SOLID 10/2020 : Alternativen: ja, aber nur bei Gleichwertigkeit

Auch wenn viele öffentliche Auftraggeber mittlerweile ein umfangreiches Know-How hinsichtlich der von ihnen zu beschaffenden Leistungen erworben haben, so kann es für diese Auftraggeber dennoch vorteilhaft sein, auf das praktische Wissen von anbietenden Unternehmen im Rahmen des Vergabeverfahrens zurückzugreifen. In der Vergabepraxis haben sich insbesondere Alternativangebote als nützliches Instrument erwiesen, um neue und innovative Ideen von Bietern entsprechend zu berücksichtigen. Im Folgenden sollen daher die gesetzlichen Voraussetzungen für Alternativangebote näher betrachtet werden.

Vergaberechtliche Zulässigkeit von Alternativangeboten

Alternativangebote sind Angebote zu einem alternativen Leistungsvorschlag eines Bieters und weichen als solche vom ausgeschriebenen Vertragsinhalt ab. Sie können wirtschaftlicher (zB andere Zahlungsmodalitäten), technischer (zB andere technische Ausführungen) und/oder rechtlicher (zB andere Leistungs- und Gewährleistungsfristen) Natur sein. Alternativangebote stellen zu einem gewissen Grad eine vergaberechtliche Anomalie dar, weil sie dem allgemeinen Vergabegrundsatz der Deckungsgleichheit von Angeboten und Ausschreibungsbedingungen widersprechen (sogenannter "Kongruenzgrundsatz").

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Vor diesem Hintergrund sind Alternativangebote auch nicht uneingeschränkt zulässig. Vielmehr muss der jeweilige öffentliche Auftraggeber sie in seinen Ausschreibungsbedingungen ausdrücklich für zulässig erklären (vgl § 96 Abs 1 BVergG 2018). Ob und welche Alternativangebote (wirtschaftlich, technisch oder rechtlich) für zulässig erklärt werden, ist die alleinige Entscheidung des jeweiligen Auftraggebers. Lässt der Auftraggeber Alternativangebote jedoch ohne genauere Angaben zu, sind sowohl technische als auch wirtschaftliche und rechtliche Alternativangebote möglich. Ohne ausdrückliche Zulässigkeitserklärung sind Alternativangebote jedoch gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 zwingend von Vergabeverfahren auszuscheiden.

Im Gegensatz dazu sind beispielsweise Abänderungsangebote grundsätzlich zulässig, sofern nicht anders festgelegt. Abänderungsangebote dürfen allerdings nur geringfügige (gleichwertige) technische Änderungen beinhalten und keinen alternativen Lösungsvorschlag darstellen (die Abgrenzung zum Alternativangebot ist dabei oft schwierig).

Alternativangebote dürfen – sofern in der jeweiligen Ausschreibung nicht anders festgelegt – grundsätzlich nur neben einem ausschreibungskonformen (Haupt-)Angebot abgegeben werden. Dabei haben Bieter insbesondere darauf zu achten, dass ihre Alternativangebote zumindest geringfügig von der Ausschreibung abweichen. Ist dies nicht der Fall, könnten zwei (uU auszuscheidende) Hauptangebote vorliegen. Grundsätzlich muss ein Bieter sein Alternativangebot selbst definieren und klar vom Hauptangebot abgrenzen. Folglich ist es dem Auftraggeber auch nicht gestattet, nur einen Teil eines Alternativangebots herauszunehmen, um diesen beispielsweise mit dem Hauptangebot zu kombinieren (kein "Rosinenpicken"). Dies würde schließlich dazu führen, dass der Auftraggeber ein komplett neues Angebot für den Bieter erstellen würde, welches der Bieter in dieser Form nie abgegeben hat.

Festlegung von Mindestanforderungen an Alternativangebote

Die wichtigste Hürde, die ein Alternativangebot zu überspringen hat, ist jene der Gleichwertigkeit mit dem Hauptangebot. Für diesen Zweck hat der Auftraggeber – schon in den Ausschreibungsunterlagen – Kriterien und Eigenschaften zu spezifizieren, welche für ihn bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit maßgeblich sind; sogenannte "Mindestanforderungen" (zB dass ein Alternativangebot als gleichwertig gilt, wenn es konkrete technische Messwerte erfüllt). Diese Mindestanforderungen verfolgen zwei Ziele, nämlich einerseits die Sicherstellung der Transparenz bei der Angebotslegung und -prüfung (Transparenzprinzip) sowie die Gewährleistung der Gleichbehandlung aller Bieter (Gleichbehandlungsgrundsatz). Auch hier gilt der allgemeine Transparenz-Grundsatz, dass die Anforderungen so konkret und klar festgelegt sein müssen, dass Bieter bei Angebotsabgabe die Erfolgsaussichten ihres Angebots beurteilen können müssen.

Die Festlegung der Mindestanforderungen muss dafür zwingend bereits in den Ausschreibungsunterlagen erfolgen. Macht ein Auftraggeber dies nicht, zu spät oder nicht hinreichend detailliert, können Alternativangebot nicht für den Zuschlag in Aussicht genommen werden. Derart mangelhafte Festlegungen können idR auch nicht bestandfest werden, weil es sich dabei um nicht heilbare (Wurzel-)Mängel handelt. Es liegt allerdings im Ermessen des jeweiligen Auftraggebers festzulegen, wie streng die von ihm bestimmten Mindestanforderungen sind.

In der Vergabepraxis stellt sich dabei immer wieder die Frage, wie detailliert Mindestanforderungen sein müssen, um dem Transparenzprinzip und dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht zu werden. Eine Frage, die sich idR nur auf Einzelfallbasis beantworten lässt. Der Umstand, dass ein Auftraggeber Mindestanforderungen festgelegt hat, bedeutet allerdings noch nicht deren praktische Tauglichkeit als Vergleichskriterium.

In diesem Sinne ist etwa die bloße Festlegung der verpflichtenden Gleichwertigkeit von Alternativ- und Hauptangebot keine ausreichende Mindestanforderung. Eine solche Festlegung würde lediglich das zu erreichende Niveau der Alternative beschreiben. Ebenso wenig ist es ausreichend, wenn sich die Gleichwertigkeit aus dem "Zweck" der ausgeschriebenen Leistung oder aus den Ausschreibungsunterlagen herauslesen lässt bzw die Einhaltung des Bau-Solls bei Alternativangeboten für verpflichtend erklärt wird. In diesem Sinne hat auch der Europäische Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass bloße Normverweise (zB bloßer Verweis auf die RVS) in den Ausschreibungsunterlagen nicht ausreichend als Festlegung von Mindestanforderungen sind. Vielmehr muss sich die konkret zu erreichende Gleichwertigkeit aus den Ausschreibungsunterlagen ergeben.

Als Kriterien für die technische Gleichwertigkeit von Alternativen wären im Konkreten etwa bestimmte Leistungsdurchschnitte, zu erreichende Mindestkapazitäten, die Mindesthaltbarkeit oder spezielle Benutzungsvoraussetzungen denkbar. Rechtliche Alternativen müssen hinsichtlich ihrer Gleichwertigkeit idR an den wirtschaftlichen Auswirkungen der Änderung im Vergleich zur Ausschreibung gemessen werden.

Neben der Festlegung von Mindestanforderungen muss der Auftraggeber darüber hinaus seine Zuschlagskriterien so wählen, dass sie sowohl für Haupt- als auch Alternativangebote in gleicher Weise herangezogen werden können. Ist dem nicht so, können die Hauptangebote zwar uU untereinander verglichen werden, jedoch ist eine Vergleichbarkeit mit den Alternativangeboten nicht möglich (in diesem Fall dürfen die Alternativen folglich nicht berücksichtigt werden).

Nachweis der Erfüllung der Mindestanforderungen

Während es die Aufgabe des Auftraggebers ist, Mindestanforderungen für Alternativangebote festzulegen, trifft den jeweiligen Bieter die Nachweispflicht dafür, dass sein Alternativangebot die Gleichwertigkeitskriterien erfüllt. Gemäß § 125 Abs 4 BVergG sowie der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs ist der Nachweis der Gleichwertigkeit spätestens mit dem Angebot zu erbringen (EuGH 12.7.2018, Rs C-14/17 – VAR und ATM).

In Sinne dieser Judikatur verbleibt sohin auch kaum Raum für Mängelbehebungen, weil sich durch den verlängerten Ausarbeitungszeitraum die Wettbewerbsposition des betroffenen Bieters verbessern könnte. Nach einer Leitentscheidung der österreichischen Vergabekontrolle ist es insbesondere unzulässig, solche Kriterien erst nachträglich zu konkretisieren bzw "überhaupt erst im Rahmen von Aufklärungen gemeinsam mit dem Bieter 'herauszuarbeiten'" (BVA 4.4.2013, N/0013-BVA/14/2013-31a). Die vom Bieter mit dem Angebot vorgelegten Nachweise sollten daher so umfassend sein, dass eine abschließende Prüfung der Gleichwertigkeit für den jeweiligen Auftraggeber möglich ist.

Praxistipps:

Alternativangebote können ein guter Weg sein, den Auftraggeber auf einen alternativen (günstigeren) Lösungsvorschlag für seinen Bedarf hinzuweisen (ohne diesen der Konkurrenz vor Angebotsöffnung offenlegen zu müssen).

Sollte ein Auftraggeber Mindestanforderungen an Alternativangebote nur unzureichend festgelegt haben, empfiehlt es sich für Bieter, über Bieterfragen auf eine genauere Konkretisierung der Mindestanforderungen hinzuwirken (widrigenfalls die Aufwände für die Erstellung eines Alternativangebots umsonst sein könnten).

Die (umfassenden) Nachweise zur Darlegung der Gleichwertigkeit von Alternativen sollten von Bietern bereits mit dem Angebot abgegeben werden, um nicht uU einen unbehebbaren Mangel in ihren Alternativangeboten zu riskieren (im Zweifel sollten daher lieber mehr als zu wenig Nachweise vorgelegt werden).

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Mag. Wolfgang Lauchner ist Rechtsanwalt und Counsel bei Wolf Theiss im Bereich Vergaberecht. Er berät regelmäßig Auftragnehmer als auch Auftraggeber in allen vergaberechtlichen Fragen, insbesondere bei der Ausschreibung von Bau- und Dienstleistungsaufträgen für Infrastrukturvorhaben sowie im Bereich IT-Vergaben.

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Dominik König, LL.M. ist Rechtsanwaltsanwärter im Vergaberechtsteam von Wolf Theiss. Er betreut ebenfalls regelmäßig Vergabeverfahren betreffend die Beschaffung von Bauleistungen, baunahen Dienstleistungen und IT-Leistungen sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Bieterseite.

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