SOLID-Rechtsfragen am Bau : Baurecht: Stichtag mit Folgen

Ein Konzerthaus soll gebaut werden. Die Ausschreibung preisen die Bieter aus. Der Zuschlag ist zu dieser Zeit im April geplant. Doch durch Berichtigungen und Aufklärungsgespräche zieht sich das Vergabeverfahren in die Länge. Dazu kommen noch Verzögerungen, weil manche Bieter ihre Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nehmen. Der Zuschlag wird dem Auftragnehmer letztendlich zwei Monate später erteilt, als ursprünglich vorgesehen.

Im Vertrag ist der 5. Juli der erste Termin, an den eine Pönale gekoppelt ist. An diesem Stichtag ist vorgesehen, dass die Bodenplatte des Gebäudes fertig ist. Es war durch das lange Vorspiel absehbar, dass der Auftragnehmer diesen Termin nicht einhalten können wird. Zwei Monate später am 5. September stellt das Unternehmen die Bodenplatte fertig.

Der Auftraggeber zieht dafür die vereinbarte Pönale für zwei Monate ab, was bei tausend Euro pro Tag eine erkleckliche Summe ergibt. Die Frage drängt sich auf: Ist der Auftraggeber im Recht? Bei einer derart großen Verzögerung von zwei Monaten ist argumentierbar, dass die Pönale für den ersten Zwischentermin ersatzlos weggefallen ist.

Missverständnisse über die Funktionsweise, die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen von Pönalen sind auch bei erfahrenen Bauingenieuren immer wieder anzutreffen. Hier erhalten Sie den Überblick für die Lösung der üblichen vertraglichen Stolpersteine mit Pönalen.

1. Die richtige Bezeichnung

Ob der Begriff Pönale, Vertragsstrafe oder Konventionalstrafe verwendet wird ist einerlei. Alle drei Begriffe bedeuten dasselbe, außer der Vertrag verwendet mehrere Begriffen und definiert sie inhaltlich voneinander abweichend. Das kommt jedoch in der Praxis selten vor.

2. Pönale ist Schadenersatz

Die Pönale ist eine Zahlung, die der Auftragnehmer dem Auftraggeber vertraglich verspricht, wenn er die Leistung nicht erfüllt oder nicht gehörig erfüllt. Und das sind zwei ganz unterschiedliche Sachen: Bei einer Nichterfüllung unterbleibt die Leistung ganz oder zum Teil. Die nicht gehörige Erfüllung ist üblicherweise das Überschreiten von Fristen und Terminen. Für jeden angefangenen Tag der Überschreitung werden etwa 1.000 Euro vereinbart. Ist keine Pönale vereinbart, müsste der Auftragnehmer dem Auftraggeber den Verzugsschaden ersetzen, eine Summe, die den finanziellen Schaden abdeckt, wobei in dem Fall der Auftraggeber im Zugzwang steht und die Höhe nachweisen muss.

Die Pönale ist jedoch ein pauschalierter Schadenersatzbetrag, bei dem der Auftraggeber keinen konkreten Schaden nachweisen muss. Es genügt, dass der Auftragnehmer die Frist nicht eingehalten hat. Der Auftraggeber hat sogar Anspruch auf die Pönale, wenn ihm kein Schaden entstanden ist und nur die Frist überschritten wurde.

3. Keine Pönale ohne Vereinbarung

Eine Pönale gilt nicht automatisch. Der Auftraggeber kann sich nur dann auf die Pönale berufen, wenn sie tatsächlich vereinbart wurde. Wer sich vertraglich auf die Önorm B 2110 beruft, hat trotzdem erst ein Recht auf die Strafzahlung, wenn sie explizit vereinbart wurde. Denn die Norm regelt zwar die Funktionsweise der Pönale, aber nur für den Fall, dass sie vereinbart wurde.

Grundvoraussetzung ist immer ein gültiger Hauptvertrag. Erlischt dieser, so erlischt auch die Pönale. Absolut unmöglich ist die Einhaltung der Pönale nur dann, wenn die Fristen vor dem Zeitpunkt der Vereinbarung der Pönale liegen. Dann ist die Pönale nichtig. Ein derartiger Fall könnte etwa eintreten, wenn der erste pönalisierte Zwischentermin infolge eines verzögerten Vergabeverfahrens im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung schon verstrichen ist.

ACHTUNG: Grundsätzlich gilt: Verzögert sich der Vertragsabschluss, verschieben sich die pönalisierten Termine nicht automatisch - da heißt es Aufpassen beim Vertragsabschluss. Denn wie oben gesagt: Nur wenn die Verzögerung relativ groß ist, kann man argumentieren, dass die Pönale für den ersten Zwischentermin ersatzlos weggefallen ist.

4. Pönale und Vertragserfüllung

Bei einer Pönale für die nicht gehörige Erfüllung einer Leistung, kann der Auftraggeber selbstverständlich bei Überschreitung des Termins zweimal fordern. Einmal die Pönale für die Terminüberschreitung und dazu die Fertigstellung der Leistung.

Bei der Pönale für die Nichterfüllung läuft dies anders: Der Auftraggeber hat die Wahl, entweder die Pönale oder die Fertigstellung des Werkes zu fordern. Beides geht hier nicht. Das Wahlrecht steht nur dem Auftraggeber zu; der Auftragnehmer kann sich nicht aussuchen, was er leistet.

5. Keine Pönale bei Verzögerung durch den Auftraggeber

Liegt es am Auftraggeber, dass der vereinbarte Termin nicht erfüllbar ist, so hat der Auftragnehmer sogar einen gesetzlichen und nicht bloß vertraglichen Anspruch eine Verlängerung der Ausführungsfrist. Dadurch kommt es zu einem Hinausrücken des Fertigstellungstermins.

ACHTUNG: Kommt es zu Behinderungen oder Leistungsänderungen von Seiten des Auftraggebers, die das Einhalten der pönalisierten Termine gefährden, dann geht der Auftragnehmer korrekt so vor: Die Umstände dokumentieren und dem Auftraggeber am besten gleich schriftlich alles mitteilen. Das verhindert spätere Missverständnisse bei der Abrechnung. Keine falsche Zurückhaltung: Die Zeitverlängerungsansprüche und das Verschieben der Pönaltermine sofort und direkt ansprechen.

Kommt es zu Verzögerungen infolge von Behinderungen und ähnlichem im gesamten Zeit- und Termingefüge, dann verschieben sich die pönalisierten Termine automatisch mit. Mit nur einer Ausnahme: Nur dann, wenn die Verzögerungen das vertragliche Bauzeitgefüge völlig durcheinander bringen, etwa der Bauzeitplan über den Haufen geworfen wird, dann fällt die Pönale ganz und automatisch und ersatzlos weg. Im Streitfall, muss die Voraussetzungen für den Wegfall jedoch der Auftragnehmer beweisen.

ACHTUNG: Spezialfall Klett-Pönale: Oft sehen Bauverträge vor, dass bei Terminverschiebungen durch Leistungsänderungen und/oder Behinderungen sich auch automatisch die Pönale mitverschiebt. Dann klebt die Pönale an einem allenfalls auch nach hinten verschobenen Termin. Und das ist auch der Fall wenn die Pönale nicht explizit wieder für diesen verschobenen Termin neu mitvereinbart wird.

Hinweis: Im April lesen Sie weitere Baurechtsdetails zu Pönalen; zu den Themen Rücktritt, Verschulden, Schadenersatz, richterliche Mäßigung und Sittenwidrigkeit.

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