Wartungsaufwand haben wird, wenn die Mängel nicht behoben werden können.

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Generelles zur Verjährung

Verjährung bedeutet, dass ein grundsätzlich Berechtigter sein Recht nach Ablauf einer bestimmten Zeit/Frist nicht mehr aktiv gegenüber dem Verpflichteten geltend machen kann. Die Gewährleistungsfrist beträgt zwei Jahre (bei beweglichen Sachen) bzw. drei Jahre (bei unbeweglichen Sachen) ab Übergabe; die Ansprüche verjähren jeweils drei Monate nach Ablauf dieser Frist. Schadenersatzansprüche verjähren demgegenüber in der Regel drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (in Ausnahmefällen 30 Jahre nach der schädigenden Handlung).

Kenntnis von Schaden und Schädiger – ein "Freibrief" für technische Laien?

Auf den ersten Blick vermag das Abstellen des Beginns der Verjährungsfrist auf die Kenntnis von Schaden und Schädiger für den geschädigten technischen Laien angenehm zu sein. Dies umso mehr, als die Rechtsprechung die Kenntnis von Schaden und Schädiger noch dahingehend präzisiert, dass ein Geschädigter "sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann". Die Kenntnis des Geschädigten "muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt."

In unserem Fallbeispiel 1 kann der Bauherr als technischer Laie selbst nicht wissen, ob ein Schaden auf einen Planungs- oder Ausführungsfehler zurückzuführen ist, geschweige denn einen Ursachenzusammenhang erkennen. Auch wenn dies auf den ersten Blick nach einem "Freibrief" für den Geschädigten klingt und dieser vermeintlich auch noch nach 15 oder 20 Jahren seine Schadenersatzansprüche geltend machen kann, darf er sich nach der Rechtsprechung nicht einfach passiv verhalten und es "darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erhält".

Vielmehr trifft den Geschädigten eine sogenannte Erkundigungsobliegenheit, bei der sich der Geschädigte bei Vorliegen entsprechender Verdachtslage aktiv darum bemühen muss, die erforderlichen Informationen zu erlangen. Dies kann sogar soweit führen, dass der Geschädigte Sachverständigengutachten einholen muss, sollte er selbst – wie in unserem Fallbeispiel – die fachliche Expertise nicht besitzen. Die Einholung eines Privatgutachtens ist nach der Rechtsprechung immer dann eine Obliegenheit des Geschädigten, wenn eine Verbesserung des Wissenstands nur so möglich ist und – nach einer gewissen Überlegungsfrist – ihm auch das Kostenrisiko zumutbar ist. Kommt der Geschädigte dieser Obliegenheit nicht nach, so beginnt der Lauf der Verjährungsfrist dennoch mit dem Zeitpunkt, in dem er bei Erfüllung seiner Erkundigungsobliegenheit Kenntnis von Schaden und Schädiger hätte erlangen können.

Die Feststellungsklage – der Problemlöser?

Die sogenannte Feststellungsklage ist stets nur dann möglich, wenn nicht bereits auf Leistung (also im konkreten Fallbeispiel 2 zB auf Verbesserung) geklagt werden kann und daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung bestimmter Tatsachen und Umstände besteht. Um (einen möglichen) Sinn und Zweck der Feststellungsklage besser verstehen zu können, erörtern wir im Folgenden unser Fallbeispiel 2.

Die grundlegende Idee der Feststellungsklage rührt daher, dass in Österreich die sogenannte Einheitsschadenstheorie gilt. Nach dieser Theorie bilden sämtliche Schadenersatzansprüche verjährungsrechtlich eine Einheit. Dies gilt auch für jene Schäden, welche (auch erst Jahre) später auftreten.
In diesem Fall kommt die Feststellungsklage ins Spiel:

Die Wahl des "richtigen" Gewährleistungsbehelfs

  • Der Bauherr in unserem Beispiel erlangt Kenntnis von den vorliegenden Mängeln. Es ist unstrittig, dass diese vom Werkunternehmer zu vertreten sind und er auch schuldhaft gehandelt hat; der Bauherr hat sohin auch Anspruch auf Ersatz der Mangelfolgeschäden. Der Bauherr kann jedoch (noch) nicht feststellen, ob diese Mängel technisch behebbar und welche Mangelfolgeschäden künftig tatsächlich eintreten werden.
  • Diese Informationen benötigt der Bauherr allerdings, um den für ihn "richtigen" Gewährleistungsbehelf wählen und seine (mit großer Wahrscheinlichkeit in Hinkunft entstehenden) Schadenersatzansprüche auch der Höhe nach beziffern zu können. Ist die Verbesserung möglich, kann er Verbesserung oder Austausch verlangen, ist sie unmöglich, nur die Wandlung oder Preisminderung. Ist die Verbesserung unmöglich und bleibt der Mangel daher bestehen, wird dies aller Voraussicht nach zu Mehraufwendungen bei der Wartung führen.
  • Jedenfalls hat der Bauherr seine Gewährleistungsansprüche innerhalb von drei Jahren und drei Monaten bzw seine Schadenersatzansprüche drei Jahre ab Kenntnis des (Mangel-)Schadens und Schädigers (gerichtlich) geltend zu machen.

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Zur Zulässigkeit der Feststellungsklage bei Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen

Bei Gewährleistungsansprüchen ist eine Feststellungsklage nur hinsichtlich bereits vorliegender Mängel möglich, deren Ausmaß und Behebbarkeit noch nicht klar sind. Bei Schadenersatzansprüchen ist eine Feststellungsklage dann möglich, wenn die Fälligkeit eines möglichen (oder sogar erwartbaren) Schadens erst in Zukunft eintritt. In unserem zweiten Fallbeispiel kann der Bauherr nicht feststellen, ob der vorliegende Mangel technisch behebbar ist und in welchem Ausmaß dieser vorliegt.

Ziel des Bauherrn muss es daher sein, die Gewährleistungspflicht des Werkunternehmers für alle vorliegenden Mängel feststellen lassen, bevor er zum Beispiel die Verbesserung oder den Austausch begehrt. Zudem müsste der Bauherr die Haftung des Werkunternehmers für die Mehrkosten der Wartung der Fassade (Mangelfolgeschäden) für den Fall der Nicht-Behebbarkeit der vorliegenden Mängel feststellen lassen.

Zweck und Wirkung der Feststellungsklage

Neben dem Ausschluss der Verjährungsgefahr dient eine Feststellungsklage oft auch zur Vermeidung von späteren Beweisschwierigkeiten und einer Haftung dem Grunde nach. Kann der Werkbesteller die Gewährleistungsbehelfe (Austausch, Verbesserung, Preisminderung und Wandlung) aufgrund von fehlender Kenntnis der Ursache nicht geltend machen, so kann mit Hilfe der Feststellungsklage rasch Klarheit über das Vorliegen der Gewährleistung geschaffen werden.

Ein rechtliches Interesse an der "bloßen" Feststellung besteht jedoch zeitlich nicht unbegrenzt – ähnlich der oben bereits im Zusammenhang mit der "Kenntnis von Schaden und Schädiger" erörterten Erkundigungsobliegenheit hat der Bauherr auch hinsichtlich der Wahl des Gewährleistungsbehelfs zumutbare Maßnahmen zu setzen, um die Grundlagen für die Wahl des einen oder anderen Gewährleistungsbehelfs zu schaffen.

Beim Feststellungsbegehren auf Schadenersatz können nur zukünftig fällig werdende Schäden, wie zum Beispiel die oben genannten Mehrkosten der Wartungsarbeiten, geltend gemacht werden.

Bereits fällige Schäden müssen mittels Leistungsklage begehrt werden. Ist eine Feststellungsklage jedoch einmal eingebracht, kann der Kläger sein Begehren auf Leistung (zB Verbesserung) abändern; er ist dazu jedoch nicht verpflichtet. Ein Feststellungsurteil schließt im Gewährleistungs- wie im Schadenersatzrecht eine Verjährung für 30 Jahre aus.

Fazit und Praxistipps

  • Die gesetzliche Gewährleistungsfrist beträgt zwei Jahre (für bewegliche Sachen) sowie drei Jahre (für unbewegliche Sachen); Gewährleistungsansprüche verjähren drei Monate nach Ablauf der Gewährleistungsfrist. Schadenersatzansprüche verjähren in der Regel drei Jahre nach Kenntnis von Schaden und Schädiger.
  • Den Geschädigten trifft eine Erkundigungsobliegenheit hinsichtlich der Kenntnis von Schaden und Schädiger. Bei Vorliegen entsprechender Verdachtslage muss sich der Geschädigte demnach aktiv darum bemühen, die erforderlichen Informationen zur Geltendmachung seiner Schadenersatzansprüche zu erlangen.
  • Die Feststellungsklage ist hinsichtlich Gewährleistungsansprüchen zulässig, wenn zB nicht klar ist, ob ein behebbarer oder unbehebbarer Mangel vorliegt und daher der Gewährleistungsbehelf noch nicht gewählt werden kann. Bei Schadenersatzansprüchen ist die Feststellungsklage nur hinsichtlich noch nicht fälliger Ansprüche möglich.