Architektur : Bauvisionen der Vergangenheit

Ob barocke Stadtansichten, prachtvolle Bauten der Renaissance oder architektonische Ensembles wie die Wiener Ringstraße: Seit jeher dokumentieren Architekten mit ihren Zeichnungen die städtische und ländliche Vergangenheit und entwerfen die Zukunft. Neue Einblicke in dieses faszinierende Genre bietet die auf zwei Teile angelegte Schau Meisterwerke der Architekturzeichnung aus der Albertina.

Sechzig Highlights veranschaulichen im ersten Teil das Wesen und die Besonderheit der Architekturzeichnung oder zeigen den kompositorischen wie naturalistischen Blick auf Bauwerke, Ensembles und Städte. Sie stammen aus der 40.000 Werke umfassenden Architektursammlung und präsentieren bedeutende Skizzen, Studien und Entwürfe von Gian Lorenzo Bernini, Francesco Borromini, Gottfried Semper, Theophil von Hansen, Otto Wagner, Adolf Loos, Josef Frank, Clemens Holzmeister, Hans Hollein, Zaha Hadid u.v.a.

Zeichnungen mit architektonischem Inhalt wie Panoramen, Veduten oder Architekturcapriccios von Pisanello, Canaletto, Francois Boucher, Hubert Robert, Marteen van Heemskerk, Francesco Panini, Carl Schütz oder Franz Alt aus der weltberühmten Grafischen Sammlung ergänzen die Auswahl und spannen einen Bogen von der Spätgotik und Renaissance, über den Barock und Klassizismus, Historismus und Jugendstil bis hin zur Architektur der Gegenwart.

Die Ausstellung Meisterwerke der Architekturzeichnung aus der Albertina beleuchtet die Geschichte der Sammlung und deren fantastische Vielfalt. Durch die zahlreichen Verbindungen vom 16. bis ins 21. Jahrhundert illustriert sie Zusammenhänge zwischen architektonischen Handzeichnungen und der Architekturtheorie. Zugleich werden kultur- und sozialpolitische Entwicklungen nachvollziehbar. Thematische Schwerpunkt des ersten Teils der Ausstellung sind die unterschiedlichen Darstellungsarten bei Architekturzeichnungen sowie die Themenblöcke Zierbrunnen / Brücken / Residenzen, Villen, Gartenarchitektur, Bau-Dekoration, Farbe in der Architektur, Historismus sowie Turm und Kuppel.

Der zweite Teil der Ausstellung wird vom 27. Juni bis 30. September 2018 gezeigt und umfasst die Schwerpunkte Gärten, Utopie, Denkmal, Panorama, Der andere Blick auf die Stadt, Antikenrezeption, Theater sowie Archiskulptur.

Hier einige Beispiele aus dem ersten Teil der Ausstellung:

Francesco Borromini / Laterne von Sant’Ivo alla Sapienza

Die Bauwerke des Philosophen unter den römischen Barockarchitekten prägen bis heute das Stadtbild Roms. Unter seinen vielen ungewöhnlichen und verblüffenden Einfällen zählt die Laterne der Universitätskirche wohl zu den beeindruckendsten. Schraubenartig wächst der sich nach oben verjüngende Spiralaufsatz aus dem Kuppeltambour und endet in einem Flammenkelch, den ein filigraner, aus nur sechs Metallstangen bestehender Zwiebelhelm mit Weltkugel und Kreuz bekrönt.

Joseph Maria Olbrich / Hofpavillon der Stadtbahn

Otto Wagner plant für die kaiserliche Familie eine exklusive Stadtbahnstation nahe dem Haupteingang von Schloss Schönbrunn. Architektur und Ingenieurskunst verschmelzen zu einer künstlerischen Einheit, indem Wagner und sein Mitarbeiter Joseph Maria Olbrich innovative Technologien, moderne Werkstoffe und neue Dekorformen miteinander zur Architektursprache des Wiener Jugendstils verbinden. Das Ergebnis ist eine gebaute Skulptur aus edelsten Materialen und mit kostbarster Ausstattung. Die Wertschätzung von Kaiser Franz Joseph I. hielt sich jedoch in Grenzen; er benützte seinen Hofpavillon nur zwei Mal.

Gleichfalls von Otto Wagner stammt die Skizze für den Dom in Berlin.

Clemens Holzmeister / Kathedrale Belo Horizonte

Clemens Holzmeister ist weltweit der bedeutendste Sakralarchitekt. In Brasilien entwirft er fünf Kirchen. Die Kathedrale von Belo Horizonte gestaltet er als 150 Meter hohen, kuppelbekrönten, durchbrochenen Zylinder aus weiß schimmernden Beton. Sie soll weit sichtbar auf einer kleinen Anhöhe errichtet werden und Platz für 14.000 Gläubige bieten. Holzmeister engagiert sich lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil gegen das kirchliche Dogma der Wandlung mit dem Rücken zur Gemeinde. In Belo Horizonte hätte der Priester den Höhepunkt der Eucharistiefeier mit Blick zu den Gläubigen vollzogen.

Ebenfalls von Clemens Hlozmeister stammt der Entwurf dieses imposanten Bauwerks in Rio.

Josef Frank / Haus Nr. 9

Frank kehrt aus der amerikanischen Emigration frustriert und desillusioniert nach Schweden zurück. Dagmar Grill, die Cousine seiner Frau, ermuntert ihn zu dreizehn Briefen, in denen er für sie jeweils eine Villa skizziert und erläutert. Seine fantasievollen Utopien zeichnen sich durch immer neue Kombinationsmöglichkeiten aus den drei Grundelementen Form, Farbe und Material aus. Frank favorisiert das Haus Nummer 9, weil es keine rechten Winkel besitzt und sich sein unregelmäßiger Grundriss nur an den Lebensbedürfnissen der Bewohnerin orientiert.

Josef Frank entwarf auch die wolkenkratzergleichen gebäude in New York.