SOLID 11/2021 : Bau-Gipfel zur Digitalisierung: "Ein Prozess, der nie endet"

Die notwendige Digitalisierung der Bauwirtschaft ist ein Schlagwort, das uns gefühlt seit fünf bis sechs Jahren massiv begleitet. Ebenso lang wird Digitalisierung sehr stark am Thema Building Information Management (oder Modeling) aufgehängt. Mittlerweile weiß die Branche nicht nur, dass Digital mehr als BIM ist, sondern hat auch jede Menge an Erfahrung gesammelt.

Um hier einmal eine Zwischenbilanz zu ziehen, traf sich eine hochkarätige Runde im neuen Horvath-Headquarter im Canetti-Tower am Wiener Hauptbahnhof – just am Abend desselben Tages, an dem die Strabag zusammen mit Schalungsspezialist Peri und Zementlieferant Lafarge das erste 3-D-gedruckte Haus Österreichs und damit die Umsetzung einer Spielart der Digitalisierung präsentiert hatte.

So war es auch Strabag-CEO Thomas Birtel, dem die Aufgabe zukam, als Erster eine Zwischenbilanz der Digitalisierung zu ziehen. Er überraschte zunächst mit der Beobachtung, dass in letzter Zeit das Thema Digitalisierung als Dauerthema der Baubranche einigermaßen vom Thema Nachhaltigkeit verdrängt worden sei. „Man könnte auch salopp sagen, es wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Die Digitalisierung am Bau wird ein bisschen so behandelt, als ob sie erledigt wäre, weil wir uns so lange damit beschäftigt haben. Ich denke aber, dass die meisten am Tisch mir zustimmen werden, wenn ich sage: es ist keineswegs erledigt.“ Es ginge sogar mit verstärkter Intensität weiter, sei aber derzeit in der Öffentlichkeit als Zentrum des Interesses eben vom Thema Nachhaltigkeit abgelöst worden. „Insofern bin ich sehr froh, dass ich zu diesem Gespräch eingeladen worden bin und wir uns hier dazu austauschen können“.

Trendscouting, Pilotprojekte, Rollout

In der Strabag habe das Thema insofern einen großen Impuls erhalten, als man sich ja 2018 dazu entschlossen habe, ein zusätzliches Vorstandsressort für Digitalisierung und Innovation einzuführen, das seit Anfang 2020 von Klemens Haselsteiner bekleidet wird.

„Wenn man das tut, muss einem klar sein, dass man damit was lostritt – und das ist auch bei uns der Fall gewesen. Das hat zu spürbar mehr Aktivität, aber auch mehr Aufwand geführt – und wir haben das Herangehen aus meiner Sicht auch deutlich systematisiert.“

Strabag-CEO Thomas Birtel: „Eine Politik der kleinen Schritte hat sich als sinnvoller erwiesen anstelle eines großen Ziels, bei dem man vor lauter Lastenhefterstellung nicht ins Tun kommt.“

- © Thomas Topf

BIM-Projekte wären davor als interdisziplinäre Projekte im Haus verstanden worden, was bis in den Vorstand zu unterschiedlichen Zuständigkeiten und viel Koordinierungsaufwand geführt hätte. Mit dem neuen Ressort wäre ein anderer Ansatz eingezogen, „nämlich ein dreistufiger, der wirklich übergreifend über alle Segmente geht.“ Die erste Stufe ist Trendscouting - die Suche nach Ideen, die bei der Digitalisierung helfen können. Themen wie Robotik oder KI sind dem bereits entwachsen und gehören schon zur zweiten Stufe, Pilotprojekte mit dem Thema: wenn es eine Idee gibt – wie kann sie in Umsetzungsnähe kommen? „Dazu hat sich eine Politik der kleinen Schritte als sinnvoll erwiesen anstelle eines großen Ziels, bei dem man vor lauter Zielformulierung und Lastenhefterstellung nicht ins Tun kommt.“ Die 3-D-Druck-Präsentation bei der Asphaltmischanlage in Hausleiten wäre so ein typisches Pilotprojekt. „Was daraus am Ende wird, wissen wir noch nicht und das haben wir auch heute sehr deutlich gesagt – daher ist es ein Pilotprojekt wie ein Bohrrobotertest mit Hilti, den Spot-Roboter von Boston Dynamics (wurde auf der diesjährigen Solidkonferenz präsentiert, Anm.) oder ähnliches.“

Die dritte Phase, in die alles hineinmünden sollte, ist dann die Phase des Rollouts. „Da würde ich heute schon BIM 5 D mit Open BIM ansiedeln, wo wir nicht mehr auf das große System warten, sondern Kollaboration projektbezogen üben und durchführen“, sagte Birtel. Ebenfalls in Phase 3 sieht der Strabag-CEO Lean Construction mit dafür geeigneten Werkzeugen wie digitaler Taktsteuerung im Hochbau.

Als weitere Themen der Digitalisierung schnitt Birtel („Aber da sind wir nicht alleine und da muss man - wie ich mittlerweile weiß - früh genug dran sein, weil wir als industrielle Investoren eine ganz andere Herangehensweise als Finanzinvestoren haben“) die Beteiligung an Startups an (im Fall der Strabag etwa Schüttflix) und schloss mit: „Das Thema ist also weit nicht erledigt, wir sind auch nicht mit dem erreichten Status zufrieden – und es ist eine Aufgabe, die durch Nachhaltigkeit nicht abgelöst wird, sondern die noch dazu kommt.“

Strauss: „Sind mittlerweile auf einem vernünftigen Niveau“

Für den zweitgrößten Baukonzern Österreichs Porr lief das Thema Digitalisierung lange unter dem Schlagwort „Papierlose Baustelle“. Deren Vorstandsvorsitzender und Miteigner Karl-Heinz Strauss stimmte dem Gesagten insofern zu, als „Digitalisierung kein Projekt ist, sondern ein Prozess, der nie endet, weil sich ja auch die Bedingungen ändern.“ Wenn man so zeitig einstiege wie die Porr, mache man natürlich einerseits auch Fehler, aber auch große Schritte nach vorne. „Manche Schritte führen einen aber auch wieder auf Basisthemen zurück. Am Anfang glaubt man, man kann sehr viel mit Digitalisierung lösen, wenn man Prozesse standardisiert, harmonisiert und versucht sie zu automatisieren. Da scheitert man aber oft an der Realität der unterschiedlichen Firmen und Schauplätze.“ Er glaube, dass die Porr da mittlerweile auf einem vernünftigen Niveau wäre. „Unser Glück war, dass wir sehr schnell an die Operativen mit einbezogen haben.“ denn wenn man zu viel theoretisiert habe, sagte Strauss, sei man kurz vor dem scheinbaren Ende draufgekommen, dass man noch nicht einmal zwei Drittel habe, weil man in die falsche Richtung galoppiert sei. Man habe dann aus 18 Projekten sechs gemacht und sich auf wesentliche Themen rund um den operativen Betrieb fokussiert.

Als Beispiel nannte Strauss die Umstellung des gesamten Maschinenparks auf Künstliche Intelligenz bei jedem der 55.000 Geräte, von denen 10.000 mit einer eigenen Telematik ausgestattet seien. „Heute sind das so viele Daten, dass man das Data Lake nennt, wie ich lerne. Die KI macht dann Auswertungen, die uns sagen, wann Geräte in Überlastungsgefahr kommen, wann sich eine Wartung ankündigt oder wann ein guter Zeitpunkt ist, um sie zu verkaufen.“ Das verliefe ebenso wie die Ersatzteilbeschaffung schon im Sinn des formulierten Ziels völlig papierlos.

Man habe aber auch lernen müssen, dass man die Daten reduzieren und die Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau aufgeben müsse.

Karl-Heinz Strauss, CEO Porr: "Man muss konsequent bleiben und bei manchen Dingen Nein sagen – denn die Verlockung ist jeden Tag groß. Aber erstens hat man die Kapazität nicht und zweitens kostet es ein Vermögen, wenn man sich verzettelt.“

- © Thomas Topf

Bei BIM im Hochbau sieht Strauss bei der Porr eine Durchdringungsdichte von 90 Prozent im Hochbau einschließlich Kalkulation. „Wir sind da gut in der Übung – wenn etwas scheitert, dann an der Ausbildung der Leute und da setzen wir jetzt massiv an, zum Beispiel mit einem eigenen Masterlehrgang an der Grazer Uni und natürlich innerbetrieblicher Fortbildung, wo wir uns am Startup Quickspeech beteiligt haben.“ Man arbeite da sehr stark an den Themen Lean Design, Lean Construction aus dem Modell heraus und Design to Budget. „Mit Lean Construction gelingt es uns, die Verschwendung extrem zu reduzieren und sehr früh im Projektprozess richtig zu liegen. Auf diese Weise bauen wir mittlerweile ein komplexes Bürohaus um 130 Millionen statt in 24 in 18 Monaten und das treibt natürlich die Marge nach oben und wird der ganzen Bauwirtschaft helfen.“

Im Tiefbau sei die Porr noch nicht so weit, „hier lernen wir von den anderen und versuchen, deren Fehler zu vermeiden. Da sind die riesigen Datenmengen schon ein Thema, aber wir kommen weiter. Ich finde das hochinteressant, wie sich die Dinge ändern, wenn man zuerst nachdenkt und dann erst handelt. Aber der Bottleneck sind und bleiben die Mitarbeiter.“

Offene Logistikplattform in Gründung

Anfang September hat die Porr ja zusammen mit der Umdasch-Tochter Doka die Schaffung eines für alle offenen Baulogistik-Joint-Ventures angekündigt. Die Firma ist kurz vor der offiziellen Gründung, auch einen Namen gäbe es schon, der würde aber erst zum echten Gründungszeitpunkt verraten. „Ich finde, es ist ein Unwesen in unserer Branche, wenn jeder Dinge nur für sich selber entwickelt und sie dann mit Ellenbogentechnik verteidigt.“ Weitere aktuelle Themen für die Porr seien die Erweiterung der Personal- und Dokumentationssoftware Ishap in Richtung Risikomanagement und die Entwicklung eines elektronisches Gebäudehandbuch. „Wir sind insgesamt einerseits sehr weit, weil wir uns auf bestimmte Prozesse konzentriert haben. Man darf sich aber nicht zu viel zu schnell erwarten, weil es immer an den beteiligten Menschen liegt. Und man muss konsequent bleiben und bei manchen Dingen Nein sagen – denn die Verlockung ist jeden Tag groß, neue Dinge zu tun und auf neue Züge aufzuspringen. Aber erstens hat man die Kapazität nicht und zweitens kostet es ein Vermögen, wenn man sich verzettelt.“

Mit dem Thema der Baulogistik-Plattform war gleich Umdasch-CEO Wolfgang Litzlbauer angesprochen, der aus der Automotive-Industrie erst vor einem halben Jahr an die operative Spitze der Doka-Mutter gewechselt war, allerdings als Aufsichtsratsmitglied schon fünf Jahre Erfahrung mit und über die Umdasch Group mitgebracht hat. Dennoch gibt die Erfahrung in der klassischen Industrie bei der Betrachtung der Bauwirtschaft und vor allem der Digitalisierung der Branche einen erweiterten Blickwinkel. Litzlbauer betont auch gleich den unternehmensübergreifenden Aspekt der Logistik-Plattform: „Die Plattform ist bewusst darauf ausgelegt, dass sie möglichst breit ist, dass möglichst alle teilnehmen können, also auch Konkurrenten der Doka wie Peri oder Hünnebeck. Es geht hier wirklich darum, über die Digitalisierung einen Produktivitätsfortschritt für alle zu erzielen. Hier werden auch keine sensiblen Daten ausgetauscht – wir haben viel Geld dafür investiert, dass über SAP als Provider die Diskretion gewahrt bleibt.“

Umdasch-Group-CEO Wolfgang Litzlbauer: "Alles, was wir in der Digitalisierung tun, muss einen Wertbeitrag bringen und wir machen nichts zum Selbstzweck der Digitalisierung."

- © Thomas Topf

Digitalisierungsthemen brächten, so Litzlbauer, nur über die Skalierung große Vorteile. Im Unterschied zu den ausführenden Unternehmen sei aber das Geschäft seiner Firma ein anderes, weil man seine Identität als Technologieprovider, industrieller Serviceleister und Produzent sieht. „Da ist der Scope natürlich schon ein anderer. Mir geht es sehr stark um die Entmystifizierung des Begriffs Digitalisierung. Wenn der Begriff fällt, werden viele ein bisschen nervös und laufen, umgangssprachlich formuliert, herum wie die aufgescheuchten Hühner – aber es ist wichtig, Struktur hineinzubringen.“ Daraus folge bei der Umdasch Group ein zweistufiger Prozess: Stufe eins heißt „Digitize the Core“ und hat das Ziel, in alle internen Prozesse in Fertigung und Administration einen Ablaufstandard hineinzubringen. „Und wenn man das hingebracht hat, geht es in einer zweiten Stufe darum, das zu automatisieren – und da entsteht dann der Wertbeitrag in Form von Kosteneinsparungen.“ Litzlbauers Credo sei daher: alles, was man in der Digitalisierung tut, muss einen Wertbeitrag bringen und man mache nichts zum Selbstzweck der Digitalisierung.

In einem zweiten Schritt nach der Kosteneinsparung ginge es darum, als Enabler neue Geschäftsfelder und Opportunitäten zu entwickeln. „Das soll sowohl in den Kerngeschäften Schalungstechnologie bzw. Ladenbau passieren, aber es soll auch bei neuen Themen passieren, in denen wir nachhaltig wachsen wollen.“ Für diese neuen Themen bliebe der Fokus auf der Bauindustrie, „aber nicht nur beim Construction-Bereich, sondern beim gesamten Lebenszyklus vom Development bis zum Recycling – womit man auch das Thema Nachhaltigkeit entmystifizieren kann.“ Ein Thema dabei ist etwa die Rückgewinnung des bereits in die Atmosphäre geblasenen und dort wirksamen CO2 - und auch damit wolle man Geld verdienen. „Die Frage für uns ist immer und bei jedem Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsthema: welchen Mehrwert können wir als Umdasch Group bringen und monetarisieren. Auf der Baustelle ist das die Sensorik in der Schalung mit unserem Produkt Contakt. Wenn man mit dessen Hilfe die Aushärtungsprozesse gut steuert, braucht man weniger Zement und spart sich auch beim Transport einiges – das bringt einen direkten Wertbeitrag für unsere Kunden und fördert gleichzeitig die Nachhaltigkeit. Und wir versprechen uns auch einen geschäftlichen Spinoff mit Beratungsleistungen aus den vielen gewonnenen Daten.“

Umdasch 3-D-Druck: „Sehr weit, aber erst auf den Markt, wenn wir es auch beweisen können.“

Und auch beim Eingangsthema 3-D-Druck werde Umdasch bald etwas zu bieten haben. Im Unterschied zum Strabag-Haus drucke man nicht Mörtel, sondern „aus Kosteneffizienzgründen“ Beton mit einer Korngröße über 4 mm. „Da ist allerdings der Hund im Detail begraben und es braucht viel Technologieentwicklung. Da sind wir schon sehr weit, werden aber erst auf den Markt gehen, wenn wir das auch beweisen können.“

Gezeigt werden soll das Projekt auf der bauma 2022 (24.-30.10., München).

Einig sind sich Litzelbauer und Birtel allerdings darin, dass es beim 3-D-Druck-Thema im Endeffekt wohl nicht darum gehen werde, Häuser zu drucken – schon gar nicht in Europa. Die Zukunft liege eher in Sonderformen in kleinen Stückzahlen, komplementär zu Fertigteilen. Und ebenso wie Karl-Heinz Strauss sehe man sich „extrem auf dem Thema Schulung drauf – und das kann man natürlich in jeder Form auch virtuell anbieten.“

Für Kirchdorfer Concrete Solutions-Geschäftsführer Michael Wardian läuft die Digitalisierung der Baubranche „nicht seit fünf, sondern seit 15 Jahren – nur da nicht so öffentlichkeitswirksam, das hat sicher mit BIM begonnen.“ Er selber sei 2003 als Softwareentwickler direkt im Rahmen der SAP-Einführung zu Kirchdorfer gestoßen. „Für mich ist immer der Blick auf die Systemlandschaft von Firmen interessant. Man kauft ja immer wieder Firmen zu – bei Kirchdorfer waren es ca. 10 - und macht oftmals den Fehler, dass man zunächst versucht, das Geschäft weiter zu betreiben und gut Funktionierendes nicht zu ändern.“ Dafür habe man in den letzten vier bis fünf Jahren die Rechnung präsentiert bekommen, als man harmonisieren wollte und auf große Widerstände gestoßen war. „Diese Widerstände werden aus meiner Sicht beim Thema Digitalisierung vollkommen unterschätzt. Wir haben daher bei den letzten beiden Firmenkäufen die Strategie geändert und mit dem Tag des Unternehmenskaufs in den zugekauften Unternehmen das übergreifende ERP-System eingeführt.“ Wardian glaubt nicht, dass seine Firma dabei in der Baubranche ein Sonderfall ist („da bin ich über die Ehrlichkeit meiner Vorredner sehr froh“) – im Unterschied zu seiner Herkunftsindustrie, der Telekommunikation.

Wardian: müssen alle Templates selber entwickeln

Ähnlich wie bei der Porr habe man versucht, mithilfe von Beratung Ordnung in die Prozesse zu bringen und sechs Programme definiert. „Die Digitalisierung ist damit von einem Beiwerk zur Erreichung von unterschiedlichen Zielen zu einem Gesamtziel geworden, bei dem man bei der Implementierung keine Workarounds mehr zulassen wolle.“

Kirchdorfer Concrete Solutions-Geschäftsführer Michael Wardian: "Es gibt bis heute aus meiner Sicht keine ERP-Branchenlösung am Markt. Alles muss komplett neu aufgesetzt werden – das finde ich fast unglaublich.“

- © Thomas Topf

Überraschend und ernüchternd sei, wie wenige fertige Template-Lösungen es in der Baubranche gäbe. „Die SAP hat schon vor 20 Jahren und mehr Banken- und Telekom-Lösungen gehabt – die angebliche Branchenlösung, die man damals bei der MABA einführen wollte, war ein ganz normales Standard-SAP, weit entfernt von einer Branchenlösung. Und es gibt bis heute aus meiner Sicht keine Branchenlösung am Markt. Die haben wir dann selber gemacht, zum Beispiel für unsere Gleistragplatte mit Integration zu den ÖBB hin. Alles muss komplett neu aufgesetzt werden – das finde ich fast unglaublich.“ Ähnlich unzufrieden mit den Software-Ingenieuren zeigt sich Wardian beim Projektabschluss, wo oft langes Hinterherlaufen notwendig sei.

Eine weitere Überraschung sei, dass es im Bezug auf digitale Integration „relativ wenig Kundeninteraktion mit der großen Bauindustrie“ gäbe, diese passiere eher direkt mit Auftraggebern wie ÖBB oder Asfinag.

Stefan Graf, CEO Leyrer + Graf: "Wenn jemand sagt: das muss man eh nur mehr programmieren, entsteht eine enorme Erwartungshaltung, die so aber nicht einzulösen ist."

- © Thomas Topf

Leyrer + Graf-Chef Stefan Graf sieht bei Digitalisierung und Nachhaltigkeit eine gemeinsame Gefahr: „Man glaubt, man dreht an ein paar Schrauben und man hat das Problem gelöst. Das ist aber nicht so. Der Teufel liegt immer im Detail und Hypes werden durch neue Hypes abgelöst.“ Dabei gingen Digitalisierung und Nachhaltigkeit richtig verstanden Hand in Hand, denn „wo kommen denn die Daten her, nach denen wir unsere Umwelt-Ratings berechnen und steuern, wenn nicht aus unseren Systemen? Ich sehe die Digitalisierung da als enormen Verstärker.“ Er selber sehe sich als „mit der Gnade eines großen Interesses an Digitalisierung geboren“, habe aber 2018 bei einer internen Veranstaltung mit ca. 40 Personen die Frage gestellt, ob jemand definieren könne, was Digitalisierung genau ist? „Dann war lange Stille.“ Die wahre Herausforderung liege aus Grafs Sicht in der Schnittstellenthematik der so unterschiedlichen Stakeholder in der Bauindustrie von Auftraggebern über Ausführende zu Herstellern, Dienstleistern und Planern. „Ich finde allein in unserem Unternehmen fünf unterschiedliche Felder mit Schnittstellen zueinander.“ Und essenziell sei, „das Thema sehr genau aufdröseln, um sich nicht zu verlieren, sondern den richtigen Punkt zu finden. Denn wenn einmal Ideen sprühen, dann sprühen sie – und wenn dann jemand sagt: das muss man eh nur mehr programmieren, entsteht eine enorme Erwartungshaltung, die so aber nicht einzulösen ist. Dazu habe ich gelernt: je einfacher die Oberfläche, desto komplizierter ist die Programmierung, die notwendig ist, um Fehler abzufangen. Wir stehen da weiter vor einer großen Herausforderung und ich finde sehr positiv, dass dieser Hype – so notwendig er war, um das Thema überhaupt ins Rollen zu bringen - sich auf ein vernünftiges Maß eingependelt hat, mit dem man konzentriert an den richtigen Dingen arbeiten kann.“

Christoph Weber, Bauexperte Horvath: „Wenn man jetzt über Digitalisierung spricht und das damit vergleicht, worüber wir vor drei oder vier Jahren gesprochen haben, sind da schon sehr viele Punkte weiter gegangen."

- © Thomas Topf

Weber: „Digitalisierung wird großer Enabler bei Nachhaltigkeit“

Für Unternehmensberater und Gastgeber Horvath hat Christoph Weber schon einige Studien zur Bauindustrie verfasst, eine große davon 2017 zum Thema der profitablen Neuausrichtung der Branche. Damals hatte er Transparenz als einen entscheidenden Faktor benannt. Wie sieht er die Entwicklung seither? „Wenn man jetzt über Digitalisierung spricht und das damit vergleicht, worüber wir vor drei oder vier Jahren gesprochen haben, sind da schon sehr viele Punkte weiter gegangen. Jedes Großunternehmen hat sich gefunden und Organisationseinheiten aufgebaut, die meisten nach einem sehr ähnlichen Prinzip. Ich glaube auch, dass ein Umdenken stattgefunden hat in Richtung einer Abkehr vom Glauben, dass man in fünf Jahren mit dem Thema durch ist.“ Er selber wäre damals auch aus seinen Vergleichserfahrungen mit anderen Industrien sehr überrascht gewesen, dass eine Industrie, die so dezentral organisiert sei wie die Bauwirtschaft, sich so einen ambitionierten Zeitplan vorgenommen hätte. „Da gab es eine gewisse Lernkurve und man weiß nun, dass man wahrscheinlich die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre mit dem Thema beschäftigt sein wird. Und Digitalisierung wird sicher einer der großen Enabler beim Thema Nachhaltigkeit und vor allem deren Exekution sein.“

Im Anschluss kam es zu einer angeregten Diskussion über die Themen Transparenz und Digitalisierung und deren Auswirkung auf Margen, die Konkurrenzsituation mit Firmen aus China oder der Türkei und das ewige Thema der Preisgestaltung und des vom Markt befeuerten Konkurrenzdenkens, bei der die Beteiligten sehr angeregt ihre Meinungen und Erfahrungen austauschten, aber auch das große Potenzial der Baubranche betonten, zu dessen Hebung Digitalisierung unbedingt nötig sei.

© Thomas Topf

Stefan Bergsmann, Geschäftsführer Horvath Österreich: "Digitalisierung ist nach wie vor die Nummer Eins unter den wichtigsten Branchenthemen, die wir routinemäßig immer wieder abfragen."

- © Thomas Topf