Österreich : ORF-Umbau: bleibt alles besser?

Der ORF ist nicht nur im Alltag durch seine Programme im Leben der Österreicher präsent, jetzt beschäftigt er immer öfter auch die Medien, weil eine neue Großbaustelle mit Millionen Kosten ansteht: Die Sanierung und der Umbau des von Architekt Roland Rainer errichteten Baus am Küniglberg.

Und diese Kosten sind, so scheint es, weder genau kalkuliert noch irgendwie absehbar. Ein fast typisch österreichisches Phänomen?

Am Anfang stand die Diskussion um den ORF-Standort. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl wünschte sich das „Mediaquarter St. Marx“ unter Einbeziehung des ORF. Um diese Übersiedlung zu rechtfertigen, wurde der Umzug aller ORF-Standorte an einen Punkt vorgeschlagen. Die Verwertung des ORF-Standorts am Küniglberg zur Finanzierung des neuen Standorts scheiterte nicht nur an denkmalschutzrechtlichen Fragen und am katastrophalen baulichen Zustand.

Man hätte, um bis zuletzt senden zu können, die komplette Infrastruktur ein zweites Mal anschaffen müssen und das waren zu hohe Kosten.

Innendämmung wäre besser gewesen

2006-07 begann der ORF von sich aus, Teile der Fassade des Rainerbaus mit VWS zu versehen. Eine - nach Meinung etlicher Fachleute - falsche Vorgangsweise. Man zerstört mit der Verpackung aus Styropor klarerweise sämtliche Proportionen und in 20 Jahren ist das VWS-System als Sondermüll ein Problem. Eine von Architekt Jürgen Radatz (langjähriger Mitarbeiter von Rainer) vorgeschlagene Innendämmung mit mineralischen Kalziumsilikat-Platten wurde mit allen möglichen Argumenten vom ORF und auch vom BDA negiert.

Radatz erzählt auch, dass der ORF alle Bestrebungen des Denkmalschutzes für eine Unterschutzstellung des Baus auf heftigste juristisch bekämpft hat, „obwohl die Innendämmung sowohl aus denkmalschützerischer wie auch aus technischer Sicht die bessere Lösung und machbar gewesen wäre. Das BDA hat damals dem Druck des ORF nachgegeben.“

Der ORF als Betreiber wollte aus wirtschaftlichen Gründen gar keinen Schutz. Architekt Wehdorn verfasste im Mai 2011 eine Studie in denkmalschützerischer Hinsicht über die Sanierung bzw. Erhaltung und Weiternutzung des ORF am Küniglberg. Welche Gebäudeteile die Studie betraf (nur Rainer oder alle Teile), ist nicht in Erfahrung zu bringen. In dieser Frage ist es überhaupt sehr schwierig, an sachdienliche Auskünfte zu kommen. Es schwirren Medienberichte herum, dass die geschätzten Kosten von 300 Mio. Euro viel zu gering angesetzt sind und Architekt Wehdorn, der die Studie im Auftrag des ORF verfasst hat, darf keinerlei Auskünfte zu seiner eigenen Studie geben.

Jedenfalls sollte die Studie Klarheit für den ORF bringen, welche Teile für eine Unterschutzstellung infrage kämen. Auf mögliche Parallelen zum Wienmuseum von Oswald Haerdtl (hier meinen Fachleute, dieser Bau sei nicht der Beste von Haerdtl und nicht unbedingt erhaltenswert) angesprochen meinte er: „Der Rainer‘sche Bau von 1957 ist ein großartiges Beispiel des Weitblickes von Roland Rainer. Meine Studie stellt klar, dass man einfach nur den Bau weiterführen muss. Der Grundgedanke von Rainer beruht auf einer Art Verkehrsströme, an die angedockt wird. Der Bauteil „Roland Rainer I“, der Nukleus von Rainer, ist ein genialer Baukörper und ein architektonisches Monument. Egal was in den Körper hineinkommt oder hineinkommen soll, er ist ein Denkmal. Das steht ja auch im Zusammenhang mit der Gründung des ORF. Diese immateriellen Werte sind mit Geld nicht aufzuwiegen.“

Offenlegung? Nein danke

2012 verfasste das damalige Roland Rainer-Komitee ein Schreiben an Wrabetz und ersuchte um Auskunft über: Offenlegung der Vorstellungen des ORF im Hinblick auf mögliche Absiedlungspläne, Offenlegung des vorgesehenen Umgangs mit den Gebäuden am Küniglberg (Nutzung, bauphysikalische, bauästhetische Maßnahmen, etc.), Einbindung des Roland Rainer-Komitees in alle wesentlichen Pläne und Entscheidungen. 2014 ging das Wiener Architektenteam Riepl Kaufmann Bammer Architektur als Sieger aus dem Wettbewerb für die Neubauteile des ORF hervor.

Bezüglich der mittlerweile bereits kolportierten Abspeckung ihres Siegerprojektes halten sich die Architekten bedeckt und verweisen auf eine Vereinbarung gegenüber dem ORF und dass sie nicht befugt seien, Auskünfte zu erteilen.

Dass der Rainerbau in seiner Grundsubstanz erhalten werden soll, steht eigentlich außer Zweifel. Die immateriellen Werte (u. a. Gründung des ORF) überwiegen gegen einen Abbruch. Auch wenn dieser vielleicht nachhaltiger (im Sinne der gesamten Lebenszykluskosten) wäre. Bei den kolportierten 300 Mio. Euro ist aber unklar, welche Maßnahmen sie umfassen: Sanierung und Neubau oder nur Sanierung, wenn Sanierung – welches Ausmaß und welche Bauteile? Architektin Martha Schreieck meinte dazu: „Von uns (als Rainer-Schüler) wollte der ORF wissen, welche Teile man wegreißen könne. Wir haben ihnen gesagt, das könne man nicht a priori sagen, dazu müsse man wissen, wie der „neue“ ORF funktionieren solle, da müsse eine Studie gemacht und der Bedarf erhoben werden. Das war aber nicht das, was die hören wollten und die Sache ist eingeschlafen. Wir haben keinen Auftrag bekommen. Dann sind die 300 Mio. in den Medien herumgeschwirrt. Keiner hat je gewusst, was bei diesen Zahlen geschätzt wurde. Die Sanierung des „Bauteil Rainer I“ kann jedenfalls nicht 300 Mio. Euro kosten.“

"Abstimmungsprozess kann mehrere Jahre dauern"

Also versuchte SOLID mit dem neuen kaufmännischen Direktor des ORF, Dr. Andreas Nadler zu sprechen. In seinem Sekretariat versprach man uns mehrmals einen Rückruf, der dann zwar auch erfolgte - aber auf die Frage, was es mit den 300 Mio. Euro auf sich habe, wieso die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert werde, erhielten wir nur folgende Antwort: „Weil wir noch immer im Abstimmungsprozess über Details mit dem BDA sind. Das wird noch mehrere Jahre dauern und in einem laufenden Verfahren werden keine Erklärungen abgegeben.“ Die Studie von Wehdorn ist ja im Mai 2011 gemacht worden und hat festgestellt, welche Teile schützenswert sind.

Um welche Details geht es nun? „Der Bau ist nicht nur außen, sondern auch innen denkmalgeschützt, da müssen Details diskutiert werden. Und das wird noch ein paar Jahre dauern.“ Betrifft die Summe von 300 Mio. Euro das gesamte Projekt, also Umbau, Renovierung und Neubau? „Zu den Kosten kann ich Ihnen leider auch nichts sagen.“ Aber die Summe ist ja öffentlich genannt worden? „Nicht von uns, das ist eine Vermutung.“ Dann sprachen wir noch mit Mag. Alexander Horacek, Unternehmenskommunikation des ORF. Auf die Frage nach der ominösen Summe von 300 Mio. hörte man erstmals klare Worte: „Dieser Betrag (genau 303 Mio. Euro) umfasst den Zubau am Küniglberg sowie die Sanierung von Teilen der Altbauten.“ Jedoch über die Zusammensetzung und Kalkulation dieser Summe gab es wiederum Erstaunliches zu hören: „Die Summe kommt aus dem Beschluss des Stiftungsrates von 2004. Es gibt eine von der Geschäftsführung vorgelegte Unterlage über Zubau und Erweiterung und die wurde vom Stiftungsrat so genehmigt. Das ist der vorgegebene Kostenrahmen und der ist einzuhalten.“ Heißt das nun, dass – egal wie – auf diesen Betrag hingespart werden muss? Das würde die Gerüchte um die Abspeckung des Wettbewerbsergebnisses erklären. Jedenfalls bleiben nach einigen Tagen der Recherche und unzähligen Telefonaten Fragen im Raum stehen: Warum werden keine Auskünfte über das Projekt erteilt? Will man etwas verschleiern oder verstecken? Welche Kosten kommen da auf den Steuer- und Gebührenzahler zu, bleibt es bei den 303 Mio. Euro? Und was passiert am oder mit dem Küniglberg?

Dieser Artikel entstammt der Ausgabe 04/2017 von "SOLID-Wirtschaft und Technik am Bau"