Österreich : Experten: Am Weg aus Coronakrise verstärkt Gebäude thermisch sanieren

Am Weg aus der Coronakrise heraus sollte die thermisch-energetische Gebäudesanierung als Chance zur Wiedererstarkung der Wirtschaft und der Dekarbonisierung zugunsten des Klimaschutzes genutzt werden. Dafür haben am Dienstag Experten des Umweltbundesamtes und aus dem Bau- und Wohnbausektor plädiert.

Derzeit ist die Sanierungsrate in Österreich so niedrig wie seit 10 Jahren nicht mehr. Von 2009 bis 2018 ist die Gesamtsanierungsrate bei Wohnungen von 2,1 auf 1,4 Prozent gesunken. 2009 hatte die Sanierungsrate innerhalb der Wohnbauförderung ein All-Time-High von 1,8 Prozent erreicht. Seither waren geförderte Sanierungen aber kontinuierlich rückläufig - 2018 lag die Rate nur noch bei 0,5 Prozent, erklärten Vertreter von Umweltbundesamt und Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) in einem Online-Pressegespräch.

Für eine vollständige thermisch-energetische Ertüchtigung des Wohnungsbestandes bis zum Jahr 2040 müsse die Sanierungsrate kurzfristig auf 2,6 Prozent jährlich und ab 2025 auf 3,2 Prozent im Jahr erhöht werden. Das beziehe sich auf kumulierte Einzelmaßnahmen und umfassende Sanierungen - vor allem letztere seien in den vergangenen Jahren sukzessive gesunken.

Von den fast 4,8 Millionen Wohneinheiten in Österreich weisen den Experten zufolge etwa 1,9 Millionen Einheiten einen thermisch unzureichenden Standard auf. Besonders hoch ist demnach der Sanierungsbedarf bei Eigenheimen - nicht nur wegen der sehr hohen Zahl, sondern auch wegen des sehr viel höheren Energiebedarfs im Vergleich zu baugleichen Geschoßwohnungen.

Eine kurzfristige Anhebung der Sanierungsrate auf 2,6 Prozent entspreche etwa 12.000 umfassenden Sanierungsäquivalenten pro Jahr. Überdurchschnittlich hoch sei der Sanierungsbedarf bei privaten und kommunalen Mietwohnungen sowie bei Wohnungen und Eigenheimen ohne Hauptwohnsitz. Mit einer Sanierungsrate von zweieinhalb bis drei Prozent könne der heimische Wohnungsbestand "bis 2040 Klima-fit" gemacht werden, betonte Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW), der dazu auch mehrere Studien erstellt hat.

In den Bestandssegmenten - Eigenheime und Eigentumswohnungen sowie private Mietwohnungen - hätten die bisherigen Förderungsmodelle besonders ausgelassen, heißt es. Deshalb sollte die Sanierung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen durch eine großzügige Absetzmöglichkeit der Sanierungskosten von der Lohn- und Einkommensteuer bzw. mithilfe einer Negativsteuer im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung (Jahresausgleich) angekurbelt werden, lautet die Forderung. Und die Sanierung von privaten Mietwohnungen sollte durch eine verkürzte Absetzmöglichkeit der Sanierungskosten oder alternativ mit Investitionsprämien belebt werden.

Bei entsprechend konsequenter Umsetzung der steuerlichen Förderungen sei in den jeweiligen Bestandssegmenten eine Anhebung der Sanierungsrate um etwa einen Prozentpunkt machbar, ist man überzeugt. Damit sei ein wesentlicher Beitrag zur Dekarbonisierung des Wohnungssektors darstellbar, der in 10 Jahren eine CO2-Reduktion um 2 Mio. Tonnen bewirken würde.

Der Bereich Gebäudesanierung liege "seit Jahren auf der Intensivstation", meinte Georg Bursik vom Forschungsverband der österreichischen Baustoffindustrie. Gerade jetzt brauche die Wirtschaft starke Impulse - auch die arbeitsmarktbelebende Wirkung solcher Investitionen sei vielfach bestätigt worden. Die Wohnhaussanierung verspreche jährlich fast 2,6 Mrd. Euro zusätzlichen Bruttoproduktionswert. Es könnten damit nicht weniger als 18.000 Arbeitsplätze dauerhaft gesichert werden. Unterm Strich könnten so jährlich 31.000 Häuser und Wohnungen umfassend thermisch saniert werden - gegenüber den zuletzt nur 19.000 Sanierungen im Jahr, die die gesamte Wohnbauförderung geschafft habe.

Volkswirtschaftlich könnten die genannten Modelle zusätzliche Lohn- und Umsatzsteuer-Einnahmen bringen bzw. Minderausgaben für Arbeitslosenunterstützung sowie geringere Kompensationszahlungen für nicht benötigte CO2-Emissionszerfitikate im Ausmaß von knapp 790 Mio. Euro. (APA)