Interview mit Thomas Spannagl : "Gas geben und zugleich bremsen"

SOLID: Herr Thomas Spannagl, Sie sind privat begeisterter Motorradfahrer. Was ist für Sie der größte Erfolg beim Motorradfahren?

Thomas Spannagl: Das Wichtigste ist natürlich, gesund zurückzukommen. Die größte Freude bereitet mir das Fahren auf kurvigen Bergstraßen in den Alpen. Das ist Entspannung pur.

SOLID: Eine andere Art von Freude hatten Sie mit der firmeninternen Auszeichnung, den „Cement Awards“, die Sie unter anderem für den Einsatz von Alternativbrennstoffen im Produktionsprozess erhalten haben. Wie viel Kostenpotenzial steckt im Produktionsprozess?

Spannagl: Das Werk im steirischen Retznei ist für seine Can-do-Attitude ausgezeichnet worden. Wir haben gezeigt, dass eine Alternativbrennstoffrate von 100 Prozent durchaus umsetzbar ist. Altreifen, Altöl, aufbereitete Kunststoffe, um nur einige Beispiele zu nennen, können als Brennstoff in der Produktion von Zement eingesetzt werden. Ersatzbrennstoffe vermeiden den Einsatz fossiler Brennstoffe und haben somit positive Auswirkungen auf Kosten und Umwelt. Dadurch sind wir in der Lage, die extremen Preiserhöhungen bei Primärbrennstoffen wie Kohle oder Petrolkoks teilweise zu kompensieren.

SOLID: Die Zementindustrie hat in Österreich drei schwere Jahre mit starken marktbedingten Verkaufsrückgängen hinter sich – 16 Prozent 2009 und 6 Prozent 2010. Mit welcher Strategie werden Sie weitermachen?

Spannagl: Wir machen es wie die Ralleyfahrer: Gas geben und gleichzeitig bremsen. Im besten Fall erwarten wir für 2011 eine Marktstabilisierung auf dem Niveau von 2010. Ab 2012 rechnen wir mit einem langsamen Aufschwung. Bis jetzt haben wir die Krise gut gemeistert. Auf der einen Seite haben wir gebremst und unsere Fixkosten variabilisiert und die Energieeffizienz optimiert; gleichzeitig investieren wir aber kräftig in Produkt- und Prozessinnovation sowie eine Optimierung unserer strategischen Positionierung.

SOLID: Was konkret hat für Sie in den nächsten Jahren oberste Priorität?

Spannagl: Wir werden Beton als Baustoff und innovatives Produkt besser positionieren. Und wir werden unsere Kundenorientierung verstärken und näher an unsere Kunden – Betonhersteller ebenso wie Baufirmen – heranrücken. Danach werden wir unsere Innovationsaktivitäten ausrichten. Ein Schlüsselthema für unsere Industrie ist nach wie vor die Unsicherheit bei der Abrechnung von CO2-Zertifikaten. Die Europäische Kommission definierte eine Benchmark von 766 Kilogramm Kohlendioxyd pro Tonne Klinker. Es ist gut, dass dies nun definiert ist, aber es gibt noch die offene Frage der Abrechnungsmethodik. Und die ist zentral. Als Beispiel nenne ich nochmals Ersatzbrennstoffe. Sie enthalten biogene Anteile, welche bisher als CO2-neutral betrachtet wurden. Wenn sich das ändert, hat das eine unmittelbare Auswirkung auf den Zertifikatsbedarf und somit auf die Kosten.

SOLID: Die Zementindustrie ist ein wichtiger Industriezweig in Österreich und hat lange Tradition. Wie industriefreundlich nehmen Sie Österreich wahr?

Spannagl: Die derzeitige Ökostromregelung ist industriefeindlich, da eine wirksame Deckelungsregelung fehlt. Ein Unternehmen, das in Deutschland 100.000 Euro Ökostromkosten hat, bezahlt in Frankreich 500.000 Euro. In Österreich dagegen 1,5 bis 2 Millionen Euro. Das ist natürlich ein gewaltiger Wettbewerbsnachteil. Derzeit arbeiten wir intensiv daran, eine EU-konforme Lösung zu finden – was in anderen EU-Staaten ja bereits gelungen ist.

SOLID: Was wird sich für Sie durch den Zusammenschluss mit der Strabag konkret ändern?

Spannagl: Lafarge wird seine bestehenden Zementwerke in Österreich, Slowenien und der Tschechischen Republik in eine Holding einbringen, die Strabag wird sich mit ihrem Werk in Ungarn beteiligen. Für Lafarge bedeutet dies den Einstieg in den ungarischen Zementmarkt. Es wird eine spannende Aufgabe sein, die Synergiepotenziale – wie die zuvor erwähnte Kundennähe und Produkt- und Serviceinnovation – zwischen Lafarge und Strabag zu nutzen.

Info-Kasten:

Thomas Spannagl (44) ist seit 2008 CEO der Lafarge Perlmooser GmbH.Geboren in Gmünd, studierte er an der Technischen Universität Maschinenbau. Vor acht Jahren absolvierte er die London Business School mit Schwerpunkt Management. Seine berufliche Karriere startete bei Philips. 1997 trat er in die Lafarge Perlmooser AG ein und leitete einige Jahre das Zementwerk in Retznei. Von 2004 bis 2006 war der Vater zweier Kinder als Vizepräsident für den Einsatz von Ersatzbrennstoffen in den normamerikanischen Standorten des Konzerns verantwortlich. Danach war er als CEO einer 100%-Tochter von Lafarge in den USA tätig.