SOLID 09/2018 : Bauchemie: Speed kills

Ohne Chemie kein Leben – das haben wir alle schon in der Schule gelernt. Und später: aber es kommt drauf an, welche Art von Chemie, welche Stoffe verwendet werden und was bei den chemischen Reaktionen entsteht. Damit kam die Umwelt ins Spiel. Und mittlerweile ist eine weitere Umweltdimension sowohl auf der Seite der Produzenten als auch auf der Seite der Konsumenten immer wichtiger geworden: der Faktor Energie. „Die Klima- und Energiediskussion bestimmt die Entwicklungen schon jetzt maßgebend und wird dies in Zukunft auch verstärkt tun“, sagt Andreas Pfeiler, der Geschäftsführer des Fachverbands der Stein- und keramischen Industrie zum Thema Baustoffe generell. „Es gilt Wege zu finden, um den Energiebedarf deutlich zu reduzieren. Der Gebäudesektor kann hierzu einen wesentlichen Beitrag liefern. Gleiches gilt auch für die Diskussion zur Kreislaufwirtschaft. Nur vollständig rezyklierbare Produkte werden sich auf Sicht gesehen durchsetzen.“ Nachsatz: Leisten müsse man sich das alles auch können, denn: „Wer das nicht stets berücksichtigt wird mit den anderen Themen Schiffbruch erleiden.“

Geschwindigkeit als Top-Thema

Die Bauchemie-Firmen sind da – das kann man mit Fug und Recht sagen – allesamt auf einem guten Weg. So sagt stellvertretend für alle Befragten Franz Wastlbauer, Geschäftsführer von Avenarius Agro: „Der Trend geht in Richtung ökologisch. Die Anzahl der Wirkstoffe, die ins Fadenkreuz diverser Organisationen gelangen, nimmt laufend zu und müssen substituiert werden.“ Doch es gibt ein Thema, das sich in den Gesprächen als noch wichtiger heraus gestellt hat. Wastlbauer: „Ein weiterer Trend geht zu immer schnelleren Materialien, die Überarbeitungszeiten, Wartezeiten, Stillstandszeiten und -kosten minimieren oder gar verhindern. Das alles bei gleichbleibender oder besserer Qualität und Verarbeitbarkeit und womöglich ebensolcher Preisstellung.“

Geschwindigkeit ist auch für Anja Spirres, die Geschäftsführerin der MC-Bauchemie, das Um und Auf: „Da die Bauzeiten beim Neubau und auch die Sperrzeiten bei Bau- und Instandsetzungsprojekten immer kürzer werden, fordern Bauunternehmen und Planer immer mehr Produkte, die schnell eingebaut werden können. Der starke und zunehmende Preisdruck bei Bauleistungen zwingt sie außerdem oft dazu, Teilaufträge an weniger gut qualifizierte Nachunternehmer zu vergeben. Auch wenn darunter die Arbeitsqualität leidet, erwartet der Kunde letztendlich dennoch ein optimales Ergebnis. Daher werden Produkte immer wichtiger, die noch sicherer und einfacher anzuwenden sind.

Darüber hinaus erwarten Baubetriebe immer kürzere Lieferzeiten für Produkte, was für Hersteller wie die MC-Bauchemie die Bedeutung einer gesteigerten Produktionsgeschwindigkeit, erweiterten Lagerhaltung und effizienteren Logistikkette erhöht.“

„Schlanke Prozesse, Zeitdruck, Vereinfachung und Nachhaltigkeit im Sinn der Ökologie werden eine Rolle spielen“, assistiert Gunther Sames, Österreich-Geschäftsführer eines der Weltmarktführer im Bereich der bauchemischen Spezialstoffe. „Irgendwann muss ein Umdenken stattfinden, denn, wissen tun wir es alle, Ressourcen stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung!“

50 Jahre und viel Lust auf Markt

Ardex Österreich nutzte heuer die Gelegenheit, anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums breit Bilanz zu ziehen und neue Ziele zu setzen. In Österreich, so die Kernaussage, sei der Markt gesättigt und mit mehr als 30 Marktteilnehmern sehr gut besetzt (das Ziel daher der Ausbau der Marktführerstellung bei Fliesenkleber und Spachtelmassen). Großes Potenzial und Chancen für Wachstum bestehe aber in den süd-ost- und ost-europäischen Ländern. Sames: „Speziell in der Türkei und in Russland, im Speziellen rund um Moskau sehen wir großes Wachstumspotenzial. Dort ist für unsere Leistungen und Systemprodukte ein großer Markt vorhanden. Die Bearbeitung dieser beiden Länder hat für uns in den nächsten Jahren die höchste Priorität. Der osteuropäische Markt gilt zwar als schwierig, dennoch sehen wir gerade hier Chancen, mit unseren hochqualitativen Produkten und auch den damit verbunden Dienstleistungen Fuß zu fassen. Warum? Auch diese Länder streben vermehrt nach westlichen, höheren Standards. Das bringen beispielsweise die höheren Anforderungen aus dem Tourismus mit sich.“

Kundenverhalten ändert sich

Seit einigen Jahren, sagt Sames und spricht dabei für die gesamte Branche, verändere sich das Bestellverhalten der Kunden. Kurzfristige Lieferungen werden wesentlich häufiger angefragt als früher, die Lagerhaltung vor Ort aus Kostengründen reduziert.

Das führe in weiterer Folge dazu, dass die Waren bedarfsgerecht abgefragt würden und die Anzahl zu liefernder Mischpaletten steige. Damit steige aber auch der Aufwand für die Bearbeitung der Aufträge. Sames: „Da spielt Digitalisierung in Zukunft sicher eine Rolle. Sie spiegelt den Zeitdruck auf Baustellen wieder und rechtfertigt in weiterer Folge auch die Notwendigkeit von Bauwerksdatenmodellierungs-Systemen und Produktinformationsmanagement-Systemen.“

Südosteuropa und nötige Investitionsschübe sind auch bei der zur Schmid Industrie Holding gehörenden Firma Murexin ein Thema. Geschäftsführer Bernhard Mucherl dazu: „Im vergangenen Jahr haben wir rund zwei Millionen Euro in die Renovierung unseres Verwaltungsgebäudes, in die Nassproduktionsanlage, in Logistik- und EDV-Lösungen investiert.“ Im Zuge der Übernahme der Wietersdorfer-Baustoffsparte durch das Schwesterunternehmen Baumit hat Murexin GmbH die ehemalige slowenische Wietersdorfer-Tochter KEMA im Osten Sloweniens übernommen. „Mit KEMA verstärken wir unsere Aktivitäten Richtung Südosteuropa, gewinnen zusätzliche Produktionskapazitäten mit denen wir zukünftigen Engpässen in Wiener Neustadt entgegenwirken können und bekommen eigenen Quarzsand in der Murexin Gruppe“, sieht Mucherl.

Ein wichtiges Thema, ergänzt Murexin-Vertriebsleiter Peter Reischer, ist die Innovationsquote: „Rund ein Drittel unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit neuen Produkten. Das möchten wir beibehalten und setzen daher auf noch qualitativ hochwertigere Produkte – vom Erscheinungsbild, über Staubarmut und Verarbeiterfreundlichkeit, bis zum Gebinde in der optimalen Größe und Handhabung, was die Rücken der Verarbeiter schont“.