Baurecht - SOLID 09/2020 : Die Crux mit den Kostenvoranschlägen

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Das Wort Kostenvoranschlag ist jedem ein Begriff – nur: vom Gesetz wird dieser Begriff nicht definiert. § 1170a ABGB regelt den Kostenvoranschlag in verschiedenen Varianten und gibt vor, wie bei einer Änderung der vorab veranschlagten Kosten vorzugehen ist und wer welche Rechte hat.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat Kriterien entwickelt, wann nun tatsächlich ein Kostenvoranschlag vorliegt und damit § 1170a ABGB überhaupt angewendet werden kann.

Demnach ist die Zergliederung der mutmaßlichen Kosten bei ausführlicher Berechnung der einzelnen Ansätze nach Arbeit, Material usw. wesentlich. Einheitspreisverträge und ausgepreiste Leistungsverzeichnisse sind in aller Regel Kostenvoranschläge;

Eine Formvorschrift gibt es nicht, allerdings ist natürlich die Zergliederung der Kosten nach den einzelnen Ansätzen etwas, das mündlich nicht realistisch erfolgen kann. Auch aus Beweisgründen empfiehlt sich ein schriftlicher Kostenvoranschlag.

Was ist kein Kostenvoranschlag?

Kein Kostenvoranschlag ist der Pauschalpreis. Beim Pauschalpreis werden keine exakten Angaben über die Zusammensetzung des Preises gemacht. Dies schließt nicht aus, dass der Auftragnehmer intern eine genaue Kalkulation macht. Nach außen hin wird diese aber oft nicht bekannt gegeben und wird insbesondere die Mengenermittlung durch Abrechnung überflüssig. Wurde ein Pauschalpreis vereinbart, ist dieser Pauschalpreis für beide Parteien verbindlich. Der Auftraggeber muss den Pauschalpreis bezahlen, der Auftragnehmer erhält auch höchstens den Pauschalpreis.

Kein Kostenvoranschlag ist nach der Definition des OGH auch der Schätzungsanschlag. Hier teilt der Auftragnehmer dem Auftraggeber die ungefähren Kosten mit. Eine Zergliederung in die einzelnen Entgeltfaktoren findet nicht statt, aber die Parteien wollen auch nicht an diesen ungefähren Preis gebunden sein wie beim Pauschalpreis. Ob letztendlich aber ein Schätzungsanschlag oder ein Kostenvoranschlag vorliegt, ist nicht von Bedeutung, weil der OGH die Regelungen zum Kostenvoranschlag auch auf den Schätzungsanschlag anwendet.

Die Bedeutung des Kostenvoranschlags

§ 1170a Abs 1 ABGB regelt den verbindlichen Kostenvoranschlag. Im B2B-Geschäft stellt dieser die Ausnahme dar, weil die Verbindlichkeit des Kostenvoranschlags vereinbart werden muss.

Der verbindliche Kostenvoranschlag bedeutet im Ergebnis, dass ein Maximalpreis vereinbart ist. Bleiben die tatsächlichen Kosten unter dem veranschlagten Preis, so muss der Auftraggeber weniger bezahlen. Übersteigen die tatsächlichen Kosten den veranschlagten Preis, so muss der Auftraggeber nur den veranschlagten Preis bezahlen (hier besteht der wesentliche Unterschied zum Pauschalpreisvertrag!).

Das gilt selbst dann, wenn die Größe oder Kostspieligkeit für den Auftragnehmer unvorhersehbar war – mit Vereinbarung eines verbindlichen Kostenvoranschlags übernimmt der Auftragnehmer das Risiko nicht kalkulierbarer Mehrkosten. Ist für den Auftraggeber Kostensicherheit besonders wichtig, muss er die Vereinbarung eines verbindlichen Kostenvoranschlags erreichen.

§ 1170a Abs 2 ABGB regelt den unverbindlichen Kostenvoranschlag. Dieser ist im B2B Verhältnis der Regelfall. Sprechen die Parteien nicht über die Verbindlichkeit, ist der Kostenvoranschlag unverbindlich. Was bedeutet das?

Überschreiten die tatsächlichen Kosten die veranschlagten Kosten nur unbeträchtlich, so ist der Auftraggeber verpflichtet, diese Mehrkosten zu tragen, sofern sie unvermeidbar waren. Wie hoch unbeträchtlich ist, sagt das Gesetz nicht. Der OGH zieht bei ca 15% die Grenze. Achtung: hier kommt es auf die Überschreitung des Gesamtentgelts und nicht etwa auf einzelne Positionen (wie etwa nach Pkt 7.4.5 ÖNORM B 2110) an.

Eine beträchtliche Überschreitung (mehr als 15%) hat der Auftragnehmer unverzüglich anzuzeigen. Verletzt der Auftragnehmer diese "Pflicht", so verliert er seinen Anspruch auf die Mehrkosten. Zeigt der Auftragnehmer die Kostenüberschreitung an, entsteht für den Auftraggeber das Recht, den Vertrag zu beenden. Der Auftraggeber kann daher entscheiden, ob er am Vertrag festhält und das höhere Entgelt bezahlt, oder ob er den Vertrag beendet und die bisher geleisteten Arbeiten bezahlt.

Verhältnis zur ÖNORM B 2110 (B 2118)

Die ÖNORM B 2110 muss vertraglich vereinbart werden. Ist sie vereinbart, so gelten ABGB und ÖNORM B 2110 gemeinsam. In Bereichen, in denen die ÖNORM B 2110 vom ABGB abweichende Regelungen vorsieht, gelten eben die Regelungen der ÖNORM B 2110, ansonsten die Regelungen des ABGB.

Nun regelt Pkt 7 ÖNORM B 2110 Leistungsabweichungen, woraus oftmals Mehrkostenforderungen resultieren. Die ÖNORM B 2110 regelt auch, dass Forderungen (MKF) "ehestens" vorzulegen sind und sanktioniert Fehler hierbei mit einem möglichen Anspruchsverlust. Mehrkosten sind eben auch Gegenstand von § 1170a ABGB, auch die Sanktion des Anspruchsverlustes gibt es hier, allerdings anders ausgestaltet. Welche Regelungen gelten nun?

Die Antwort lautet: Das kommt auf den Sachverhalt an. Handelt es sich um eine Leistungsabweichung iSd ÖNORM B 2110 (Veränderung des Leistungsumfangs entweder durch eine Leistungsänderung oder durch eine Störung der Leistungserbringung) kommen ausschließlich die Regelungen von Pkt 7 zur Anwendung, wenn es darum geht, wie mit Mehrkosten umzugehen ist.

Liegt allerdings keine Leistungsabweichung vor, sondern handelt es sich um eine bloße Mengenmehrung (weil etwa die Ansätze falsch waren), so gelten auch bei Vereinbarung der ÖNORM B 2110 die allgemeinen Regeln zum Kostenvoranschlag nach § 1170a ABGB. Der Auftragnehmer sollte daher niemals – auch wenn er immer ÖNORM-Verträge abschließt, die Regelung des § 1170a ABGB und seine diesbezügliche "Kostenwarnpflicht" aus den Augen verlieren!

Praxistipps:

Kostenvoranschlag schriftlich erstellen / verlangen.

Ausdrücklich vereinbaren, ob ein verbindlicher oder ein unverbindlicher Kostenvoranschlag oder gar ein Pauschalpreis gewünscht ist.

Die Regelungen zum Kostenvoranschlag kommen in manchen Fällen ergänzend zu Pkt 7 ÖNORM B 2110 (Störung der Leistungserbringung) zur Anwendung.

Mehrkosten auch ohne Leistungsabweichung unverzüglich anzeigen – es droht sonst Anspruchsverlust!