Wissenschaft : Innsbrucker Physiker und ihr Quantenroboter

Ein theoretisches Konzept für Künstliche Intelligenz (KI), das Maschinen eine rudimentäre Form kreativen Verhaltens ermöglichen soll, haben Innsbrucker Physiker ausgearbeitet. Das vom Quantentheoretiker Hans Briegel und seiner Doktorandin Gemma De las Cuevas entworfene Modell wurde in der Fachzeitschrift "Nature Scientific Reports" veröffentlicht. Es könnte prinzipiell bereits mit existierenden Technologien - auch ohne Quantenphysik - umgesetzt werden. Erstmals könnten damit aber auch Quanteneffekte für die KI nutzbar gemacht werden - das Konzept weist den Weg zu zukünftigen Quantenrobotern.Eigentlich sind wir doch alle kreativ - jetzt auch schon die Roboter Heute bereits im Einsatz befindliche Roboter folgen zumeist nur starr vorgegebenen Regeln. Künstliche Intelligenz soll Maschinen dagegen einen kreativ-spielerischen Umgang mit ihrer Umgebung erlauben. Genau darauf zielt das von den Wissenschaftern des Instituts für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) präsentierte Konzept ab.In dem Modell von Briegel und De las Cuevas nimmt ein Agent (so nennen Experten ein Programm, das zu einem gewissen autonomen Verhalten fähig ist, Anm.) Eindrücke aus der Umwelt auf, verarbeitet diese in einem künstlichen Gedächtnis und spielt verschiedene Handlungsoptionen durch. "Das hat nichts mit Bewusstsein zu tun. Das sind keine höheren kognitiven Fähigkeiten, sondern ein physikalisches Konzept, das gewisse Wesenszüge von biologischem Verhalten auf ganz elementarer Ebene reproduziert", sagte Briegel im Gespräch mit der APA.Erfahrung als Clip Zentraler Punkt sei das "episodisch-kompositorische Gedächtnis", das Erfahrungen in Form von kurzen Fragmenten ("Clips") speichert. Sobald ein Agent mit einer neuen Situation konfrontiert wird, werden zufallsartig Clips mit ähnlichem Inhalt abgerufen. Dabei kann der Agent sein Verhalten aufgrund früherer Erfahrungen selbst modifizieren, kann auch selbst fiktive Clips erzeugen, die in der Folge wie reale Erfahrungen behandelt werden, und aus Erfolg und Misserfolg lernen. "Der Agent kann damit auf Basis früherer Erfahrungen plausible zukünftige Szenarien entwerfen und über das hinausgehen, was er selbst bisher erfahren hat", so Briegel in einer Aussendung der Uni.In ihrer Arbeit veranschaulichen die Physiker ihr Konzept anhand eines einfachen Computerspiels, bei dem der Agent vier Türen (oben, unten, links, rechts) gegen einen Angreifer verteidigen muss, indem er sich davor stellt. Der Angreifer gibt dem lernenden Agenten dabei einen Hinweis (etwa ein Pfeil nach oben, unten, links oder rechts), ehe er verschwindet und kurz darauf vor einer Tür auftaucht. Steht der Agent vor der betreffenden Tür, wird er belohnt, und weiß das nächste Mal, dass es sich lohnt, sich etwa bei einem Pfeil nach rechts vor die rechte Tür zu stellen.Was aber, wenn noch Türen schräg oben links, schräg unten rechts usw. dazu kommen und als entsprechender Hinweis des Angreifers ein Pfeil in 45-Grad-Richtung - also eine Situation, die der Agent nicht kennt? "Er muss jetzt lernen, dass es gut wäre, beide Motoren, also etwa nach links und nach oben, gleichzeitig einzuschalten", so Briegel, der den von ihm ausgestatteten Agenten durchaus in der Lage sieht, auf seiner internen Simulationsplattform entsprechende Clips zufällig so zu kombinieren, dass er erstmals eine solche komplexe Verhaltensweise lernt.Briegel vergleicht diese Situation mit einem krabbelnden Kind, das beginnt, sich an einem Stuhl hochzuziehen: "Damit es das kann, müssen schon alle erforderlichen Muskeln trainiert sein, aber das Kind hat sie vielleicht noch nie auf diese Weise koordiniert eingesetzt. Doch irgendwann macht es diesen Schritt - und wird mit einer völlig neuen, coolen Situation belohnt."Zentraler Punkt dabei ist, dass der Agent völlig zufällig zwischen den verschiedenen gespeicherten Clips hin und her springen kann - die Experten sprechen von "Random Walks", also völlig zufälligen Bewegungen. Und hier beginnt auch die Quantenphysik in das Konzept hineinzuspielen. Denn dort kennt man schon länger den Begriff eines "Quantum Random Walk".Dabei macht man sich die Phänomene der Quantenwelt zunutze. Dort gibt es nicht nur zwei Zustände (Ja/Nein oder 0/1) wie beim Bit, der kleinsten Informationseinheit in der Informationstechnologie. Ein Quantenbit (Qubit) kann vielmehr verschiedene Schwebezustände zwischen zwei Möglichkeiten einnehmen, weshalb man etwa in einem künftigen Quantencomputer mit mehreren Qubits bestimmte Probleme wesentlich schneller lösen könnte als in einem klassischen Computer.Umgelegt auf die aktuelle Arbeit bedeutet dies, dass ein Agent mit einem Quantenspeicher extrem rasch die verschiedenen Handlungsoptionen durchspielen könnte. "Meine Vision ist, das wir irgendwann in der in der Lage sind, auf Grundlage dieses Konzepts Roboter zu bauen, die sich in einer normalen klassischen Umgebung bewegen, aber einen Quantenspeicher haben und damit quantenparallel ihr episodisches Gedächtnis sehr rasch durchforsten können", so Briegel. (pm/apa)