Das Bundesvergabegesetz selbst räumt den sogenannten Sektorenauftraggebern (aus Bereichen wie Energie, Verkehr, Wasser) die Möglichkeit ein, EU-Wertschöpfung zu bevorzugen. Bei Lieferaufträgen dürfen Angebote ausgeschieden werden, wenn der Anteil aus Drittländern stammenden Waren mehr als 50 Prozent beträgt. Auftraggeber sind sogar dazu verpflichtet, wenn zwei oder mehrere gleichwertige Angebote vorliegen. Beim Preis ist die Gleichwertigkeit jedoch eng zu verstehen. Die Abweichung darf nicht mehr als drei Prozent betragen. Ein Mitbewerber aus Fernost dürfte daher bei gleicher Qualität nicht viel günstiger sein.
Der EU-Gesetzgeber hat es aber verabsäumt, eine vergleichbare Schutzbestimmung für die europäische Bauindustrie vorzusehen.
Sofern eine sachliche Rechtfertigung vorliegt, können Auftraggeber auch in anderen Bereichen einen EU-Wertschöpfungsanteil verlangen. Seit der Vergaberechtsreform sind überdies Umweltkriterien zu berücksichtigen und Auftraggeber können soziale Kriterien festlegen. In Bezug auf Bieter aus Drittländern wäre es überlegenswert, beispielsweise ausdrücklich Kinderarbeit auszuschließen – in Hinblick auf den gewohnten europäischen Bieterkreis selbstverständlich.
EU verschärft den Druck auf China bezüglich Marktöffnung und fairen Wettbewerb
Während die USA unter Trump mit China einen erbitterten Handelskrieg ausfechten und auch nicht davor zurückschrecken, in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen aus Staaten mit abgeschotteten Vergabemärkten Beschaffungsverbote zu verhängen, mahlen die Mühlen in der EU langsam. Brüssel setzte mit China über viele Jahre auf Dialog und scheiterte, gemeinsame Positionen zu finden. In jüngerer Zeit sah sich die EU angesichts bescheidener Zugeständnisse Pekings jedoch gezwungen, den Druck zu erhöhen. So legte sie im Dezember 2018 bei der WTO Beschwerde gegen China ein, weil europäische Unternehmen als Voraussetzung für eine Geschäftstätigkeit in China sensible Technologien und Know-how preisgeben müssen.
Beim EU-Gipfel Ende März 2019 beschloss der Europäische Rat die Wiederaufnahme der Beratungen des sogenannten „EU-Instruments betreffend das internationale Beschaffungswesen“ (IPI). Auf Verordnungen aus den Jahren 2012 und 2016 zurückgehend, würde das IPI der EU erstmals konkrete Sanktionsmöglichkeiten gegen Drittstaaten ermöglichen, die ihre Beschaffungsmärkte abschotten. Als letzte Konsequenz – nach einer ausgiebigen Phase an Untersuchungen und Konsultationen – könnte die EU auf Angebote, bei denen mehr als 50% auf Waren oder Dienstleistungen aus einem Drittstaat, der seinen Beschaffungsmarkt abschottet, entfällt, eine „Preisanpassungsmaßnahme“ in Höhe von 20 Prozent der Angebotssumme aufschlagen. Nach den genannten Verordnungen ist die Ausführung von Bauarbeiten bzw die Errichtung von Bauwerken als Erbringung einer Dienstleistung zu betrachten.