Korruption am Bau : Warum stürzt in Italien alles ein?

Leichte Erdbeben, große Folgen

Es war nur ein leichtes Erdbeben am 22. August 2017 auf der Vulkaninsel Ischia – Stärke 4,0. Da sieht man, dass sich etwas bewegt, Schäden gibt es aber meist keine. Doch in dem Fall vor einem Jahr kamen zwei Menschen ums Leben. Stärker war die Erdbebenserie in Mittelitalien 2016. Doch auch hier hätten nicht 298 Menschen ihr Leben lassen müssen, wären die Zerstörungen an ihren Häusern nicht so katastrophal gewesen – wären sie besser gebaut worden. Bauvorschriften wurden missachtet, die Häuser auf Ischia waren teils illegal errichtet worden – ein besonders in der Region um Neapel weit verbreitetes Problem.

Illegales belohnen

Nach der ersten schwereren Erdbebenserie 2016 gelobte die Regierung – damals noch unter Matteo Renzi –, dem illegalen Bau Einhalt zu gebieten. Sogar ein heimeliger Name wurde für das Jetzt-gehen-wir’s-aber-wirklich-an gefunden: Casa Italia. Renzis Nachfolger Paolo Gentiloni, mittlerweile ja auch nicht mehr im Amt, wollte die Initiative mit der Idee weiterführen, insgesamt zwei Milliarden Euro als Subventionen anzubieten, dass illegale und unsichere Häuser saniert oder andernorts neu gebaut würden. Und dann verlor sich das Ganze irgendwie im Sand. Nur Befürworter hatte das Vorhaben, Bausünder auch noch mit Geldern für Sanierungen zu „belohnen“, ohnedies nicht. Der Präsident der nationalen Anti-Korruptions-Behörde, Raffaele Cantone, forderte ganz zu Recht, dass illegale und unsichere Häuser einfach sofort konfisziert werden müssten.

Sportlicher Abbruch

Nicht alle Bausünden Italiens sind heimlicher Natur. 2007 entschied sich Rom für eine „Stadt des Sports“ – ein Großprojekt am südlichen Stadtrand mit verschiedenen Sportstätten aus der Hand des spanischen Architekten Santiago Calatrava. Ein Jahrzehnt später: 330 Millionen Euro verschwunden, am Grund der noch nicht einmal fertiggestellten Schwimmhalle. Und diese die einzige Stätte, die in dem Projekt begonnen wurde. Langsam wächst das Moos über das teure, ambitionierte Projekt, das bisher noch keinen Sportler gesehen hat und wohl auch nie sehen wird.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wer im Falle des Einsturzes der Morandi-Brücke wen beschuldigt und warum der Kampf gegen Korruption nicht fruchtet.

Das Grauen von der Morandi-Brücke

Mittlerweile wurde die Zahl der Todesopfer beim Einsturz der Morandi-Brücke in Genua auf 38 Menschen präzisiert, darunter drei Kinder. Von den 16 Verletzten schweben neun in Lebensgefahr. Noch immer wird nach Überlebenden unter den Trümmern gesucht, Experten glauben hier aber kaum mehr an ein Wunder. Doch es muss weitergesucht werden, denn es gibt noch Vermisste. Vizeministerpräsident Luigi Di Maio beschuldigt indes den Autobahnbetreiber – die vierspurige Brücke ist Teil der Autobahn A10 – Autostrade per l'Italia. Heute, Donnerstag, warf Di Maio dem Betreiber bei einem Radioauftritt vor, sich mehr für Gewinn denn die Sicherheit zu interessieren. Er drohte außerdem damit, die Autobahnen demnächst zu verstaatlichen. Innenminister Matteo Salvini pflichtete den Anschuldigungen bei. Autostrade per l'Italia würde durch Mautgebühren Milliarden einnehmen, doch nicht wie vorgesehen in die Sicherheit stecken. Der Betreiber meint aber, alle Vorschriften eingehalten zu haben, indem die Brücke alle drei Monate kontrolliert wurde.

Spiel ohne Regeln

Wer glaubt, dass Italiens allzu leicht einstürzende Bauwerke an einem Mangel an Vorschriften und Auflagen liege, der irrt. Der Kampf gegen die Korruption im italienischen Baugewerbe ist nämlich in eine wahre Regulationsflut ausgeartet. Nur bringen auch die strengsten Auflagen nichts, wenn sie nicht eingehalten werden. Der Korruption geht es weiterhin gut und solche Arbeiten, die sauber vonstatten gehen, brauchen oft viel zu lange. So gehört italienische Wassernetz eigentlich dringend saniert. In dem heißen Land, in dem es in einigen Regionen ohnedies schon immer wieder Warnungen wegen Wassermangels gibt, gehen im Schnitt 30 Prozent des Wassers durch löchrige Leitungen verloren. Auch die Kanalisation müsste abgedichtet werden und die meisten Straßen renoviert. Währenddessen werden in anderen Fällen, wie möglicherweise auch bei der jüngst eingestürzten Brücke, die Vorschriften auf dem Papier eingehalten – aber eben nur auf dem Papier. Denn wären die Kontrollen an der Brücke wirklich vorschriftsgemäß durchgeführt worden, wäre sie wohl kaum in die Tiefe gestürzt.

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