SOLID 02/2020 : Haselsteiner Junior: „Kann es mir durchaus vorstellen“

SOLID: Sie sind seit wenigen Wochen hier in Wien in der Konzernzentrale im Amt. Wie war der Start?

Klemens Haselsteiner: Wenn man ganz ehrlich ist, sind die ersten Wochen in einer neuen und in dem Fall überhaupt in einer neu geschaffenen Position immer ein bisschen ein Zurechtfinden. Aber ich bin nicht unzufrieden.

Wir machen ja in unserem großen Konzern sehr, sehr viele Dinge, die mit Digitalisierung und Innovation zu tun haben. Und da geht es einerseits darum, sich einmal einen Überblick zu verschaffen, andererseits aber muss man sich Gedanken machen, wie man das zentral so aufstellen kann, dass wir die Durchschlagskraft und die Geschwindigkeit bekommen, die wir uns wünschen.

Und wie soll man es aufstellen?

Haselsteiner: Da bin ich mitten drin. Aber man kann eines sagen: Unsere Geschäftsfelder und unsere Einheiten sind sehr unterschiedlich, wir haben auch bewusst ein Managementsystem, das den lokalen Einheiten sehr viel Freiräume lässt, weil wir glauben, dass der lokale Manager am besten weiß, wie sein Markt funktioniert. Deswegen passieren sehr viele Initiativen auch auf lokalem Level. Das Entscheidende wird sein, diese Initiativen so miteinander zu vernetzen, dass wir voneinander profitieren können. Es geht um das Forcieren eines besseren Austauschs. Und wenn etwas funktioniert hat, geht es darum, dafür zu sorgen, dass das auch besser und schneller an anderen Ecken im Konzern ankommt.

Wessen Idee war das neue Ressort und wie lange gibt es die Idee schon?

Haselsteiner: Ich weiß, dass die ersten Diskussionen zu dem Thema im Vorstand vor einem Jahr geführt worden sind – eben aus der Wahrnehmung, dass unsere Digitalisierungsaktivitäten nicht genügend koordiniert sind und es Sinn machen würde, das auf Vorstandsebene zu tun.

Der Job wurde nicht für Sie geschaffen?

Haselsteiner: Nein.

Was ist denn Ihr persönlicher Approach zu den Themen Digitalisierung und Innovation? Liest man Ihren Lebenslauf, steht da viel von Controlling.

Haselsteiner: Das ist nur ein Teil und eigentlich irreführend. Mein Ausflug ins Controlling war relativ kurz, vielleicht ein Jahr. Aber das zentrale Controlling ist für kaufmännische Tätigkeiten natürlich ein guter Startpunkt, um möglichst schnell einen Überblick zu bekommen. Kaufmännisches Controlling ist für jeden Manager ein zentrales Thema, aber wenn ich meine bald zehn Jahre im Konzern Revue passieren lasse, war ich hauptsächlich operativ tätig, sei es als Baustellenmitarbeiter, Projektleiter oder im operativen Management.

Und wie digital leben Sie privat und im beruflichen Alltag? Sie liegen ja vom Alter her zwischen Native und Immigrant. (Tablet, Netflix, Amazon?)

Haselsteiner: Auf der einen Seite versuche ich papierlos, sprich ausschließlich mit digitalen Werkzeugen, zu arbeiten. Ich lese Zeitungen am liebsten online, weil die Kommentare für mich einen gewissen Unterhaltungswert haben. Zu Hause ist das klassische Fernsehen fast komplett durch Netflix abgelöst worden.

Andererseits lese ich Bücher am liebsten analog, ich besitze keinen Facebook Account und auch Whatsapp oder Instagram gehen mehr oder weniger an mir vorbei. Für mich ist Leben hauptsächlich analog. Digitale Spielereien, die mir helfen das Leben besser zu genießen sind willkommen, aber vieles sehe ich als entbehrliche Ablenkung.

Welche kurz-, mittel- und langfristigen Ziele sind bei der Strabag mit Ihrem Ressort verbunden?

Haselsteiner: Kurzfristig ist das Hauptziel, eine Organisation aus der Taufe zu heben, die eine gewisse Geschwindigkeit erzeugen kann. Das allein ist eine große Herausforderung. Mittelfristig möchte ich mich daran messen lassen, wie viele Werkzeuge wir de facto operativ zur Anwendung bekommen. Wir haben sehr viele gute Ideen, die – aus welchen Gründen auch immer – in Pilotphasen hängen bleiben oder nicht so schnell operativ angewendet werden, wie man sich das wünscht. Damit wir das schaffen, werden wir ganz klar priorisieren müssen. Wenn man alles es ein bisschen macht, wird man nie so gut, als wenn man sich auf einige Sachen konzentriert.

Welche Sachen sind das?

Haselsteiner: Leider kann ich Ihnen das noch nicht genau sagen. Aber ohne hellsehen zu wollen, ist das Thema BIM bzw. BIM 5D® für uns ganz zentral. Da sind wir natürlich nicht die einzigen, aber wir glauben mittelfristig an eine enorme Produktivitätssteigerung.

Haselsteiner: Beim Thema Innovation ist das Bild ähnlich, wenn auch anders gelagert. Wir sind ja ein Anbieter von Baudienstleistungen, ein klassisches Generalunternehmen. Wir produzieren nur teilweise selbst – überwiegend im Verkehrswegebau. Im Schlüsselfertigbereich setzen wir im Wesentlichen auf Nachunternehmen und haben die Aufgabe, die Baustelle zu organisieren und zu steuern, was genug Arbeit und Risiko mit sich bringt.

Aber wir haben im Bereich Innovation sehr viele tolle Forschungsprojekte, unter anderem zum Thema Nachhaltigkeit. Wir haben etwa einen Asphalt entwickelt, der Luft von Stickstoffdioxid reinigt. Da haben wir eine sehr erfolgreiche Pilotphase hinter uns gebracht und eine Teststrecke am Neckartor in Stuttgart gebaut, bei der eine Reduktion des Stickstoffdioxids um 7 Prozent gelungen ist.

Dann forschen wir etwa auch mit einer Universität an begrünten Fassadenelementen, die CO2 abbauen – und bei allen diesen Dingen möchte ich über die Forschungsstadien hinauskommen.

„Diese Produkte auch zu vertreiben war bis jetzt nicht unsere Aufgabe. Das wird sich ein bisschen ändern müssen. Es stellt sich aber natürlich auch die Frage, inwieweit wir selber Produktionskapazitäten dafür haben wollen. Wir sollten da auf Kooperationen setzen.“

- © Thomas L. Fischer Photographie für Strabag AG

Was ist das Problem dabei?

Haselsteiner: Das ist insofern schwierig, weil es ja Kunden benötigt, die das einbauen wollen und bestellen. Diese Produkte auch zu vertreiben war bis jetzt nicht unsere Aufgabe. Das wird sich ein bisschen ändern müssen. Ich finde es einfach schade, wenn wir solche tollen Produkte haben und sie nicht in den Markt bringen. Es stellt sich aber natürlich auch die Frage, inwieweit wir selber Produktionskapazitäten haben wollen, um solche Sachen dann am Ende auch zu produzieren. Wir sollten da meiner Meinung nach auf Kooperationen mit Partnern setzen, die etwa Fassadenpaneele bauen oder eben Adäquates je nach Forschungsprojekt.

Es geht aber auf jeden Fall darum, diese Themen mehr zu forcieren. Sie liegen mir ja auch persönlich am Herzen – schließlich habe ich drei Kinder und will auch dazu beitragen, dass wir einen schöneren Planeten hinterlassen. Aber ich mache das nicht nur aus Selbstlosigkeit, sondern ich bin überzeugt, dass das sehr stark kommen wird, vor allem in Europa.

Es geht ja wohl auch um die Generierung von Mehrwert und die Unterscheidungsmöglichkeit gegenüber den, wie man heute sagt: Marktbegleitern...

Haselsteiner: … ich habe gegen das Wort Konkurrenz nichts einzuwenden!

Um noch einmal auf BIM zurück zu kommen: da galt ja lange die Autoindustrie als Vorbild, vor allem was Produktivität und Standardisierung betraf. Jetzt geht es dieser im Moment gar nicht so gut – VW-Chef Herbert Diess hat etwa kürzlich von der Notwendigkeit eines kompletten Konzernumbaus gesprochen. An welcher anderen Industrie orientiert sich die Baubranche jetzt beim Thema BIM?

Haselsteiner: Wir haben beim Thema BIM in den letzten Jahren sehr viele Fortschritte gemacht – aber es ist natürlich eine sehr komplexe Sache. Sie haben richtig gesagt, dass sehr viel von einer Standardisierung unserer Arbeitsweise abhängt – und das steht quasi automatisch gegen unser anfangs erwähntes Prinzip der lokalen Verantwortung und der lokalen Einheiten und Freiräume. Es ist auf jeden Fall noch ein weiter Weg, bis wir dorthin kommen, wo wir gerne wären.

Ein großes Problem unserer Industrie ist aber auf jeden Fall, dass der Planungsvorlauf immer kürzer wird. Jeder Bauherr möchte dann auch noch kurze Entscheidungswege und quasi eine Woche vor Eröffnung noch einmal die Teppichfarbe ändern. Wenn man ehrlich ist, würde man sich das bei einem Auto nicht trauen. Da kommt keiner ernsthaft auf die Idee, zwei Wochen vor der Lieferung bei Daimler oder BMW anzurufen und zu sagen: Ich hab’s mir anders überlegt, tauscht’s mir doch bitte noch einmal die Sitze.

Witzigerweise ist das in der Bauindustrie aber quasi Standard. Und BIM zwingt einen dazu, die Planung früher zu machen. Damit können wir dem Bauherrn klar vor Augen führen, was späte Entscheidungen auch kostenseitig bedeuten. Da stößt man schon oft auf Sätze wie: „Ist doch fast fertig, das kann ja nicht so schwer sein.“

Wir müssen uns sicher als Konzern auf ein gewisses Mindestmaß an Standardisierung festlegen und da wird man auch das Lokalrecht ein bisschen beschneiden müssen.

Es ist auf jeden Fall ein sehr dynamisches Thema, in dem sich ständig was verändert. Und wenn wir ein Jahr oder mehr über genau dieselben Dinge reden, haben wir irgend etwas falsch gemacht.

Sie haben vorhin gesagt, manche gute Dinge kommen über das Pilotstadium nicht hinaus. Gib es im Bereich Digitalisierung und BIM konkrete Dinge, von denen man im Nachhinein sagt: da hätten wir dranbleiben sollen, da waren wir nicht konsequent genug?

Haselsteiner: Das würde ich nicht sagen. Wir geben die Projekte ja nicht auf, aber sie dauern deutlich länger, als irgendwann als Ziel festgelegt worden ist. Wenn wir beim Thema BIM schauen, was die Ziele waren, dann haben wir die Durchdringung noch nicht erreicht, die wir wollten. Aber es ist nicht so, dass wir deshalb gesagt hätten: jetzt interessiert uns BIM nicht mehr.

Da geht es um besseren Wissenstransfer, Kommunikation und – so ausgelutscht es auch klingen mag – Change Management.

Wie ist Ihr Zugang zum Thema Change Management? Die Baubranche gilt ja in der Öffentlichkeit als relativ behäbig.

Haselsteiner: Die Menschen in der Baubranche sind sicherlich ein besonderer Schlag. Einen betagten und erfahrenen Polier muss man schon gut von etwas überzeugen, wenn er seine Arbeitsweise ändern soll. Und speziell in dieser Situation ist es schädlich, wenn man jemanden dauernd eine Karotte vorhält, was da Tolles im Anmarsch ist – und dann dauert es zu lange, bis es auf der Baustelle ankommt. Dann verliert man relativ schnell das Interesse und macht es weiter so wie bisher, denn anscheinend kommt ja eh nichts. Da geht es um viel Überzeugungsarbeit, aber eben auch um das schnelle Zurverfügungstellen von funktionierenden Werkzeugen – und das möglichst konzernweit.

Dann sind auch gestandene Poliere die ersten, die das auf der Baustelle pushen – auch dafür gibt es Beispiele. Aber nur dafür, dass sie mit einem Tablet herumlaufen anstelle eines Blocks – dafür sind die meisten zu pragmatisch. Die Mitarbeiter im Büro sind da meistens etwas kulanter und sagen: kann ich zwar im Moment nicht brauchen, ist aber eine tolle Sache.

Ist es bei den Polieren nicht eher so, dass man sagt: um Gottes Willen, da geht uns jetzt eine ganze Generation in Pension und wir haben weder Nachwuchs noch können wir ihr Wissen gut weiter nutzen?

Haselsteiner: Das ist lokal sehr unterschiedlich, stimmt aber prinzipiell. Zum Teil gibt es da große Lücken, aber es gibt auch sehr viele junge Poliere. Generell ist aber auch hier der Wissenstransfer von Alt zu Jung ein großes Thema – nicht nur für Poliere.

Was am Megathema Digitalisierung ist außer BIM für Sie noch besonders wichtig?

Haselsteiner: Ein großes Projekt ist sicher auch ein zentraler digitaler Einkauf. Ein anderes ist ein digital gesteuerter Einbauprozess im Verkehrswegebau. Da könnte es uns sehr große Vorteile bringen, wenn wir es schaffen, dass unsere Fertiger kontinuierlich durchlaufen – und dafür muss man sie mit den Lieferanten und anderen wichtigen Teilnehmern des Prozesses vernetzen.

Das Wesentliche bei all dem ist: jede Einsparung, und seien es auch nur zehn Minuten, bringt uns weiter. Es sind eher viele kleine Werkzeuge als ein großes Ganzes. Beim Thema BIM wissen wir ja zum Beispiel gar nicht, ob wir jemals sagen werden können, dass wir fertig sind. Wir werden aber an den Quick Wins gemessen, die uns kurzfristig viel bringen können.

Um ein Beispiel aus der großen Themenfülle zu nennen: wir haben eine kleine App entwickelt und können sie jetzt konzernweit an den Start bringen, mit der wir digital Beton abrufen können. Das klingt vielleicht banal, aber früher war das einzige Digitale daran die Verwendung von e-Mails oder Smartphone! Es war auf jeden Fall ein relativ einfacher Prozess, der sich aber auf allen Baustellen anders dargestellt hat. Diesen Bestellprozess haben wir mittels dieser App deutliche reduzieren können.

Um diese scheinbar kleinen Verbesserungen geht es – und wenn wir genug von diesen haben, bringt uns das in Summe sehr viel und verstärkt noch dazu bei unseren Mitarbeitern den Hunger auf diese Werkzeuge, was wiederum zu einer besseren Akzeptanz führt usw.

Wie viele Personen haben Sie direkt in Ihrer Abteilung?

Haselsteiner: Ich habe in Summe 1.500 Leute unter mir. Der Hauptteil davon befindet sich jetzt in unserer Einheit Zentrale Technik und wir sind gerade am Umbau der Abteilungen. Digitalisiert wurde ja bisher auch. Das Wichtigste ist aber, bei den Projekten kleine, interdisziplinäre Teams mit einem klaren Ziel zur Zusammenarbeit zu bringen und ihnen entsprechende Autorität einzuräumen, Entscheidungen zu treffen. Da gibt es schon erfolgreiche Beispiele und diese möchte ich hundertfach kopieren und das nicht wie bisher stark dem Zufall oder der Hierarchiestufe der einzelnen Beteiligten zu überlassen.

Das Um und Auf ist Entscheidungsfreudigkeit – und wenn ich sonst nichts anderes bin: entscheidungsfreudig bin ich! Bei diesen Themen, bei denen man doch oft genug im Nebel unterwegs ist, darauf zu setzen, dass jede Entscheidung immer die Richtige ist, wird nicht funktionieren. Aber wenn man nichts entscheidet, ist es auf jeden Fall die falsche Entscheidung.

Sie sind 2011 im Konzern eingestiegen und waren da in Russland, wo die Geschäfte der Strabag so schwierig wurden, dass wir bei SOLID 2014 nach dem Wechsel des Vorstandsvorsitzes von Ihrem Vater Hans-Peter Haselsteiner zu Thomas Birtel - zugegeben etwas zugespitzt - getitelt haben: Leben nach der Russlandblase (SOLID 06/2014, Anm.). Was haben Sie aus Russland mitgenommen, was haben Sie danach in Deutschland dazu gelernt und was bringen Sie daran hierher mit?

Haselsteiner: Das eine, wofür ich sehr dankbar bin, das aber nur sehr bedingt mit Russland zu tun hat, ist, dass ich dort ein großes Schlüsselfertigprojekt gemeinsam mit einem technischen Kollegen als Projektleiter abgewickelt habe. Das war eine operative Baustelle, die ich vom Anfang bis zum Ende begleitet habe und ich hoffe, diese Erfahrung werde ich so schnell nicht vergessen. Es ist enorm wichtig, dass man weiß, unter welchem Umständen wir teilweise unsere Bauwerke errichten. Das konkrete Projekt war ein Projekt für einen deutschen Kunden mit hohen Qualitätsanforderungen in Uljanowsk, einer Stadt ca. 950 km östlich von Moskau an der Wolga und außerdem Geburtsstadt von Lenin. Die Baubedingungen im Winter in Russland sind nicht die Besten…

… haben Sie sich das ausgesucht oder hat Ihr Vater gesagt: den stellen wir jetzt einmal richtig auf die Probe?

Haselsteiner: So etwas hat mein Vater nie gesagt! Die Möglichkeit hat sich ergeben und ich habe die Herausforderung angenommen und das war schon sehr interessant. Das hat zwei Jahre gedauert.

Und es dürfte ganz gut gegangen sein, höre ich - …

Haselsteiner: … der Kunde war zufrieden und ein bisschen Geld haben wir auch noch verdient, viel zu wenig natürlich! (lacht)

Das war das eine. Und wofür ich die Russen bewundere und sage: diesen Geist sollte man sich bewahren oder ihn erarbeiten, wenn man ihn nicht hat, ist, dass sie sich de facto durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Wenn man böse sein will, kann man jetzt sagen, dass sie nicht so stramm durchorganisiert sind wie unsere deutschen Freunde. Das mag auch so sein, aber das Improvisationstalent, die Freude daran und die Fähigkeit, aus der schlechtesten Situation noch das Beste machen zu wollen, finde ich sehr faszinierend. Das ist ein Charakterzug, der niemandem schaden würde.

Dennoch hat der Konzern sein Russland-Engagement sehr zurück genommen, ja nehmen müssen.

Haselsteiner: Wir sind ja noch dort und ich würde gern wieder mehr Geschäft in Russland machen. Russland ist ja meine einzige operative Aufgabe. Es ist noch immer sehr schwierig und von viel Abwarten der internationalen Investoren gekennzeichnet, aber es hat sich etwas gebessert.

Wie passt BIM mit Russland zusammen, wenn Sie von der Stärke in der Improvisation gesprochen haben – was ja mit dem planungsgetriebenen BIM nach Konflikt klingt?

Haselsteiner: Wir haben eines unserer stärksten BIM-Teams in Moskau. Erstens sind die Russen, wie sie immer wieder beweisen, hervorragende Techniker. Die BIM-Truppe in Russland ist sehr, sehr weit und das Improvisieren ist ja nicht von vornherein das Ziel. Und es ist vielleicht auch ein Vorteil, dass es in Russland gerade nicht so viel eigene Arbeit gibt und man daher andere Teile und Regionen im Konzern unterstützen kann.

Der russische Bauherr ist ja außerdem auch nicht anders als der österreichische. Er möchte ein stabiles Projekt, das in der Zeit, im Budget und in guter Qualität hergestellt wird.

Umgekehrt wird vielleicht ein Schuh draus, wenn man weiß, dass man in Österreich und Deutschland aufgrund der zahlreichen exzellenten Handwerksbetriebe vielleicht noch sagen kann: ich mach das auch ohne BIM. Aber der Mehrwert von BIM in Ländern, in denen ich nicht auf so einen starken Mittelstand zurückgreifen kann wie hier, ist sicher noch größer.

Wollten Sie eigentlich immer Karriere in der Strabag machen?

Haselsteiner: Das ist schwierig zu sagen. Fix ist: das Baugeschäft hat mich schon immer fasziniert. Dass ich dann einmal in der Firma meines Vaters anfange und nicht zur Konkurrenz gehe, ist wahrscheinlich naheliegend.

So ein Name ist ja Vorteil und Bürde gleichzeitig. Wie erleben Sie das? Jetzt heißt es ja, dass sie als Vorstandsvorsitzender fix vorgesehen sind und nur 2012 noch zu jung waren, als Ihr Vater sein Ausscheiden aus der Funktion mit 2014 avisiert hat.

Haselsteiner: Reißerische Aufhänger gehören in Ihr Geschäft! Aber ich kann Ihnen so viel sagen, dass es 2012 keine ernsthaften Überlegungen gab, dass ich auch nur irgendwo in die Nähe des Vorstands komme.

Was sagt Ihr Vater als Hauptaktionär zu den aktuellen Entwicklungen und zu Ihrem Vorstandseinstieg?

Haselsteiner: Wir sehen uns regelmäßig und der Rat meines Vaters mit all seiner Erfahrung und seinem Wissensschatz ist mir durchaus wichtig. Da wäre man dumm, wenn man das ignoriert. Aber andererseits hat mein Vater immer gesagt, dass ich meine Sachen selber machen muss – und das rechne ich ihm hoch an. Er steht zur Verfügung, wenn ich ihn benötige, aber er drängt sich nicht auf. Und ich möchte vielleicht auch manche Sachen etwas anders machen, das ist mir schon wichtig.

Zum Beispiel welche?

Haselsteiner: Schauen wir einmal.

Wollen Sie Vorstandsvorsitzender der Strabag werden?

Haselsteiner: Die Frage muss sein! (lacht) Ich kann es mir durchaus vorstellen, aber mit Stand heute mache ich mir darüber wirklich relativ wenig Gedanken. Was ich hier jetzt zu tun habe, halte ich für extrem entscheidend dafür, wie die Strabag in fünf bis zehn Jahren positioniert sein wird, und davor habe ich auch noch viel Respekt. – Noch etwas kommt dazu: Über einen Umweg bin ich ja auch Miteigentümer der Strabag – also selbst wenn sich die Frage einmal stellen sollte, möchte ich den Besten für den Job. Sollte ich das selber sein, werde ich mich nicht verweigern. Aber sollte es einen Besseren geben, werde ich hoffentlich die Größe und auch die Intelligenz haben zu sagen: dann soll der das machen!

Welches Unternehmen und welche Unternehmer beeindrucken Sie – jetzt unabhängig von der Baubranche?

Haselsteiner: Es gibt ja viele, die Erfolg haben. Aber weil es relativ in der Nähe meines Aufgabenbereichs ist: ein Elon Musk, der es schafft, in so vielen unterschiedlichen Themenbereichen unterwegs zu sein und dabei auch noch Erfolg zu haben, beeindruckt mich schon - selbst wenn es daran auch Aspekte gibt, die ich nicht verstehe.

Welche Aspekte sind das?

Haselsteiner: Dass Tesla bei aller Innovationsfreude mehr Wert sein soll als General Motors und Ford zusammen, kann ich zum Beispiel in der Größenordnung nicht nachvollziehen.

Kann ein Baukonzern da etwas lernen?

Haselsteiner: Mit Sicherheit – die Frage ist nur was? Wenn Sie wissen, was es ist, sagen Sie mir bitte Bescheid! Da können Sie viel Geld verdienen.

Und was meinen Sie dazu, wenn der VW-Chef etwas zugespitzt sagt: VW muss ein digitaler Dienstleister werden, der auch Autos baut?

Haselsteiner: Ich bilde mir ein, nicht ganz phantasielos zu sein, aber wenn alle versuchen wollen, diese digitalen Geschäftsmodelle nachzubauen – ich weiß es nicht! Am Ende des Tages muss trotzdem irgend jemand die Autos oder die Wohnungen produzieren.

Wie schaut die Baubranche in einer perfekten Welt der Zukunft aus?

Haselsteiner: Über die Frage nach der perfekten Welt streitet sich die Menschheit seit ihrem Bestehen. Aber die Bauindustrie wird darin auf jeden Fall eine sehr entscheidende Rolle spielen müssen. Wir werden immer wohnen, unter Dach arbeiten und von A nach B wollen. 30 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes stammen aus dem Betrieb von Gebäuden und das gleiche gilt für die Bauwirtschaft noch einmal. Der Fußabdruck von dem, was wir mit Bauen und dem Betrieb von Gebäuden tun, ist enorm – da gibt es einen großen Hebel, um zu einer Verbesserung beizutragen. Die Kunden müssen natürlich auch zuhören und mitspielen, ebenso die Politik. Aber wir können schon aus eigenem auch genug machen, ohne jemanden zu fragen – wenn wir es uns wirtschaftlich leisten können.

Klemens Haselsteiner (38) startete seine Karriere 2004 bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Österreich. Nach Absolvierung des Zivildiensts und Berufserfahrung bei einem russischen Industriekonzern trat er 2011 in den STRABAG-Konzern in Russland ein. Dort war er u. a. mit dem zentralen Controlling betraut. Ab 2015 war er bei der deutschen STRABAG-Konzerngesellschaft Ed. Züblin AG, Direktion Stuttgart, tätig – zunächst als kaufmännischer Bereichsleiter für den Schlüsselfertigbau, seit 2018 als kaufmännischer Direktionsleiter.

Seit 1.1.2020 bekleidet er bei der Strabag SE das neu geschaffene Vorstandsressort „Digitalisierung, Unternehmensentwicklung und Innovation“

Über seine Ambitionen auf den Vorstandsvorsitz sagt Klemens Haselsteiner, 39: „Ich kann es mir durchaus vorstellen, aber mit Stand heute mache ich mir darüber wirklich relativ wenig Gedanken. Wenn sich die Frage einmal stellen sollte, möchte ich den Besten für den Job. Sollte es einen Besseren geben, dann soll der das machen!“

- © Thomas Topf
© Thomas Topf
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