Österreich : Immer mehr Polierinnen am Bau

Die Baubranche boomt, Aufträge gäbe es genug, doch mangelt es an qualifiziertem Personal. Kapazitätsengpässe prägen den Alltag. "Der Facharbeitermangel ist ein Wachstumsbremser", betonte der Chef des zweitgrößten heimischen Baukonzerns Porr, Karl-Heinz Strauss, am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien. Derzeit hat er in Österreich und Deutschland 285 Baujobs zu vergeben.

"Sie kriegen keine gewerblichen Mitarbeiter mehr", sagte der CEO. Die Porr bildet in Österreich etwa 300 Lehrlinge aus. "Die Menge an Leuten ist einfach nicht da, deshalb versuchen wir Frauen zu interessieren, Polierinnen zu werden." Beim Nachwuchsthema sei "unsere Chance die Frau", so Strauss.

Um inmitten des europaweiten Kampfes um fachkundige Mitarbeiter mehr Personal für sich zu gewinnen, dreht die Porr an mehreren Stellschrauben - neben Frauen werden auch Flüchtlinge als potenzielle Arbeitnehmer umworben, auch ohne gültigem Asylbescheid. Ansonsten bekomme man nicht genug Mitarbeiter.

Parallel dazu werden unter anderem das Arbeiten von zuhause aus (Home Office), Eltern-Kind-Büros für den Fall, dass die Betreuungsperson ausfällt, und "Abenteuer-Camps" in den Sommerferien angeboten, freilich mit Baustellenbezug. Denn bei den Kindern soll frühzeitig Interesse für die Branche geweckt werden. "Sie können Mädchen und Buben nicht früh genug für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, Anm.) begeistern", so die Überlegung des Konzernchefs.

"Wir akquirieren überall", berichtete Strauss unter Verweis auf das AMS, mit dem in ganz Österreich sehr eng zusammengearbeitet werde, und etwa die Hilfsorganisation "lobby.16", die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut. "Wir schauen, dass wir sehr viele Flüchtlinge aufnehmen - wir haben die meisten Afghanen", sagte Strauss. "Es gibt genug interessierte Leute - Damen und Herrn -, die sich integrieren wollen und die Sprache sofort lernen." Die Porr versuche, jedes Jahr weit über 100 Lehrlinge in Österreich aufzunehmen, davon auch eine zweistellig Zahl an Flüchtlingen.

Zum einen gibt es zu wenig Kräfte, zum anderen erfordert die zunehmende Digitalisierung am Bau - Stichwort Building Information Management (BIM), "Lean Design" und "Lean Construction" - aber auch erhöhten und häufigeren IT-Schulungsbedarf. "Es ändern sich laufend Bauprogramme, das heißt verstärkt Schulungen", so der Konzernchef. Für die Porr-Mitarbeiter gebe es einen eigenen "Digi-Pass", in dem festgehalten werde, welche IT-(Pflicht-)Themen bereits abgearbeitet worden seien. In Simmering hat der Konzern einen Ausbildungscampus (inklusive Werkstätten, Wohnheim und Sportmöglichkeiten) eingerichtet, in den rund 5 Mio. Euro an Investitionen fließen.

"Wir geben nur dann ein Angebot ab, wenn wir ein fixes Team haben und wir die Subunternehmen unter Vertrag haben", vermerkte der CEO. In Deutschland sei das Subunternehmer-Thema "sehr groß, weil die Kapazitäten derzeit nicht ausreichen". Daher komme es zu oft zu Bauzeit- und Baukostenüberschreitungen. "Das Fundament der Porr sind unsere Mitarbeiter", bekräftigte Strauss. Seiner Einschätzung nach ist der Fachkräftemangel in Polen und Deutschland "noch ärger als in Österreich".

Die Porr ist in den vergangenen Jahren massiv gewachsen - seit 2010 hat sich der Personalstand von 10.000 auf 20.000 Arbeitnehmer verdoppelt, die Verkaufserlöse legten in dem Zeitraum von 2 auf knapp 5 Mrd. Euro zu. "Deshalb müssen wir auch unsere Kultur anpassen" - etwa auch was den Führungskräftenachwuchs als auch die Aufgaben für die Zukunft, die Digitalisierung, betreffe.

Mit einem Umsatzanteil von rund 46 Prozent (knapp 2,4 Mrd. Euro) ist Österreich den Angaben zufolge der größte Markt des Baukonzerns, gefolgt von Deutschland (1,3 Mrd. Euro). Der Konzern gehört mehrheitlich (knapp 54 Prozent) den beiden Großaktionären Klaus Ortner und Karl-Heinz Strauss (Letzterer hält laut Eigenangaben rund 20 Prozent), der Rest befindet sich im Streubesitz. (APA)