Kommunalbau : Schöne neue Welt

„Da kann man nur jubeln“, sagt Alois Guggi. Der Bürgermeister von Gröbming in der Steiermark hat einen guten Grund für seine Freude. Die auf seinem Gemeindegebiet in Winkel ansässige Freiwillige Feuerwehr platzt aus allen Nähten und ist veraltet. Ein Um- und Zubau ist dringend notwendig. Die Feuerwehr wird 40 Prozent der Leistungen selbst erbringen. Die Gemeindekasse steuert 20 Prozent bei. „Wir rücken zusammen und nur so können wir Projekte finanzieren“, sagt Guggi.

Dabei ist Gröbming eine Gemeinde, in der Bauprojekte derzeit gar kein Problem zu sein scheinen. Ein Schwimmbad um 4,5 Millionen Euro wird fertig gestellt. Das Abfallsammelzentrum wird um 70.000 Euro erneuert. Eine neue Fachschule für um 10,8 Millionen Euro ist Mitte Mai genehmigt worden. Die Schule wird abdecken, was hier gebraucht wird: Landwirtschaft und Ernährungwirtschaft, Tourismus und Pflegeberufe in Richtung Tagesmutterausbildung. Die Gemeinde fällt zugegeben etwas aus dem allgemeinen Trend heraus.

Statt wie andere Kommunen Abwanderung in die Städte zu erleben, nahm die Bevölkerung um 11,5 Prozent zu. Jugend und alte Menschen ziehen hierher, da mit Pflegeheim, Einkaufsmöglichkeiten und ganzjähriger Kinderbetreuung die Gemeinde für die Bewohner attraktiv ist.

Prekäre Lage

Dabei befinden sich die Gemeinden derzeit in einer schwierigen Lage. Heuer werden 821 Gemeinden nicht mehr ausgeglichen bilanzieren können. Das ist immerhin jede dritte der 2357 österreichischen Gemeinden. „Derzeit herrscht relativer Stillstand am Bau. Die Kommunen haben kein Geld um zu investieren. Das liegt am starken Rückgang der Steuern auf Einnahmenseite und den stark angestiegenen Ausgaben“, sagt Daniel Kosak, Pressesprecher des österreichischen Gemeindebunds.

Der Sozialtopf für Gemeinden erweist sich als Fass ohne Boden. Durch ein Umlageverfahren sind die Kommunen an der Sozialhilfe beteiligt. Für den Bereich „soziale Wohlfahrt und Wohnbauförderungen“ müssen die Kommunen pro Jahr 1,6 Milliarden Euro ausgeben. Ähnlich ist die Entwicklung beim Pflegegeld.

Dieser Druck kommt von ganz oben. Die Schulden des Bundes sind im letzten Jahr erstmals über 200 Milliarden Euro angestiegen. Dem Staat drohen im Jahr 2013 daher 15,2 Prozent seines Budgets für Zinsen und Finanzierungskosten aufwenden zu müssen, berechnete der Rechnungshof. Im Nacken sitzt der Regierung der Stabilitätspakt.

Dieser Druck und die Kosten werden über den Finanzausgleich an Länder und Gemeinden abgewälzt. Auf der Einnahmenseite haben die Gemeinden voriges Jahr starke Rückgänge hinnehmen müssen. 2009 kamen 400 Millionen Euro weniger in die Kassen, heuer werden es immerhin weitere 200 Millionen weniger sein. Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer will mit Bundespräsident Heinz Fischer einen „Pakt für Österreich“ schließen um die Gemeinden wieder handlungsfähig zu machen.

Ganz handlungsunfähig sind Gemeinden jedoch nicht. Und kluge Lösungen finden sich immer wieder. Beispielsweise wurde in der Gemeinde Maishofen, im Salzburger Pinzgau, eine bauliche Lösung für die aufgelassene Kläranlage gefunden. Statt 100.000 Euro in den Abbruch und in die Entsorgung zu investieren. Das kostete zwar fünf Mal so viel, aber die neuen Kellerräume werden für den Bauhof verwendet. Darüber könnten in Zukunft Feuerwehrzeugstätte oder Musikerheim errichtet werden.

Finanzierbar

Finanziell sind die Kommunen in der jetzigen Misere trotzdem nicht ganz handlungsunfähig. „Im Wohnbau ist ein gut durchgerechnetes Projekt mit 20 Wohnungen auf 15 Jahre durchaus finanzierbar“, weiß Daniel Kosak. Allerdings sind die Zeiten vorbei, in denen die Gemeinden als die besten Schuldner galten. Heute sucht man nach PPP-Modellen oder Contracting Modellen, da die Banken mehr Sicherheiten verlangen. „Die Gemeinden bleiben ein wichtiger öffentlicher Investor“, heißt es aus der Vertriebsabteilung der Kommunalkredit Austria.

Die Anfragen zur Finanzierung wichtiger Infrastrukturprojekte zur kommunalen Daseinsvorsorge sind unverändert geblieben. Und doch ändert sich etwas. „Der quantitative Wettbewerb dürfte vorbei sein. Der zukünftige Investitionsbedarf wird nicht allein über allgemeine Haushaltsfinanzierung gedeckt werden. Aber durch das Heranziehen von Projektlösungen ist es möglich, die notwendigen Infrastrukturlösungen auch im jetzigen Umfeld vorzunehmen.“

Sanieren ist im Trend

Vor allem im großvolumigen Neubau von Wohnungen sieht die Lage nicht gut aus. „Der Abwärtstrend geht weiter“, sagt Wolfgang Amann, Leiter des IIBW-Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen. Weniger Neubau steht einem Trend zu Sanierungen und Renovierungen gegenüber.

Die Sache hat jedoch einen Haken: „Seit 2007 liegt die Verantwortung für den Mitteleinsatz für die Wohnbauförderung ausschließlich bei den Ländern. 2008 ist damit auch das letzte Jahr, für das detaillierte Daten zur Verfügung stehen.“ Denn der Umbau der Wohnbauförderung im Jahr 2007 brachte eine gefährliche Neuerung: die Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel des Bundes fiel weg. Was so viel heißt wie: wohin das Geld fließt liegt in der Eigenverantwortung der Länder.

„Angesichts rückläufiger Steuererträge und umfangreicher neuer Aufgaben für die Länder besteht ein hohes Risiko, dass die Länder die Wohnbauförderung entgegen ihrem Zweck verwenden“, sagt Amann. Im Herbst 2008 vereinbarten Bund und Länder die Wohnbauförderung in den Dienst des Klimaschutzes zu stellen. Das wirkt sich positiv auf Sanierungen aus und Bauaufträge aus.

Kluge Ideen und Umsetzung

Beim Sanieren denken die Bauherren an den Mehrwert. In der oberösterreichischen Gemeinde Obertrum wird das ehemalige Lagerhaus in ein Vereinshaus umgewandelt. Ursprünglich 1980 errichtet, also gar noch nicht so alt, wird energetisch aufgerüstet, mit einer Lüftung mit Wärmerückgewinnung ausgestattet und an das kürzlich errichtete Heizwerk für Waldhackgut angeschlossen.

Noch weitere energietechnische Möglichkeiten setzte ein niederösterreichisches Projekt um. Da die Volksschule zu klein und unmodern war, wurde sie um 2,2 Millionen Euro saniert, ausgebaut und zugleich eine neue Musikschule angeschlossen. Die Wettbewerbsvorgaben waren zeitlich knapp bemessen. „Während der Schulferien sollte alles so weit fertig sein, dass die Schülerinnen und Schüler im Herbst ungestört mit dem Unterricht beginnen.“ sagt Josef Schmidt von Teynor/Schmidt Architects in Ternitz.

Mit Holzbauelementen war diese Leistung zu schaffen. Trotz enormen Zeitdruck nützte die Gemeinde die Gelegenheit um hier erstmals in Österreich eine Foliendach zu realisieren. Auf knappen 500 Quadratmeter Dachfläche wird nun während die Schüler büffeln Strom aus Sonnenenergie erzeugt.

Modernes Licht

Großes Potenzial liegt für die Kommunen im Energiesparen und Umsteigen auf moderne Technologien. Immer mehr Gemeinden setzen auf Energieautarkie. In der niederösterreichischen Stadt Tulln werden eine vollbiologische Kläranlage und ein Blockheizkraftwerk gerade fertig gestellt. Zugleich wird der Energieverbrauch der öffentlichen Beleuchtung Schritt für Schritt optimiert. Das EU-Projekt SEMS – Sustainable Energy Management – unterstützt die Tullner Umstellung von fossiler auf erneuerbare Energie.

Dieser Trend setzt sich bis zur Straßenbeleuchtung durch. Denn in vielen Gemeinden ist die öffentliche Beleuchtung veraltet. „Bei der Außenbeleuchtung, aber auch bei der Innenbeleuchtung, etwa bei Kindergärten, Pflegeheimen und Schulen, könnten Einsparungen von bis zu 50 Prozent erreicht werden“, sagt Manfred Müller vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie. In der Gemeinde Oggau am Neusiedlersee wurde mit der Modernisierung der Beleuchtung bereits begonnen.

Bürgermeister Ernst Schmidt berichtet, dass rund 30 Prozent weniger Strom verbraucht wird. Mit knappen 70 Prozent Einsparungen rechnet Bürgermeister Josef Seifried von der oberösterreichischen Gemeinde Kematen am Innbach durch die neue LED-Technologie. Die 50 Jahre alte Ortsbeleuchtung wird um 480.000 Euro erneuert und erweitert. Die Verkabelung ist schadhaft. Nun werden 3,5 Kilometer Kabelnetz unterirdisch verlegt, die Masten erneuert und mit modernsten Beleuchtungskörpern aufgerüstet. Die Investition wird sich in einigen Jahren rechnen.

Dazu kommt noch eine ganz anderes Aufgabenfeld mit Sparpotenzial in den Gemeinden. Denn sie verwalten ihre Immobilien lang noch nicht so effizient wie die Privatwirtschaft. Klaus Lettenbichler, Lehrgangsleiter für Facility Management an der Donauuniversität Krems, rechnete nach: Die öffentliche Hand gibt zwischen 15 und 20 Prozent jährlich für das Drumherum der Immobilien aus, die Privaten dagegen zwischen 5 und 15 Prozent.

In den Kommunen ändert ist das Selbstbild der Bauherren. Mehr Mut und innovative Ideen bringen die Kommunen einen großen Schritt weiter: weg vom verstaubten Image, hin zu einer privatwirtschaftlichen Art zu denken, vor Banken zu argumentieren und umzusetzen. Da hat Bürgermeister Alois Guggi, als Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft, einen Vorteil mitgebracht ins Amt. Aber die anderen können es auch.