SOLID 2/2017 : Birtel: "Zufrieden ist man nie"

Thomas Birtel Strabag
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SOLID: Wie sehen Sie die Tatsache, dass Sie so einen großen Sprung in der Aufmerksamkeit der Expertenjury gemacht haben (von 8 auf 1)?

Thomas Birtel: Gelassen - natürlich freut es mich. Aber andererseits gilt seit meinem Amtsantritt das STRABAG-Motto "Teams Work." - und so nehme ich das Expertenvotum als Bestätigung für die Arbeit des Vorstands insgesamt.

Wie sehen Sie die Situation der Bauwirtschaft in Österreich und europaweit und warum?

Birtel: Die Situation ist in den einzelnen Märkten Europas sehr verschieden - u.a. auf dieser breiten Diversifikation beruht die Stabilität unseres Geschäftsmodells. Österreich ist ein wettbewerbsintensiver Markt ohne große Dynamik im Infrastrukturbereich; dadurch unterscheidet es sich diametral vom großen Nachbarn Deutschland. Positiv sehen wir dagegen die Entwicklung im Wohnungsbau; deshalb haben wir auch Ende letzten Jahres die Raiffeisen Evolution komplett übernommen.

Was sind die großen Themen 2017 in Ihrem eigenen Unternehmen?

Birtel: Das sind zum einen der Squeeze-out bei unserer bisher noch börsennotierten Tochter STRABAG AG in Köln, zum anderen unverändert die Megathemen Digitalisierung und Lean Construction. Operativ erwarten wir, dass sich die Aufholjagd bei den deutschen Verkehrsinvestitionen endlich spürbar leistungswirksam niederschlägt. Und dann wollen wir die erstmals für 2016 angestrebte Rekordmarge (3 % EBIT/Umsatz) als nachhaltig bestätigen. Dieser Tage oft gefragt werde ich nach Entwicklungen auf der Aktionärsebene, weil allgemein bekannt ist, dass das Syndikat unserer Kernaktionäre bis Ende 2017 angelegt ist - und ebenso oft antworte ich, dass dies keine Frage für das Management ist...

Wie sind Sie bislang mit Ihrer Amtszeit zufrieden?

Birtel: Zufrieden ist man nie - sonst bleibt man stehen! Wir haben zwar schöne Fortschritte bei der Kosteneffizienz und im Risikomanagement gemacht - so waren kontinuierlich steigende Renditen bei nur leichtem Leistungswachstum möglich, was ja auch den Aktienkurs nicht negativ beeinflusst haben dürfte. Wir haben unser ohnehin schon seltenes Investment Grade-Rating von Standard & Poor's angehoben bekommen - das gibt es nur bei ganz wenigen Bauunternehmen weltweit. Wir haben strukturelle Belastungen abgebaut, wie etwa den schweren Wasserbau oder einige Großprojekte. Nicht zufrieden bin ich hingegen mit der Entwicklung unserer Frauenquote - hier geht es zu langsam vorwärts. Und schließlich haben wir unser Ziel verfehlt, das außereuropäische Geschäft in einen zweistelligen Prozentanteil zu bringen,was angesichts der Energiepreiskrise aber wahrscheinlich auch nicht mit unserem Ergebnisanspruch vereinbar gewesen wäre.

Was sagen Sie dazu, dass in der Publikumsbeurteilung (ich habe da eine getrennte Umfrage gemacht) noch immer HP Haselsteiner als wichtigste Baupersönlichkeit des Landes gesehen wird?

Birtel: Das verwundert mich überhaupt nicht - HPH ist schließlich eine Persönlichkeit mit historischen Leistungen für die Bauindustrie in Österreich und Europa. Er hat die Branchenlandschaft in Österreich nachhaltig verändert und geprägt, und er hat einen Top-Player in Europa geschaffen, den es so kein zweites Mal gibt.

Das Gespräch führte Thomas Pöll