Bauprojektabwicklung : Der Baustellenversteher - mit Podcast!

Stefan Ufertinger

Der Hintergrund Stefan Ufertingers ist ein knallharter aus der Projektabwicklung. Daher ist seine Arbeit umso authentischer.

- © Jana Mack

SOLID: Wie nett darf, muss und soll man auf der Baustelle sein?
Stefan Ufertinger:
Ich bin der Meinung, dass man sehr nett sein sollte. Auch wenn die landläufige Meinung ist, dass es am Bau etwas ruppiger zugeht. Unter Menschen sollte man immer sehr, sehr nett sein. Und ein freundliches Lächeln parat haben, um einfach die Beziehung zu stärken. Denn letztendlich geht es ja darum, dass Baustellen zwischen Menschen abgewickelt werden. Und Menschen müssen Beziehungen pflegen und leben.

Ich nehme an, es gibt einen persönlichen Erfahrungshintergrund dazu?

Genau. Ich habe jahrelange Erfahrungen von Abwicklungen von großen Infrastrukturbaustellen als Leiter der Örtlichen Bauaufsicht. Lange habe ich damit gehadert, dass mein Wert Harmonie so groß ist. Früher bin ich diesbezüglich auch öfter blöd angeredet worden: ,Auf der Baustelle Harmonie pflegen, das geht doch gar nicht unter diesem Zeit- und Kostendruck. Man muss die Ellbogen ausfahren.`
Aber dann habe ich gesehen, dass es funktioniert, wenn man freundlich ist. Damals war ich für Auftraggeber im Einsatz und habe Verständnis für die andere Seite, die Arbeitnehmer, gehabt. Für die Schwierigkeiten, den Druck, die familiären Probleme, die vielfach auch durch die hohe Belastung und die viele Arbeit entstehen. Mein Vater war 40 Jahre lang Bauleiter bei einem mittelständischen Unternehmen. Ich habe gesehen, wie er am Sonntag unter Stress gestanden ist. Am Montag war eine Asphaltierung eingeplant und laut Vorhersage wollte das Wetter nicht mitspielen. Aus diesem Grund habe ich großes Verständnis für die Auftragnehmer.

Fachliche Kompetenz als Basis

Wie lernt man dieses Verständnis, gibt es dafür ein Tool-Kit? Oder anders gefragt: Wie bricht man es auf die Realität hinunter?
Die Basis ist meiner Meinung nach fachliches Know-how. Bei uns am Bau ist es definitiv so, dass du dir nur Respekt verschaffst, wenn du fachlich ein guter Ingenieur bist. Zum einen technisch und zum anderen mit bauwirtschaftlichem Know-how in der Projektumsetzung. Wenn du diesen Respekt hast, kannst du auf einer anderen Ebene kommunizieren. Wenn du fachlich kompetent bist, dann vertrauen dir die Menschen auch. Hast du dieses Vertrauen, dann gibt es keine Missverständnisse mehr. Man kann auf einer zielgerichteten Ebene kommunizieren, dann wird auch nicht mehr jedes Wort auf die Goldschale gelegt. Nur damit lösen wir dann die unzähligen Probleme, die tagtäglich auf der Baustelle auftreten.

Das heißt, das Hauptthema ist doch fachliche Kompetenz?
Das stellt die Basis dar. Ohne fachliche Kompetenz wird es am Bau – und vermutlich auch in jeder anderen Branche – schwierig.

Geld wie ein Damoklesschwert

Vor allem bei Großbaustellen haben viele Menschen mit sehr hoher fachlicher Kompetenz und sehr unterschiedlichen Ansichten miteinander zu tun. Und es geht relativ schnell um sehr viel Geld. Wie kommt man da durch?
Ganz ehrlich? Schwierig. Genau diese Probleme haben wir am Bau. Wir haben bilaterale Verhältnisse. Mit Auftraggeber und Auftragnehmer haben wir zwei Parteien, die leider Gottes, diametral auseinander gehende Interessen haben. Der Auftraggeber möchte möglichst kostengünstig bauen. Der Auftragnehmer möchte möglichst viel Geld bei dem Projekt generieren. Das zu vereinen, ist die Kunst. Hinter den augenscheinlichen Interessen, wie in diesem Fall Geld, stecken vielfach persönliche Interessen. Mit Vertrauen, guten Beziehungen und guter Kommunikation kann man diese durchaus auch befriedigen. Dann wird es auch leichter, sich übers Geld zu einigen. Wir brauchen uns aber nichts vormachen: Das Thema Geld schwebt wie ein Damoklesschwert über uns.

Was ist deine Sicht der Dinge zu Allianzverträgen, early contractor involvement? Ist das handfest oder eine Sehnsucht, die da herausgekommen ist?
Eine Sehnsucht. Ja, habe ich noch nie so gesehen, aber ich glaube, da könntest du recht haben. Ich glaube, dass sich die Baubranche extremst danach sehnt, die Projekte kooperativer abzuwickeln. Da müssen wir auch hin. Ganz einfach, weil unsere Branche nicht attraktiv ist und wir keine jungen Ingenieure bekommen. Der Hauptgrund ist sicher, dass die Projektabwicklung so von Konfrontation, Konflikt, Druck, Stress, Terminverzögerungen und Kostenüberschreitungen geprägt ist. So werden wir in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das ist ein Riesenproblem. Deshalb bin ich der Ansicht, dass wir dringend und zwingend zu mehr Kooperation kommen müssen. Und ich glaube, dass das wirklich eine Sehnsucht ist. Die neuen Vertragsmodelle begrüße ich grundsätzlich sehr. Aber auch mit unserem herkömmlichen ÖNORM-Vertrag kann man partnerschaftlich und kooperativ agieren. Ich lebe es seit über einem Jahrzehnt so und habe noch nie grobe Probleme auf der Baustelle gehabt, wobei die Projekte durchaus herausfordernd waren. Die handelnden Personen sollten die nötigen Voraussetzungen mitbringen, dann kann es auch mit unseren herkömmlichen Vertragsmodellen funktionieren. Fakt ist, dass es die neuen Vertragsmodelle vereinfachen. Aber auch hier brauche ich fachliche und soziale Kompetenz. Social Skills werden in Zukunft immer wichtiger werden.

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Führung kann nur derjenige, der in der Lage ist, sich selbst zu führen. Fachliche Kompetenz stellt die Basis dar.
Stefan Ufertinger

Social Skills sind erlernbar

Gretchenfrage: Kann man diese Social Skills tatsächlich lernen? Und wo?
Davon bin ich fest überzeugt, weil ich mir selbst in den vergangenen Jahren diesbezüglich sehr, sehr viel angeeignet habe. Jemand, der überhaupt kein Gespür für das Zwischenmenschliche und keinen Zugang zu sich selbst und seinen eigenen Emotionen hat - bei dem wird das natürlich schwierig und ein langer Prozess. Aber das ist nicht der überwiegende Teil der Menschen, sondern eine kleine Randgruppe. Der Hauptteil, der am Bau Beschäftigten, kann es lernen. Mit meinem Online-Kurs ,Baustellen-Erfolg durch Kooperation´ versuche ich, es in die Welt hinauszutragen. Da geht es in erster Linie um dich selbst. Führung kann nur derjenige, der in der Lage ist, sich selbst zu führen. Fachliche Kompetenz stellt die Basis dar. Wenn ich damit Ergebnisse erzielen, dann bin ich eine vertrauenswürdige Person. Wenn ich mit meinen Aufgaben nicht zurechtkomme, weil ich kein Zeitmanagement habe, dann wird es schwierig, diese Ergebnisse zu erzielen.

Ein harmonische Miteinander ist auch auf der Baustelle möglich.

- © Jana Mack