SOLID 11/2020 : Video: "Alle sollen alles wissen"

SOLID: Auf LinkedIn haben Sie kürzlich gepostet: meine Firma ist ein bisschen wie Star Trek. Wie passt das zu einem Holzbaupionier?

Rhomberg: Ich habe in den 90ern sehr viel Star Trek geschaut und dort gab es mit den Borg eine Spezies, die mich sehr fasziniert hat. Die waren zwar ein bisschen unsympathisch in dem, was sie taten, aber ihre Eigenschaft hat mich fasziniert, dass jedes Mitglied der Community automatisch immer alles gewusst hat, was alle anderen wissen und umgekehrt. Und das galt auch für neu Hinzukommende.

https://youtu.be/bs7vlalJIco Sehen Sie hier das Video vom gesamten Gespräch mit Hubert Rhomberg

Wenn man sich das Potenzial vorstellt, das in Unternehmen herrscht – wenn wir alle gemeinsam wüssten, was jeder von uns weiß, wäre das ein Quantensprung! Das ist für mich die Zukunft der Wirtschaft, ja sogar die Zukunft des Planeten.

Wie stellt man sich diese Zukunft genauer vor?

Rhomberg: Alle sprechen immer von neuen und grünen Technologien und Klimaschutz. Das werden wir auch brauchen, aber das wird sich zeitlich nicht ausgehen, wenn jeder für sich ein Patent entwickelt und sagt: das gehört jetzt nur mir und ich muss erst zehn Jahre ein Geschäft damit machen. Das geht so nicht. Wenn wir nicht all unser Wissen zur Lösungsfindung teilen, werden wir als Menschheit ein Problem kriegen.

Und was heißt das für ein Unternehmen wie Ihres?

Rhomberg: Man lacht immer, wenn ich sage: ich möchte mit Cree (einer auf nachhaltige Gebäude spezialisierten Rhomberg-Tochter, Anm.) die größte Baufirma der Welt werden. Ich muss mich da auch korrigieren: es wird nicht die biggest construction company, aber es wird das biggest construction collective. Darum Star Trek und darum Borg – weil wir lernen müssen, unser Wissen zu teilen.

Ich baue kein Investment mehr, das nicht mit Nachhaltigkeit und nicht mit dem Teilen von Wissen zu tun hat.

Und im Unternehmen selber heißt es: wenn man diese Einstellung nicht aufbauen kann – und das geht nicht von heute auf morgen, das muss man vorleben und neue Dinge tun -, werden wir es nicht schaffen. Wir müssen in der Firma auch darüber nachdenken, was wir belohnen. Denn das, was wir belohnen, das bekommen wir.

Ich nehme an, Sie sehen dann nicht die Strabag oder Vinci als Konkurrent für Cree an, sondern eher Apple, Amazon, Google & Co.?

Rhomberg: Es gibt ja einige Unternehmen, die diesen systematisierten Ansatz verfolgen – zB die Familie Goldbeck, aber auch Katerra in den USA. Und es gibt neue mit einem ähnlichen Approach wie Tesla – wo ich nicht ganz objektiv bin, weil ich Mitgründer bin. Gropyus wird sicher eine Art Tesla des Bauens werden. Die sind alle vertikal integriert, werden aber nie alles bauen können. Wenn ich fünf von denen nebeneinander stelle, habe ich fünf Prozent der Bauleistung – und wir setzen mit Cree bei den anderen 95 an. Wir wollen nicht als Unternehmen so groß sein und Investoren anziehen, sondern wir wollen alle anderen befähigen, es zu tun – ohne dass wir es besitzen.

Wenn Google das heute versucht, sind sie lange nicht so schnell und so weit wie wir, egal wie viele Ingenieure sie einsetzen, denn der Produktlebenszyklus beim Gebäude dauert zwei, drei Jahre.

Wir brauchen dazu nur Leute und Firmen mit dem gleichen Mindset – die teilen dann auch gerne. Wer sich nur schnell optimieren und schnellen Gewinn machen will, kommt gar nicht zu uns.

Woran verdienen Sie in diesem Modell?

Rhomberg: Da gibt es verschiedene Modelle. Wir sind heuer im zehnten Jahr und haben wirklich sehr viele Fehler gemacht und dabei sehr viel gelernt. Wir haben Gebäude gebaut und dabei gelernt und das hilft uns enorm, denn jeder neu Einsteigende tut sich da hart.

Womit verdienen wir Geld? Zuerst sind wir ein bisschen Richtung GU gegangen, dann haben wir gesagt: wir verkaufen Knowhow, dann waren wir mehr Planer – aber die Frage war: was sind wir eigentlich? Und die Antwort ist: wir sind eine Plattform und geben zum Beispiel unser gesamtes Knowhow an einen Kunden in der Schweiz weiter und zahlt dafür ein Mal zum Beispiel eine halbe Million. Er spart sich damit aber enorm Zeit und ein paar Millionen. Und dann bekommen wir für jeden Quadratmeter 20 Euro.

Wie kontrollieren Sie das?

Rhomberg: Die digitalen Zwillinge der Gebäude liegen ja bei uns, also kann man es ganz leicht nachrechnen. Wenn ich viele Partner mit vielen Gebäuden haben, wird da einiges an Cash generiert, ohne dass ich zusätzlichen Aufwand habe. Gleichzeitig zahlen alle in den Content ein und lernen voneinander. Ich bin da so wie facebook – wir sind nur Kuratoren, uns gehört der Content nicht. Wir schauen nur, dass auf der Plattform Dinge sind, die nachhaltig sind und die auch funktionieren.

Da kommen jetzt sogar Green Funds auf uns zu und fragen, ob sie bei uns für 100 Millionen Projekte kaufen können, denn sie müssen investieren. Und ich antworte dann: ich habe selber keine – aber ich habe Partner, die Projekte haben. Und so wird das alles ein komplett anderes Business.

Das wie aussieht?

Rhomberg: Das riesige Potenzial liegt im digitalen Zwilling. Wenn sie zu mir kommen und ein Bürogebäude mit zehn Stockwerken und bestimmten Eigenschaften kaufen wollen, macht der Architekt einen Entwurf und wir das Generative Design, dann entscheiden wir, welche Produkte da drin sind. Sie suchen ja nicht die Lüftungsklappen aus oder die Heizkörper, sondern sie wollen das Produkt. Alles andere entscheiden wir – und zwar dann, wenn der digitale Zwilling entsteht.

Die da draußen, die auf eine Ausschreibung warten – die warten ewig! Wir nehmen hier eigentlich ein Volumen vom Markt. Aber der Hersteller, der bei uns gesetzt ist – von dem bekomme ich fünf Prozent. Wenn sie nicht im digitalen Zwilling sind, kommen sie nicht mehr vor. Das ist die Brutalität des zukünftigen Marktes – zwar nicht in allen Bereichen, aber in manchen. Und das ist das Geschäftsmodell von Cree. Wir wollen auf der ganzen Welt Millionen von Quadratmetern von anderen bauen und über diese Fees in Summe auf zwei bis drei Prozent der Projektvolumens kommen – ohne das Umsetzungsrisiko zu haben.

Das ist die Idee. Ob es funktioniert, werden wir beide in ein paar Jahren beurteilen können.