Coronavirus : „Das wird uns einen Effizienzschub verleihen“

Birtel Strabag 2017
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SOLID: Sie haben als erste große österreichische Baufirma am 17. März einen Baustopp verkündet und alle Mitarbeiter in Österreich (ca. 11.000, Anm.) beim AMS höchst vorsorglich zur Kündigung angemeldet. Am 20. März hieß es dann: statt der Kündigungen kommt jetzt doch Kurzarbeit. Was ist zwischen 17. und 20. passiert, dass es doch zu dieser bedeutsamen Änderung gekommen ist?

Thomas Birtel: Das Kurzarbeitsregime hat sich da noch einmal deutlich verbessert – nicht nur zugunsten der Mitarbeiter, sondern auch zugunsten der Unternehmen. Wir hatten ja ursprünglich eine Abwägung zu treffen, ohne dass wir ein sicheres Szenario hatten. Bei dieser sind wir bedauerlicherweise zum Schluss gekommen, dass die damals vor unserer Ad-Hoc-Meldung gültige Kurzarbeiterregelung nicht geeignet gewesen wäre, uns über einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Monaten hinaus zu bringen und so durch die Krise zu tragen.

Wir haben die etwas altertümlich anmutende, aber für Juristen klare Floskel „höchst vorsorglich“ verwendet, die deutlich macht, dass wir eigentlich diese Möglichkeit nicht umsetzen wollten.

Es hat dann auch erfreulicher Weise relativ zügige politische Entwicklungen gegeben, da noch einmal nachzubessern. Am Freitag, den 20., mittags konnten wir dann erleichtert feststellen, dass es nun eine akzeptable Lösung gab, von der wir auch glauben, dass sie uns durch die Krise tragen wird.

Wie sieht Ihr Plan jetzt konkret aus?

Birtel: Wir haben die Kurzarbeitslösung jetzt einmal für drei Monate angemeldet. Dann muss man weiter sehen. Es ginge dann noch einmal drei Monate – aber was bis dahin passiert und mit welcher Zeiterstreckung wir rechnen müssen, kann Ihnen ja heute keiner sagen!

Mir kommt vor, dass Sie im Vergleich zu anderen Firmen einen relativ langen Zeitraum für die Dauer der Krise annehmen, Peter Krammer sprach von einem halben Jahr. Stimmt der Eindruck und wenn ja, warum ist das so?

Birtel: Man kann ja nur Kaffeesatz lesen, aber Sie kennen uns: wir sind eher immer etwas vorsichtiger aufgestellt als forsch und unter Umständen sind wir noch immer zu optimistisch. Aber vielleicht liegt unsere Einschätzung im Quervergleich auch an den Möglichkeiten, die man hat.

Von welcher Zeit gehen Sie aus?

Birtel: Die Kurzarbeit trägt uns in Österreich jetzt einmal über maximal ein halbes Jahr. Aber man muss auch sehen, dass die Lage in unseren verschiedenen Märkten völlig unterschiedlich ist. In manchen Märkten sehen wir bis jetzt noch gar nichts, dort ist es noch nicht einmal losgegangen – aber man muss davon ausgehen, dass es irgendwann losgeht. Im Gesamtkonzern wird sich das alles also auf der Zeitachse verschoben darstellen.

Die zeitliche Verteilung über die einzelnen Länder und Märkte könnte aber wiederum positiv sein, oder?

Birtel: Ja, das könnte es beherrschbarer machen. Da könnte es in einem Land schon wieder Schritte in die Normalität geben, während wir in einem anderen Land noch voll im Krisenmodus sind. Unsere auch geografische Diversifikation kann uns da zugutekommen. Wenn es überall gleichzeitig wäre, wären die Herausforderungen noch größer, als sie ohnehin schon sind.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ff. war ja im Gegensatz dazu an allen Orten gleichzeitig, dafür hat sie die Bauwirtschaft dann mit einigem Nachlauf getroffen.

Birtel: Ja - wobei Sie da gut sehen konnten, dass bei robusten Geschäftsmodellen wie dem unseren die Auswirkungen fast nicht spürbar geworden sind. Das Wichtige ist immer, dass man nicht von einem Tag auf den anderen ohne Aufträge dasteht, wie das in vielen anderen produzierenden Gewerben der Fall ist.

Wieso ist die Strabag mit der Meldung der Einstellung des Großteils der Baustellen als erste so vorgeprescht? Von einem Unternehmen wie Ihrem geht ja schon Signalwirkung aus.

Birtel: Wir sehen es als unsere Pflicht an, in solchen Situationen rasch und entschlossen zu handeln, gerade weil wir keine kleine Firma sind. Wir haben sehr bedauert, dass wir unsere Meldung zu dem Zeitpunkt so formulieren mussten, wie wir sie formuliert haben - aber es war für uns klar, dass wir eine Meldung machen müssen. Hätten wir damals schon das jetzt geltende Kurzarbeitsregime gehabt, wäre das auch etwas weniger dramatisch angekommen.

Wie dramatisch war es denn?

Birtel: Es ist im österreichischen Teil des Unternehmens tatsächlich keine dramatische Situation entstanden. Wir haben davor ja flächendeckend intern auch mit den jeweiligen Betriebsräten kommuniziert und diese sind dann auch ganz ruhig und besonnen durch die paar krisenhaften Tage gegangen. Und als die Kurarbeitsregelung da war, haben sich unsere Betriebsräte auch sehr positiv geäußert. Da haben wir wirklich alle an einem Strang gezogen.

Wie haben die Aktionäre reagiert?

Birtel: Sie haben natürlich die höchst vorsorgliche Meldung nicht positiv aufgenommen und waren nach zwei Tagen umso erleichterter. Aber sie haben uns, soweit wir Kontakt hatten, bestätigt, dass sie unser entschlossenes Vorgehen grundsätzlich für richtig halten.

Wann haben Sie persönlich gemerkt, dass es jetzt eng wird auf den Baustellen? Am 13. März hieß es ja noch, Sie würden gegebenenfalls Engpässe bei Subunternehmern mit Eigenpersonal abdecken und im Rohstoffbereich von Ihrem hohen Eigendeckungsgrad profitieren.

Birtel: Der unmittelbare Auslöser in Österreich war, dass gesetzliche Covid-Maßnahmen gesetzt wurden, auf die man rasch reagieren musste.

Auf den Baustellen leidet man aber immer noch unter unklaren rechtlichen Situationen, die sich auch immer wieder in Details, Präzisierungen und Interpretationen ändern. Die Asfinag sperrt ihre Baustellen bis auf die notwendigsten, die ÖBB sagt: man muss jede Baustelle für sich betrachten – wie kann man sich da vernünftig bewegen?

Birtel: Im Prinzip hat die ÖBB mit ihrer Aussage, dass man sich jede Baustelle einzeln anschauen muss, überall Recht. Diese Aussage unterstütze ich nachhaltig. Ich glaube, dass das aber auch für die Einschätzung der Asfinag gilt – und für uns gilt es auf jeden Fall. Aber wir haben uns alle Baustellen angeschaut – und 1.000 sind zwar viel, aber das kann man schon noch analysieren – und sind dann zu dem Schluss gekommen, dass die weit überwiegende Zahl derzeit eingestellt werden muss. Die Formulierung ist zugunsten eines prägnanten Sagers leider untergegangen. Aber es ist alles Resultat einer sorgfältigen Einzelfallabwägung.

Wie funktioniert das Einvernehmen mit den Auftraggebern?

Birtel: Die Dinge gehen ganz überwiegend einvernehmlich – entweder weil der Auftraggeber das wie eben z.B. die Asfinag genau so sieht, oder weil wir im Einzelfall ein Einvernehmen herstellen können. Aber ich muss einräumen, dass es eine gewisse Anzahl von Bauvorhaben gibt, bei denen es derzeit keinen Konsens gibt und wo es einen Nachlauf geben muss, der dann aufgrund der jeweils getroffenen vertraglichen Vereinbarung zu entscheiden sein wird. Aber das ist zum Glück eine ganz untergeordnete Zahl.

Heißt dass, dass die Diskussionen und Gipfeltreffen rund um einen generellen Baustopp eine Überbelichtung der tatsächlichen Situation sind?

Birtel: Na ja, in Summe ist es schon sehr mühsam. Ich habe ja jetzt nur von uns gesprochen, aber die Situation gilt ja für andere genauso. Klare Verhältnisse wären da schon sehr wünschenswert. Mir wäre beides Recht: entweder eine klare Aussage der Behörden in Richtung Einstellung der Baustellen oder aber eine klare Definition von Rahmenbedingungen, die man einhalten und unter denen man arbeiten kann, wie es ja jetzt in den Gesprächen mit dem Gesundheits- und Sozialminister versucht wird. Das Letztere ist mir lieber, denn wir wollen ja bauen und darauf setze ich große Hoffnung!

Womit rechnen Sie denn so insgesamt, wie es weiter gehen wird?

Birtel: Da muss ich Ihnen leider sagen, dass es kein Szenario gibt, nach dem man sagen könnte: so oder so wird es in Österreich sein. Das kann Ihnen keiner sagen. Es hängt einfach vom Verlauf der Pandemie in Intensität und zeitlicher Erstreckung ab.

Aber Infrastruktur- und andere größere Projekte werden ja durch eine solche Krise nicht unnötig, das sollte ja optimistisch stimmen.

Birtel: Das glaube ich auch. Die großen Projekte und vor allem die für die öffentlichen Auftraggeberschaft haben für uns die Sicherheit, dass die Bonität der Auftraggeber auch gewährleistet ist. Das ist im privaten Sektor ja nicht zu hundert Prozent sicher bei solch einer Krise.

Krisenzeiten bringen immer Veränderungen mit sich. Was wird, was kann und was muss sich ändern durch diese Krise?

Birtel: Ich bin sicher, dass sich die Arbeitsweise in Richtung Digitalisierung und elektronische Medien deutlich nach vorne entwickeln wird. Inzwischen sehen alle – auch die lange skeptisch Gewesenen -, wie leistungsfähig die aktuellen digitalen Kommunikationssysteme schon sind. Und man wird erkennen, dass viele Reisen nicht erforderlich sind. Das wird uns einen Effizienzschub verleihen, weil wir nicht so viel Zeit mit Reisen vertun und man auch die Videokonferenzen in seinem Büro vom Schreibtisch aus machen kann.

2013 ist die Alpine Pleite gegangen. In den Jahren darauf hieß es, diese Pleite sei noch im Markt, weil es bedingt durch Nationalratswahlen in Österreich und damit verbundene Auffanglösungen gegeben hat, und würde durch eine kommende Zinswende bereinigt werden. Die Zinswende ist nicht gekommen, dafür ein Virus. Wird es jetzt zu einer Marktbereinigung kommen?

Birtel: Wenn man die Fundamentaldaten anschaut, sind die durch das Virus nicht in Frage gestellt. Es gibt eine gesunde Nachfrage nach Bauen – in Deutschland ist die noch größer als in Österreich. Und dann haben wir ja – Coronavirus hin oder her – nicht den Trend zu einer Normalisierung der Zinslandschaft. Das heißt, der Anlagedruck bleibt fundamental der Gleiche. Und es gibt auch kein Abflachen der Nachfrage nach Wohnungen. Es könnte sein, dass noch stärker ins Bewusstsein rückt, dass man mit Immobilien eine relativ sichere Assetklasse hat. Ich glaube, dass die Nachfrage nach der Bewältigung der Krise weiter intakt sein wird und damit wird es auch das entsprechende Angebot geben.