Österreich : Bau-Normen einmal mehr in der Kritik

Von einem "Dickicht" an Bauvorschriften sprach Ingenieurkonsulent Erich Kern von der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten. "Derzeit ist es eigentlich unmöglich, richtig zu bauen", meinte er am Donnerstagabend und bezifferte die Zahl der Normen auf 24.000. Deren Anwendung sei teuer, da es auch überzogene Anforderungen gebe. Mit Verweis auf den "Stand der Technik" hätten viele Normen Gesetzescharakter. Oft würden sich Vorgaben sogar auf Sachverhalte beziehen, deren Regelung eigentlich dem Gesetzgeber vorbehalten sei.

Nötig wäre laut Kern eine Kosten-Nutzen-Gegenüberstellung bei Normen sowie das Bekenntnis dazu, dass man mit gewissen Risiken leben müsse. So wie es keine absolute Erdbebensicherheit gebe, sei auch eine 100-prozentige Barrierefreiheit im Wohnbau unmöglich. Vielfach reiche wohl ein kleinster gemeinsamer Nenner auf Basis definierter Schutzziele, die flexibel gehandhabt werden sollen. Als positive Ergebnisse eines Ausmistens verwies Kern auf Erleichterungen bei den Stellplatz- oder Notkamin-Regelungen. Allerdings würden in den Normungs-Gremien oft Leute fehlen, die an die Kosten denken oder die Häuslbauer vertreten. Die Gremien seien zu industrielastig, so die Kritik des Bau-Ingenieurkonsulenten bei dem Symposium in Krems (NÖ).

Der Obmann der im großvolumigen Wohnbau führenden gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV), Karl Wurm, kritisierte die hohe Zahl an Normen und verlangte, das Austrian Standards Institute (ASI) - vormals Österreichisches Normungsinstitut - "einzubremsen", denn das habe sich "verselbstständigt, weil dort Leute am Drücker sind, die von Normen profitieren". Man könne dort zwar auch über ein neues Normengesetz mitdiskutieren, "aber das ist eine sinnlose Geschichte, weil man dabei kein Mandat hat", meinte der GBV-Obmann.

AK-Wohnexperte Walter Rosifka bezeichnete die Normungsinstituts-Arbeitsgruppen als "nicht wirklich transparent". Dort gelte jetzt nicht mehr das Einstimmigkeits-, sondern nur mehr das Mehrheitsprinzip. Als er teilgenommen habe, sei er sich schon "etwas ausgesperrt" vorgekommen. Auch schilderte er eine Schieflage der Vertretungsbefugnis: Einzelne Firmen seien gleich mit fünf Leuten vertreten gewesen, namens der Arbeiterkammer wäre aber eine zweite Person nur als ein Ersatzmitglied akzeptiert worden.

Baumeister Elmar Hagmann, geschäftsführender Gesellschaft der Baufirma Wilhelm Sedlak, verwies darauf, dass 80 Prozent der Normen gar nicht hausgemacht seien, sondern aus der EU kämen. Auch Hagmann kritisierte, dass die Normungsausschüsse hauptsächlich mit Standesvertretern der Unternehmen und von Gebietskörperschaften, vorwiegend aus Wien, beschickt würden. Doch für ein EU-Lobbying in Brüssel fehlten qualifizierte Vertreter, da sich das außer den Firmenvertretern niemand leisten könne. Und bei den Gutachtern vor Gericht sei "der Sachverstand oft durch eine Normenlesekompetenz ersetzt worden", ätzte der Baumeister.

GBV-Obmann Wurm begrüßte die oberösterreichische Initiative für Vereinfachungen in diesem Bereich, über die davor FPÖ-Bautensprecher NR-Abg. Philipp Schrangl berichtet hatte. "Natürlich müssen wir mit den Standards runter", so der Spitzenvertreter der Gemeinnützigen, "denn wir haben lang genug Party gefeiert und uns ein Wunschkonzert geleistet".

So stellte etwa der Salzburger Gemeinnützigen-Vertreter Markus Sturm in Frage, ob man im Klimaschutz auch noch "die letzten fünf Prozent energetisch herausholen muss, was viel Geld kostet". Im Bereich eines Passivhaus-Standards sei man nämlich nach Kosten-Nutzen-Erwägungen schon "grenzwertig" unterwegs, so der Obmann des Verein für Wohnbauförderung (APA).