Deutschland : Stimmung in deutscher Wirtschaft hellt sich auf, Bau am Drücker

Die deutsche Wirtschaft hat ihren Abwärtstrend vorerst gestoppt. Die Stimmung in ihren Chefetagen hellte sich im September nach zuvor fünf Rückgängen in Folge erstmals wieder auf. Der Geschäftsklimaindex stieg um 0,3 auf 94,6 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag unter Berufung auf seine monatliche Umfrage unter rund 9.000 Managern mitteilte.

"Der Abschwung macht eine Pause", erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Führungskräfte beurteilten ihre Geschäftslage günstiger als zuletzt, ihre Aussichten für die kommenden sechs Monate allerdings etwas skeptischer. "Das ist nicht der Beginn einer Trendwende", betonte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Die erste Rezession in Deutschland seit dem Jahreswechsel 2012/13 lässt sich wohl nicht mehr vermeiden, sind sich Ökonomen nahezu einig. Für das ablaufende dritte Quartal deute sich zum zweiten Mal in Folge ein Rückgang des Bruttoinlandsproduktes an, sagte Wohlrabe. Bei zwei Minus-Quartalen hintereinander wird von einer Rezession gesprochen. "Für das vierte Quartal zeichnet sich eine Stagnation ab", sagte Wohlrabe. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte, die konjunkturellen Wachstumskräfte hätten nachgelassen. "Aber wir sind nicht in einer Rezession."

Die exportabhängige Industrie bleibt das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. "In der Industrie geht es weiter abwärts", sagte Wohlrabe. "Hier sind keine Lichtblicke zu erkennen." Die Unternehmen leiden unter Handelskriegen, Brexit-Verunsicherung und schwächerer Weltkonjunktur. Hinzu kommt noch ein neues Problem. "Der Anstieg der Rohölpreise nach den Attacken auf Saudi-Arabien hat die Stimmung in der chemischen Industrie getrübt", sagte Wohlrabe. Hier habe es einen "deutlichen Dämpfer" gegeben. Dem Abwärtstrend entgegenstemmen konnten sich die Dienstleister. "Und hier vor allem in Bereichen, die nichts mit der Industrie zu tun haben, etwa Grundstücks- und Wohnungswesen, Hotelgewerbe oder auch Unternehmensberater", erläuterte der Ifo-Experte. "Die industrienahen Dienstleister konnten sich dem Abschwung hingegen nicht entziehen."

Ökonomen geben deshalb trotz des leichten Anstiegs des wichtigsten Frühindikators für die deutsche Wirtschaft keine Entwarnung. "Viel mehr als ein Silberstreif am Horizont ist das noch nicht", warnte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. "Seit Monaten warten wir darauf, dass die großen internationalen Risiken verschwinden." Bisher sei dies aber nicht geschehen. Ähnlich äußerte sich DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. "Ob der leichte Anstieg im September ein Ende der Abwärtsbewegung markiert, hängt von der weiteren Entwicklung der Handelsstreitigkeiten und des Brexits ab", sagte er. "Vorläufig haben die Deeskalation Chinas und der USA im Handelsstreit sowie das No-Hard-Brexit-Gesetz des britischen Parlaments die gefühlte Lage stabilisiert."

Die Deutsche Bundesbank hält eine Rezession für möglich, sieht aber in einem erneuten Rückgang der Wirtschaftsleistung "noch keinen Grund zur Besorgnis". "Ein solcher ist derzeit in Deutschland als Teil einer konjunkturellen Normalisierung zu sehen, da die deutsche Wirtschaft aus einer Phase der wirtschaftlichen Überauslastung kommt", betonte sie in ihrem Monatsbericht. Die Unternehmen seien immer noch überdurchschnittlich ausgelastet. Wirtschaftsminister Altmaier will angesichts der Flaute die Rahmenbedingungen mit steuerlichen Entlastungen und flexibleren Arbeitszeiten verbessern. Er habe zudem gerade einen Gesetzentwurf zum Bürokratieabbau eingebracht. "Es reicht aber nicht", sagte er. Hier müsse in den nächsten Jahren noch mehr passieren. (APA)