Europa : EU-Lieferkettengesetz: "Nicht übers Ziel hinausschießen"

Peter Krammer und Erwin Soravia

"Wir können von Glück sprechen, dass wir in Österreich mit der Umsetzung dieser EU-Vorgabe etwas zögerlich sind," sagt Peter Krammer.

- © www.thomastopf.com

Trotz Druck von Industrie- und Wirtschaftsverbänden und erheblichen Verzögerungen hat die Europäische Kommission am 23.2. einen Gesetzesvorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz vorgelegt. Die Kommission will Unternehmen in die Pflicht nehmen, Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen bei Lieferanten nachzuverfolgen und zu minimieren.

Eine erste Reaktion dazu kam nach wenigen Tagen aus Deutschland, wo Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sagte: „Wir lehnen eine Verantwortlichkeit unserer Unternehmen über direkte Vertragspartner hinaus weiterhin ab. Hier ist der Vorschlag der EU-Kommission aufgrund der komplexen Lieferkette in der Bauindustrie unrealistisch und praxisfern.“

Grundsätzlich begrüße die Bauindustrie aber ausdrücklich, dass der Kommissionvorschlag auch Unternehmen aus Drittländern in die Verantwortung nehme. Müller: „Ein fairer Wettbewerb gelingt nur dann, wenn für alle Bauunternehmen, die sich in der EU an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligen, die gleichen Regeln gelten - unabhängig vom Umsatz.

Für Österreich nahm der Präsident der VIBÖ Peter Krammer (Strabag SE) auf Anfrage von SOLID dazu folgendermaßen Stellung: "Die Bauindustrie ist keine der im Vorschlag der Kommission genannten Risikobranchen und steht nicht im Fokus der geplanten Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen. Aber wenn Regelungen in diesem Bereich kommen, dann wird das auch die Bauwirtschaft betreffen. Da kommt es uns entgegen, dass in der Welt des Bauens – man denke nur an Auftraggeberhaftung oder LSD-BG - unternehmerische Verantwortung schon lange weder an Unternehmens- noch an Staatsgrenzen endet."

Forderung nach Lebbarkeit und Rechtssicherheit
Krammer weiter: "Auch wenn wir jede Entwicklung begrüßen, die unsere hohen Standards auch für Bauunternehmen außerhalb Österreichs verpflichtend macht und damit für faire Wettbewerbsbedingungen auf unseren Baustellen sorgt, teilen wir die Bedenken der deutschen Kollegen, was die Haftung und Verantwortung über den Bereich hinaus betrifft, den wir als Bauunternehmen tatsächlich beeinflussen können. Von künftigen rechtlichen Vorgaben erwarten wir daher, dass sie in der täglichen Praxis lebbar sind, keine unverhältnismäßige administrative Belastung verursachen und für die Unternehmen Rechtssicherheit schaffen.
Dafür müssen die verschiedenen derzeit laufenden Nachhaltigkeits-Initiativen der EU aufeinander und nationale Überlegungen dazu auf die Vorgaben aus Brüssel abgestimmt sein. Es ist es daher sinnvoll, mit nationalen Regelungen das Ergebnis der Diskussionen auf europäischer Ebene abzuwarten, um einen einheitlichen Anwendungsbereich sicherzustellen und nicht über das Ziel hinauszuschießen."