Deutschland : Offene Stellen und Auftragsablehnung erreichen Höchststand

Die Fertigstellungsraten entwickeln sich weiterhin positiv und immer noch stellt sich die Frage, wie viel die deutschen Verarbeiter überhaupt (noch) bauen können. Viele weitere Fragen wie das Verhältnis zwischen Neubau und Sanierung oder die Produktabsätze in den einzelnen Segmenten hängen von dieser Frage ab.

Um die Aspekte im Detail zu betrachten hat das Marktforschungsunternehmen B+L im Februar und März 2019 die 3. Welle ihres Kapazitätenpanels durchgeführt, um die Auslastung der Verarbeiter zu quantifizieren. In der aktuellen Welle haben 71,1 % der Verarbeiter angegeben, dass sie im Jahr 2018 Aufträge aufgrund fehlender Kapazitäten abgelehnt haben. Abbildung 1 stellt die Ergebnisse nach Gewerken dar. Mit Ausnahme der Trockenbauer ist die Ablehnungsquote im Vergleich zum Jahr 2017 in allen Gewerken gestiegen. So haben beispielweise 80,0 % der Dachdecker im Jahr 2018 Aufträge aufgrund einer zu hohen Auslastung abgelehnt (63,8 % im Jahr 2017), entsprechend ist hier die Ablehnungsquote mit +16,2 Prozentpunkten noch einmal deutlich gestiegen. Gleiches gilt auch für die Zimmerer sowie Schreiner und Tischler

m Jahr 2017 waren es überwiegend Bestandsmaßnahmen und Sanierungsprojekte, die von den Verarbeitern abgelehnt wurden. Ursächlich war eine Verschiebung der Kapazitäten in den Neubau. Die B+L hat diese Entwicklung ausführlich in ihrer Sanierungsstudie 2018 diskutiert. Die Studie ist mittlerweile für 5 europäische Länder verfügbar. Zwar wurden auch im vergangenen Jahr deutlich mehr Bestandsmaßnahmen und Sanierungsprojekte abgelehnt als Neubaumaßnahmen (hier wurde der grundsätzlich höhere Anteil der Sanierung an allen Aufträgen bereits berücksichtigt), jedoch ist der Anteil abgelehnter Bestandsmaßnahmen und Sanierungsprojekte rückläufig. Viele Verarbeiter geben an, wieder mehr Sanierungen im Projektvorlauf zu haben. Mittelfristig werden Bestandsmaßnahmen damit wieder an Bedeutung gewinnen.

Der demografische Wandel erfordert weiteres Handeln

Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage nach Kapazitätsausweitungen bei den Betrieben. Der Arbeitsmarktreport 2019 des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) beschreibt einen Mangel an qualifizierten Bewerbern im Bauhandwerk. Dies hat auch die aktuelle B+L Erhebung ergeben. Mehr als 1/3 der Betriebe wollten die Kapazitäten im vergangenen Jahr ausweiten, haben jedoch keine qualifizierten Mitarbeiter am Arbeitsmarkt gefunden. Dieses Ergebnis ist wenig überraschend wie ein Blick auf die Stellenerhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt.

Die offenen Stellen im Baugewerbe sind seit 2013 deutlich gestiegen. Im 4. Quartal 2018 lag die Anzahl der offenen Stellen im Baugewerbe bei 134.000, das ist ein Zuwachs von +37,4 % zum Vorjahresquartal.

Der DIHK-Arbeitsmarktreport aus dem Jahr 2018 verweist in diesem Zusammenhang aber noch auf einen weiteren Aspekt. Der altersbedingte Austritt von Mitarbeitern wird noch häufiger als eine expansive Geschäftstätigkeit als Grund für die Mitarbeitersuche genannt. Unabhängig von der Bauaktivität wird daher der Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge das Bauhandwerk zukünftig prägen, wenn eine große Gruppe an Fachkräften zeitgleich die Betriebe verlässt. Zwar hat das Handwerk wichtige Schritte ergriffen, um die Lehrlingszahlen zu steigern, doch ohne weitere Produktivitätssteigerungen wird es ab Mitte bzw. Ende der 2020er Jahre zu weiteren Engpässen kommen. Die Zuliefererindustrie muss auf diese Entwicklung reagieren. Produkte mit einem hohen Vorfertigungsgrad, Standardisierungen sowie serielles Bauen können zu den benötigten Produktivitätssteigerungen beitragen. Nur wenn entsprechende Lösungen gefunden und umgesetzt werden, lässt sich dem zukünftigen Fachkräftemangel erfolgreich begegnen. (Quelle: B+L)