Meinung : Hier irrt Schneider

Friedrich Schneider geht in seinem SOLID-Interview für 2009 von einem Anstieg der Schattenwirtschaft von vier Prozent aus.

Nach unseren Berechnungen sinkt jedoch der Umsatz mit Dienstleistungen für Bauen & Wohnen in der Schattenwirtschaft 2009 um minus 1,1 Prozent zum Vorjahr. Damit verringert sich der Pfusch das sechste Jahr in Folge. Die Wertschöpfung zu laufenden Preisen beläuft sich im Berichtsjahr auf 7,6 Milliarden Euro. Der Pfusch entwickelt sich damit tendenziell schlechter als die offizielle Wirtschaft. Dort stagnieren im Berichtsjahr die Erlöse im als Bezugsgröße relevanten Universum bei minus 0,2 Prozent im Vergleich zu 2008.

Zu einfaches Modell

Aus gutem Grund klaffen die beiden Berechnungen so weit auseinander. Professor Schneiders Ergebnisse stammen nicht aus empirischen Erhebungen, wie die Daten aus dem Branchenradar, sondern aus einer ökonometrischen Schätzung auf Basis makroökonomischer Kennzahlen, von Schneider selbst als MIMIC-Verfahren angegeben. Dabei wird die Entwicklung der Schattenwirtschaft in eine statistische Beziehung zur Entwicklung gewisser makroökonomischer Indikatoren gestellt.

Vereinfacht gesagt lautet die Kernthese des Modells: „Wächst die Wirtschaft und schrumpft die Arbeitslosigkeit, schrumpft der Pfusch und umgekehrt“. Schneider begründet die Modelannahme über die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, was an und für sich kausal klingt. Arbeitslose bessern sich ihr Einkommen durch Pfusch auf. Doch Schneider legt dieses Prinzip auch auf Unternehmen um. Und dort bedeutet die These mit weniger Arbeitskräften bei schrumpfendem Markt mehr „Ohne-Rechnung-Geschäfte“. Nach unseren Erfahrungen entspricht das keineswegs der Praxis. Es ist gerade umgekehrt. Der Anteil der „Ohne-Rechnung-Geschäfte“ steigt, wenn eine bestimmte, unternehmensabhängige Umsatzgröße erreicht wird. Und die Motivation sind im Wesentlichen steuerliche Gründe.

Das Potenzial fehlt

Und verantwortlich für den Rückgang der Schattenwirtschaft ist 2009 genau dieser „gewerbliche Pfusch“. Der nicht versteuerte Umsatz von Unternehmen sinkt im Berichtsjahr um minus 6,9 Prozent auf nunmehr rund 3,8 Milliarden Euro. Offensichtlich reicht die schlechte Auftragslage nur noch, um das legale Geschäft aufrecht zu erhalten. Andernfalls würde man Verluste riskieren, was in Anbetracht der großen Anzahl von Personengesellschaften existenzielle Folgen hätte. Für „Ohne Rechnung-Geschäfte“ fehlt daher einfach das Potential. >>>

Im Gegensatz dazu steigt die Wertschöpfung bei privaten Leistungserbringern - ähnlich wie bei Schneider - um 5,6 Prozent auf knapp 3,8 Milliarden Euro. Durch Kündigungen und Kurzarbeit - insbesondere aus der Sachgütererzeugung - werden 2009 dem privaten Pfusch tausende zusätzliche Arbeitskräfte zugeführt. Die „gewonnene“ Freizeit wird von so manchen dazu benutzt, den Einkommensverlust aus unselbstständiger Arbeit durch Pfusch zu kompensieren. Infolge steigt der Umsatz von Privaten Leistungserbringern um 5,6 Prozent auf ebenfalls knapp 3,8 Milliarden Euro. Die Schattenwirtschaft teilt sich also nahezu Halbe-Halbe auf privaten Pfusch und „Ohne-Rechnung-Geschäfte“.

Durch die vergleichsweise geringe Abweichung in der Erlösentwicklung zwischen offizieller Wirtschaft und Schattenwirtschaft stagniert die Pfuscher-Quote bei 25 Prozent, das bedeutet die Erlöse aus der Schattenwirtschaft belaufen sich auf 25 Prozent des offiziellen Hochbauvolumens, wobei hier Bauinstallationen, Garten und Einrichtung mitgerechnet werden.

An der Staatskassa vorbei

Nichtsdestotrotz bleibt die Schattenwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Bausektor. Das wahre Ausmaß ist erst zu erkennen, wenn die erzielte Wertschöpfung mit Marktpreisen der offiziellen Wirtschaft hochgerechnet wird. Dafür wird zu den Umsätzen aus „Ohne-Rechnung-Geschäften“ die gewöhnlich nicht berechnete Mehrwertsteuer addiert. Bei Erlösen aus dem Pfusch werden zuerst die Materialkosten herausgerechnet, da Baustoffe üblicherweise in Baumärkten oder im Baustoffhandel zu Endverbraucherpreisen erworben werden. Der Lohnanteil wird dann mit den gewerblichen Stundensätzen hochgerechnet. Demzufolge beträgt 2009 das Legal-Äquivalent 13 Milliarden Euro, also das 1,7-fache der tatsächlichen Wertschöpfung aus der Schattenwirtschaft. Unter der Annahme einer preisunabhängigen Nachfrage wäre daher die offizielle Bauproduktion ohne Schattenwirtschaft um 13 Milliarden Euro höher; statt 30,1 Milliarden Euro beliefe sie sich auf 43,1 Milliarden Euro.

Das hat natürlich gravierende Auswirkungen auf die Staatseinnahmen. Alleine die entgangene Mehrwertsteuer beläuft sich auf 2,6 Milliarden Euro. Das entspricht etwa zehn Prozent des gesamten Umsatzsteueraufkommens. Dazu kommen Körperschaft- und Einkommensteuer. Natürlich ist das nur ein theoretischer Ansatz, denn die Nachfrage ist eben nicht preisunabhängig. Sonst gäbe es ja wohl auch keinen Markt für Schattenwirtschaft. Die Zahlen veranschaulichen aber eindrucksvoll die Nachfrage-Dimension der Schattenwirtschaft bei Bauen & Wohnen. Hier irrt Professor Schneider.