Deutschland : Ein Bahntunnelbau wird zum Desaster
Auslöser für das Baudebakel: Ein Betonsegment, das sich am 12. August in der Röhre, die im Grundwasser nur knapp fünf Meter unter den Gleisen der Rheintalbahn hindurchführt, in der Tunnelbaustelle im baden-württembergischen Rastatt verschoben hatte. Wasser und Erdreich drangen ein. Die Gleise darüber senkten sich in der Folge ab.
Zum Zeitpunkt des Unglücks waren zwei 4.300 Meter lange Tunnelröhren unterhalb der Stadt Rastatt schon fast fertig gebohrt, als 40 Meter vor dem Ziel die Erde nachgab. Statt der geplanten Entlastung kam es nun zu zusätzlichen Engpässen im Fernverkehr auf einer der meistbefahrenen Bahntrassen Europas. Die Bahn musste den gesamten Zugverkehr in diesem Bereich stoppen.
Wie es zu dem Schaden kommen konnte, ist weiterhin unklar. Die Vereisung des Bodens zur Stabilisierung war nach Angaben der Tunnel-Arbeitsgemeinschaft unter Führung der Firmen Züblin und Hochtief intakt.
Betroffen sind nicht nur der Bahnverkehr, sondern auch die Anwohner im Bereich der Großbaustelle, deren Grundstücke in Mitleidenschaft gezogen wurden, und die weder ihren Grund und Boden noch ihr Haus vorläufig nicht betreten können.
10.000 Kubikmeter Beton sollen das Bauvorhaben retten
Um die Trasse wieder herzustellen, läuft eine große "Rettungsaktion" an. Die DB Netz AG will einen 150 Meter langen Tunnelabschnitt mit rund 10.000 Kubikmetern Beton füllen. Auf 150 Metern müssten Oberleitungen demontiert und Gleise, Schwellen und Schotter ausgebaut werden, so die Experten der Bahn. Dann soll eine 120 Meter lange und einen Meter dicke Betonplatte gegossen werden, auf der dann neue Gleise verlegt werden.
Im Zuge der Verfüllung der beschädigten Tunnelröhre wird auch die 18 Millionen Euro teure Tunnelbohrmaschine einbetoniert. Sie steckt rund 40 Meter vor dem geplanten Ende der Röhre fest. Um sie später zu retten, könnten Chemikalien zum Einsatz kommen, die den Tunnel zwar verfüllen, aber leichter entfernt werden können, heißt es in Bahnkreisen. Alleine der Bau der Bodenplatte werde drei Wochen dauern.
Experten zufolge ist der Baugrund in Rastatt eine Herausforderung für Tunnelbauer, da er aus Kies und Sand besteht. Den lockeren Kiesboden vereisten die Ingenieure mit Kältemaschinen, damit sich anschließend die Bohrmaschine durch den temporär verfestigten Untergrund fräsen konnten. Taut der Boden anschließend wieder auf, liegt die Betonröhre stabil drin. So lautet zumindest die Theorie.
Was nun in Rastatt zu dem Unglück geführt hat, wird derzeit noch untersucht. Die Bohrmaschine stützt sich beim Vortrieb mit Hydraulikzylindern an der bereits errichteten Betonhülle ab; wichtig ist, dass die Maschinisten dabei behutsam vorgehen. Sind sie zu schnell, können sich Tunnelelemente verschieben. Fachleute vermuten, dass die Firmen in Rastatt es vielleicht zu eilig hatten.
Die Deutsche Bahn untersucht derzeit welche Rolle die Tunnel-Arbeitsgemeinschaft unter Führung der Firmen Züblin und Hochtief gespielt hat, hält sich baer mit öffentlichen Anschuldigungen zurück. Man sammle Beweise im Tunnel, heißt es im Konzern dazu lediglich. Es würden Vorbereitungen getroffen für mögliche Schadenersatzforderungen.
Voraussichtlich bis 7. Oktober ist die für den Personen- und Güterverkehr wichtige Nord-Süd-Hauptstrecke Rheintalbahn nicht befahrbar, da die Gleise im Zuge von Bauarbeiten nach einem Erdrutsch abgesackt und verbogen sind. Damit müssen weiterhin bis zu 200 Güterzüge täglich sowie viele Fernverkehrszüge weiträumig umgeleitet werden. (red)