Immobilien : Belebung am Büromarkt in Wien erwartet

Frau bei Büroarbeit
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Für den Wiener Büromarkt rechnen Fachleute für 2022 mit mehr Dynamik, nachdem in der Coronakrise die Neuvermietungsleistung zwei Jahre in Folge zurückgegangen ist. Trotz doppelt so viel produzierter Flächen dürfte die Leerstandsrate wegen hoher Vorvermietungen weiter niedrig bleiben, schätzt der Immo-Berater EHL. Bei Einzelhandelsflächen erwartet man deutliche Zuwächse bei den Neuvermietungen, angetrieben durch eine starke Nachfrage aus dem Lebensmittelhandel.

Büros würden immer stärker orientiert an hybriden Konzepten genutzt, "Remote Working wird immer mehr zur neuen Normalität", sagte die Market-Research-Leiterin Alexandra Bauer. Das Remote Office sei "gekommen, um zu bleiben". Auch nach der Pandemie werde ein Teil der Unternehmen ihren Mitarbeitern Home-Office anbieten - weil die Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung im "war for talents" (Kampf um Fachkräfte, Anm.) stetig an Bedeutung gewinne.

Bei Büros dürfte sich zwar die Flächenproduktion gegenüber 2021 auf rund 126.000 Quadratmeter verdoppeln, doch würden bei den Fertigstellungen hochwertige Refurbishments eine immer größere Rolle spielen. Deren Anteil an den Neuflächen werde heuer einen Rekordwert von 82 Prozent erreichen. Als Beispiel verwies Bauer am Dienstag auf das Quartier Lassalle (78.000 Quadratmeter), das heuer nachhaltig nach ESG-Kriterien refurbished fertig werde. Neubauten, die das Flächenangebot am Wiener Büromarkt tatsächlich erhöhen, werde es 2022 nur zwei neue geben.

Die Büro-Nachfrage in Wien erwartet die EHL-Expertin heuer ähnlich hoch oder leicht höher als voriges Jahr, da sank die Neuvermietungsleistung von 210.000 auf 170.000 Quadratmeter. Der bisherige Rekord war mit 320.000 Quadratmetern im Jahr 2016 markiert worden, zugleich gab es damals bei Neuflächen ein Rekordtief. Die Leerstandsrate sei mit 4,3 Prozent im internationalen Vergleich extrem niedrig. Die zuletzt von 25,50 auf 26 Euro pro Quadratmeter gestiegenen Spitzenmieten würden weiter stabil bleiben, weil im 1. Bezirk die Nachfrage das Angebot übersteige.

In manchen Branchen blockiere eine corobedingte Unsicherheit die Vermietungen - außer im öffentlichen oder quasi-öffentlichen Sektor sowie in beratenden Berufen. Je nach Corona-Entwicklung spüre man schon seit März 2020, dass Firmen länger nach Büroflächen suchen und auch länger verhandeln, dann aber doch wieder abwarten. Zudem wünschten sich Mietinteressenten vermehrt kürzere Vertragslaufzeiten. Co-Working funktioniere, so komme etwa das entsprechende myhive-Konzept der Immofinanz gut an, sagte Bauer.

Dass Pensionen oder Hotels wegen des Ausbleibens von Touristen durch die Pandemie zu Büroflächen werden, sehe man noch nicht - im Gegenteil gebe es nach wie vor Nachfragen aus der Hotelbranche, so die Expertin in einem Online-Pressegespräch. Andererseits bestehe etwa im 1. Bezirk ein starker Nachfrageüberhang nach Büros, nachdem jahrelang aus Büroflächen Wohnungen oder auch Hotels geworden seien.

Bei Einzelhandelsflächen erwartet EHL-Experte Mario Schwaiger 2022 deutlich mehr Neuvermietungen in Wien. Einerseits setze sich der Strukturwandel fort, wobei unrentable Flächen zurückgestellt würden, doch treffe auch eine beachtliche Zahl spannender Retail-Konzepte auf ein großes Angebot attraktiver Flächen. Bisher verdränge der Onlinehandel den stationären Handel nicht, zeigten die Daten des Partners RegioData. "Die Leute wollen das Einkaufserlebnis", so Schwaiger. Die Verzahnung von Online- und Offline-Handel nehme an Fahrt auf. Das Mietenniveau im Handel sei "sehr stabil" und habe sich "teils sogar besser entwickelt als erwartet", meinte der Experte.

Besonders expansiv sei der Lebensmittelhandel. Etablierte Supermarktketten würden ihre Filialnetze ausbauen, Biosupermärkte an Terrain gewinnen und Online-Lebensmittelhändler verstärkt Flächen in Zentrallagen suchen. "Die Lebensmittelbranche ist eindeutig der große Gewinner der vergangenen beiden Jahre", so Schwaiger.

Gastronomie und Dienstleistungen seien ebenfalls auf dem Vormarsch. Das betreffe die internationale Systemgastronomie und heimische Gastrounternehmen. In dem Sektor seien "viele spannende Konzepte in den Startlöchern", jedoch sei die Flächenverfügbarkeit eingeschränkt. Trotz Corona bleibe die stationäre Gastronomie aktuell bestehen, sie tauche wohl mithilfe staatlicher Hilfen durch, meinte Schwaiger. Dass, wie erst kürzlich, ein Gastronom in einer guten Seitenlage seinen Vertrag auflösen wolle, qualifizierte der Experte als Ausnahme.