Zu teuer? : Pro und Contra Passivhaus

Eine Bestätigung des hohen Wohnkomforts in Passivhäusern sowie die Erkenntnis, dass das Zusammenspiel von Technik und Nutzerverhalten den Energieverbrauch stärker als angenommen beeinflusst - das sind zwei der wesentlichen Ergebnisse einer Studie, die das Forschungszentrum Nutzerzentrierte Technologien der FH Vorarlberg und das Innsbrucker Wissenschaftsunternehmen alpS GmbH im Auftrag von Rhomberg Bau durchgeführt haben.

Dabei wurden zwei Gebäude des Wohnparks Sandgrubenweg in Bregenz von Juni 2010 bis März 2013 hinsichtlich Energie- und Ressourcenverbrauch und menschlichem Empfinden untersucht. Konkret wurden 19 Wohnungen in einem Passivhaus (Ökostandard 3 nach Wohnbauförderungsrichtlinien 2007) und 21 Wohnungen in einem Niedrigenergiehaus (Ökostandard 2 nach Wohnbauförderungsrichtlinien 2007) für die Studie über einen Zeitraum von 34 Monaten mit Zählern und Sensoren ausgestattet. Neben dem Wärmeverbrauch wurden auch die für das Raumklima entscheidenden Faktoren erhoben - von Temperatur und Luftfeuchtigkeit über Kohlendioxidkonzentration und Luftstromgeschwindigkeit bis zur Beleuchtungsstärke und elektromagnetischen Strahlung.

Die von den Bewohnern wahrgenommene Einschätzung des Wohnkomforts erreicht in beiden Gebäudetypen gute bis sehr gute Werte. Insbesondere mit der Raumluftqualität zeigten sich die Bewohner sehr zufrieden. Die Ergebnisse bestätigen damit die Erwartungen, zeigen jedoch auf, dass im Hinblick auf den subjektiven Wohnkomfort praktisch keine relevanten Unterschiede zwischen Passiv- und Niedrigenergiehäusern bestehen.

Ein Kernergebnis ist für die Studienautoren der signifikante Zusammenhang zwischen Technik und Nutzerverhalten, in dem großes Optimierungspotenzial steckt. „Der Entwicklungsstand der eingesetzten Gebäudetechnologien ist hoch. Gleich bedeutend ist aber das Verhalten der Bewohner, die diese Technik bedienen", sagt Studienautor Guido Kempter von der FH Vorarlberg. „Da können schon sehr kleine Änderungen an den Einstellungen zu einer merklichen Zu- oder Abnahme des Energieverbrauchs führen."

Wie stark sich solche Änderungen auswirken können und damit von den für den Energieausweis berechneten Werten abweichen, zeigt sich insbesondere beim Heizwärmeverbrauch: Während beim Niedrigenergiehaus ein Ist-Wert von 38,4 kWh pro m2 und Jahr (kWh/m2.a) gegenüber den errechneten 36,3 kWh/m2.a gemessen wurde, weichen die Ergebnisse beim Passivhaus mit 39,9 kWh/m2.a deutlich vom geplanten Soll von 9,03 kWh/m2.a ab. Zudem weichen auch die Innenraum-Temperaturen von den geplanten Werten ab. „Die durchschnittliche Innentemperatur lag in den Passivhaus-Wohnungen mit 22,1°C deutlich über der angenommenen Soll-Innentemperatur von 20°C, was zu einem höheren Heizwärmeverbrauch führt", erklärt Kempter. „Pro Grad Celsius Temperaturerhöhung werden bis zu 15 % mehr Energie verbraucht." Überdies wurden die Be- und Entlüftungsanlagen von den Bewohnern der Passivhaus-Wohnungen auf höherer Stufe betrieben, was durch eine höhere Luftwechselrate wiederum den Heizwärmeverbrauch gesteigert hat.

„Die Energie, die man hineinstecken muss, um aus einem Niedrigenergiehaus ein Passivhaus zu machen, muss einen Sinn ergeben", sagt Hubert Rhomberg, CEO der Rhomberg Gruppe. Denn oft müssen für das Ausschöpfen der letzten 10 % des Energieeinsparungspotenzials neben finanziellen Mehrkosten so viele Ressourcen aufgewendet werden, dass der ökologische Rucksack, den wir uns dadurch aufladen würden, in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht."

„Das Passivhaus ist ein Nearly Zero Energy Building", haben bei der Expertenbefragung „Zukunft Bauen" der Unternehmensberatung Mag. Siegfried Wirth mehr als 60 % der befragten Bauexperten bestätigt. Fast so viele meinen aber auch: „Die EU-Gebäuderichtlinie kann auch durch Gebäudekonzepte erfüllt werden, die ohne Komfortlüftung auskommen." Und mehr als zwei Drittel sagen: „Das Passivhaus-Konzept muss angepasst werden, weil der Bedarf an Frischluft und Wärme nicht immer gleich groß ist".

Meinung gegen Meinung stand bei der Aussage „Das Passivhaus ist zu teuer, leistbares Wohnen ist damit nicht möglich" ebenso wie beim Hinweis „Das Passivhaus funktioniert nur beim Neubau - für Sanierungen ist das Konzept nicht geeignet". Während bei den Bauexperten Zustimmung und Ablehnung bei beiden Statements etwa gleich groß waren, sind die Konsumenten ausgesprochen skeptisch. Bei mehreren Messen registrierte Monika Döll von Saint-Gobain Isover Austria bei möglichen Sanierungsambitionen vor allem (63,5 %) starke Unentschlossenheit hinsichtlich des Energiestandards. 18,6 % wollen im Mindeststandard sanieren, 15,5 % auf Niedrigenergiehaus aufbessern und nur 2,4 % trauen sich Passivhaus-Standard zu. Döll zieht daraus den Schluss, dass „die meisten Menschen immer noch denken, dass Passivhaus-Standard in der Sanierung nicht erreichbar wäre. Wir müssen also erfolgreiche Projekte viel stärker bekannt machen. Wenn die Bauherren Beispiele sehen, wird sie das überzeugen."

Ein solches Projekt holte sich vor kurzem den Energy Efficiency Award. Ziel des Demonstrationsprojekts Wißgrillgasse 10 in Wien war eine hochwertige energetische Sanierung. Thermische Solaranlagen, Fotovoltaik, Dachbegrünung und einiges mehr machen das Projekt zu einem „Gründerzeithaus mit Zukunft", wobei von der Fachjury vor allem der Dachgeschoßausbau in Passivhausqualität akklamiert wurde. Dank Vollwärmeschutz am gesamten Gebäude und den Austausch sämtlicher Fenster und Türen konnte der Heizungsenergiebedarf um beachtliche 81 % und der CO2-Austoß um 155,21 T/Jahr gesenkt werden.

Im Gewerbebereich entdeckte SOLID als aktuelles Vorzeigeprojekt die neue Straßenmeisterei Seekirchen. Beim Architekturwettbewerb hatte sich das Team von LP architektur rund um Geschäftsführer Thomas Lechner mit einer ausgeklügelten Beton-Holz-Mischbauweise für die Büro- und Sozialräume für rund vier Dutzend Mitarbeiter, Werkstätten, Garagen, Lager und Salzlagerhalle mit Soleerzeugung auf einer Nutzfläche von 4600 m2 durchgesetzt. Um die maximale Energieeffizienz der Straßenmeisterei zu meistern, kamen an den Kelleraußenwänden und unter der Bodenplatte innovative Dämmplatten von Steinbacher zum Einsatz. „In Kombination mit dem zukunftsweisenden Energiekonzept stellt das Projekt einen Wegweiser für nachhaltiges Bauen im Bereich der Gewerbebauten dar", meint Peter Sittsam von der Landesbaudirektion Salzburg. (pj)