China : Chinesische Behörde warnt vor Zahlungsausfall bei Immobilienriesen

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+++ UPDATE 15.9., 14:54 +++

Die chinesische Wohnbaubehörde hat Banken einem Medienbericht zufolge vor Zahlungsausfällen beim Immobilienkonzern Evergrande gewarnt. Evergrande werde nicht in der Lage sein, die am 20. September fälligen Zinsen für Kredite zu bedienen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider am Mittwoch. Das Unternehmen sei in dieser Woche in Gesprächen mit Finanzinstituten über ein Zinsmoratorium und eine mögliche Verlängerung von Darlehen.

Anleger fürchten einen Zusammenbruch des Immobilienkonzerns, der unter einem Schuldenberg von mehr als 300 Mrd. Dollar (254 Mrd. Euro) ächzt. Zudem gibt es die Sorge, dass eine Insolvenz Schockwellen durch das chinesische Bankensystem jagt. Evergrande-Aktien gaben rund sechs Prozent nach und fielen auf den tiefsten Stand seit 2014. Auch die Aktien anderer Immobilienkonzerne gerieten unter die Räder.

In China wächst die Angst von Wohnungskäufern, Handwerkern und Kleinanlegern vor einer Pleite des Immobilienriesen. Dutzende Menschen versammelten sich am Dienstag vor dem Sitz des Konzerns in Shenzhen und forderten ihr Geld, wie AFP-Reporter berichteten. Evergrande hatte am Montag noch versichert, der Konzern werde nicht bankrottgehen - am Dienstag warnte das Unternehmen vor Zahlungsausfällen.

Evergrande hat in Jahren aggressiver Expansion Schulden in Höhe von umgerechnet mehr als 260 Milliarden Euro angehäuft. Der Konzern ist in mehr als 280 chinesischen Städten präsent und eines der größten Privatunternehmen in der Volksrepublik. Ende Juni lag der Bestand an Wohnungen im Bau nach Angaben der Beratungsfirma Capital Economics bei 1,4 Millionen, ihr Wert bei umgerechnet 170 Milliarden Euro.

Immer mehr Kunden fürchten, dass die im Voraus bezahlten Wohnungen niemals gebaut werden. Lieferanten und Subunternehmen haben sich bereits wegen Zahlungsausfällen beschwert; auf Baustellen ruhen die Arbeiten. Der Kurs an der Börse von Hongkong fiel seit Beginn des Jahres um fast 80 Prozent.

Vor dem Firmensitz versammelten sich am Dienstag 60 bis 70 Frauen und Männer, die Polizei blockierte den Zugang zu dem Gebäude. Ein Mann namens Chen sagte AFP, Evergrande schulde seinem Chef umgerechnet 2,6 Millionen Euro - "und vielen Leuten hier sogar noch mehr". Alle seien "definitiv sehr besorgt". Es gebe keine Erklärungen; "sie hätten das Geld zahlen sollen, als es fällig war".

Evergrande räumte am Dienstag in einer Mitteilung an die Börse in Hongkong ein, er stehe unter "enormem Druck". Der Konzern habe Finanzberater eingestellt, die "alle machbaren Lösungen" prüfen sollten, um den Schuldenberg abzutragen. Es gebe aber keine Garantie, dass Evergrande all seinen finanziellen Verpflichtungen werde nachkommen können, warnte der Konzern.

Er machte die negative Berichterstattung verantwortlich für die aktuelle Schieflage. Die Berichte hätten potenzielle Käufer abgeschreckt. Gerade der September sei der Monat, wo Immobilienverkäufer die besten Geschäfte machten.

Evergrande ist aber nicht nur in der Immobilienbranche tätig - 2019 gründete der Konzern den Elektroautohersteller Evergrande Auto, der bis heute allerdings kein einziges Fahrzeug verkauft hat. Auch in die Sektoren Tourismus, Internet, Digitalwirtschaft, Versicherungen und Freizeitparks investierte das Unternehmen. Zudem gehört ihm der Fußballclub Guangzhou FC in Kanton. (APA)

Ein Bankrott hätte enorme Auswirkungen - nicht nur auf die chinesische Volkswirtschaft, sondern auch auf die politisch erwünschte soziale Stabilität. "Der Kollaps von Evergrande wäre die größte Herausforderung für das chinesische Finanzsystem seit Jahren", sagte Mark Williams, Chefökonom Asien bei Capital Economics. Dann müsste die Zentralbank einschreiten und Evergrande stützen.

Williams nannte eine Umstrukturierung des Konzerns das "wahrscheinlichste Szenario". Andere Baufirmen könnten die begonnenen Projekte übernehmen. Die Bilder wütender Menschen vor der Firmenzentrale könnten die Führung in Peking alarmieren, die soziale Proteste wenn möglich zu vermeiden sucht.

Evergrande hat bereits Firmenanteile verkauft und Preisnachlässe für Wohnungen angeboten. Auch das Firmengebäude in Hongkong steht zum Verkauf.

Gegründet wurde der Konzern 1996 von Xu Jiayin, der zwischenzeitlich zum reichsten Mann Chinas aufstieg. Beim Börsengang 2009 sammelte Evergrande umgerechnet 7,6 Milliarden Euro ein.

Der Niedergang begann im August 2020, als der Staat den Immobilienkonzernen die sogenannten "drei roten Linien" vorgab. Diese setzten den Firmen Grenzen für die Kreditaufnahme und zwangen sie, ihre Verbindlichkeiten zu reduzieren. Evergrande musste Immobilien mit immer höheren Preisnachlässen abstoßen. Vergangene Woche stuften zwei Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit herab.

+++ UPDATE +++

Krise von Evergrande besorgt auch deutsche Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft blickt mit Sorge auf die Krise um den zweitgrößten chinesischen Immobilienentwickler Evergrande. "Die Gefahr einer Überhitzung des chinesischen Immobilienmarktes ist nicht von der Hand zu weisen", sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, am Mittwoch.

"Die deutschen Unternehmen sind besorgt, dass dort eine Blase platzten könnte." Sie wären davon zwar nicht direkt betroffen, indirekt aber schon. "Der Konsum in China könnte dann leiden oder der Bau als wichtiger Konjunkturmotor ausfallen", sagte Treier. "Das könnte dann auf den Konsum durchschlagen und den Absatz höherpreisiger Produkte wie etwa deutsche Autos dämpfen." China ist der zweitwichtigste Absatzmarkt für Produkte "Made in Germany" nach den USA: 2020 wurden Waren im Wert von rund 96 Mrd. Euro dorthin verkauft.

Anleger fürchten einen Zusammenbruch des Immobilienkonzerns Evergrande, der unter einem Schuldenberg von mehr als 300 Mrd. Dollar ächzt. Zudem gibt es die Sorge, dass eine Insolvenz Schockwellen durch das chinesische Bankensystem jagt. "Aktuell gehen wir aber davon aus, dass die Regierung in Peking gezielt Luft aus der Immobilienblase lässt – etwa durch die Verteuerung von Krediten", sagte Treier. Man erwarte daher bisher eine "weichen Landung".

Das sieht der Chefökonom des Mercator-Instituts für China-Studien (Merics), Max Zenglein, ganz ähnlich. Er rechne nicht damit, dass der Immobilienmarkt in der Volksrepublik kollabiere oder es dort zu einer Finanzkrise komme. "Das wäre eine Katastrophe", sagte der China-Experte. Die Folgen für Deutschland dürften sich auf Zahlungsausfälle bei Anleihen sowie die Auswirkungen einer möglichen Zerschlagung des Konzerns beschränken. "Für Deutschland sollte der Fall aber als gutes Beispiel dafür dienen, welche Risiken im chinesischen Finanzsystem schlummern", sagte Zenglein. "Investoren haben ja neuerdings immer mehr Möglichkeiten, direkt auf dem Markt zu agieren." (APA)