Zum Anfang eine übergreifende Frage: Wie finden Sie die Stadien in Russland?
Harry Gartler: Die Stadien sind optisch sehr schön, teilweise schon fast futuristisch, was der modernen Architektur geschuldet ist. Auch ihre Kapazitäten sind top, gar keine Frage. Außer in Jekaterinburg, wo sie extra die Außentribünen angebaut haben. Da wurde die Kapazität nicht erreicht, das war eine Fehlplanung. Mir gefällt aber, wie unterschiedlich die Stadien sind, da sie von verschiedenen Architekten geschaffen wurden.
Kommt es darauf beim Stadionbau wirklich an – müssen Stadien heute unbedingt schön und spektakulär sein? Oder sollten sie nicht einfach nur Fußballspiele beherbergen können?
Harry Gartler: Am wichtigsten ist, dass die Raumplanung und Tribünenplanung den Anforderungen entsprechen. Wenn ein Architekt es aber daneben schafft, das Stadion modern und schön zu gestalten, so wie bei unserem Allianz Stadion in Wien, dann ist das umso besser. Natürlich geht es grundsätzlich um Fußball, doch man muss beim Stadionbau auch an eine Drittnutzung denken, um damit Einnahmen zu lukrieren, die den Betrieb erhalten.
Dass genau das nicht mit den russischen Stadien nach der WM passiert, steht aber zu befürchten. Hätten vielleicht weniger Stadien gebaut werden sollen?
Harry Gartler: Das ist schwierig zu sagen, immerhin ist die Zahl der teilnehmenden Teams sehr hoch. Hätte man die Anzahl der Spielstätten komprimiert, wäre wieder die Belastung für die Rasen der einzelnen Stadien zu hoch. Wenn dann noch das Wetter nicht mitspielt, hat man wirklich einen Stress. Viele Stadien sind also schon gut.
Wenn die Anzahl der Stadien an die hohe Teilnehmerzahl angepasst sein soll, dann muss man sich aber auch fragen, ob die hohen Entfernungen Sinn machen. DieJekaterinburg-Arena beispielsweise ist bereits 1.790 Kilometer von Moskau entfernt.
Harry Gartler: Ja, aber die Gruppen sind schon auf die Stadien aufgeteilt. Russland ist nun mal ein sehr großes Land, da ergeben sich solche Distanzen. Es steht schließlich auch zu hoffen, dass die Stadien eine Weiternutzung für Fußballvereine erfahren, da ergibt dann die breite Fächerung auch wieder Sinn. Wenn wir Stadien für eine EM in Österreich und der Schweiz planen, gehen wir das in Hinsicht auf die spätere Nutzung natürlich ganz anders an.
Die vielen Stadien und ihre Größen machen diese WM auch zur teuersten aller Zeiten – und das schlägt sich in den Ticketpreisen nieder, die noch sie so hoch waren. Ist es gerechtfertigt, die Zuschauer auf diese Weise mit den Kosten zu belasten?
Harry Gartler: Nein, für den Stadionbau gibt es ein eigenes Budget und das sollte auch vorhanden sein. Die Ticketpreise sollten immer normal bleiben.
Bei den hohen Baukosten ist es besonders bestürzend, wenn ein Stadion bereits jetzt Betonrisse aufweist – wie in Wolgograd. Als Grund wird das Feuchtgebiet genannt, auf dem das Stadion steht. Ist das Ihrer Meinung nach eine angemessene Begründung?
Harry Gartler: Wenn bekannt ist, dass es sich um ein Feuchtgebiet handelt, dann muss vor dem Bau ein geologisches Gutachten eingeholt werden. Gegebenenfalls müssen dann noch Bodenverbesserungsarbeiten durchgeführt werden. Aber dass das Bodenfundament passt, das ist die absolute Basis für den Bau.
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