Österreich : Alpbach: Städteplanung scheitert nicht an der Forschung

Die europäische Klimaschutzstrategie "Green Deal", die Klimaneutralität bis 2050 vorsieht, gibt künftig auch in der Stadt- und Raumplanung den Takt vor. Was zum Erreichen dieser Ziele geschehen muss, ist am Donnerstag Gegenstand eines Arbeitskreises bei den Alpbacher Technologiegesprächen. In Österreich hapere es weniger an Technologien als an rechtlichen Rahmenbedingungen wie etwa einem nationalen Raumordnungsgesetz, erklärten im Vorfeld von der APA befragte Fachleute.

Geht es nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dann soll die von ihr angestoßene Initiative des "Neuen Europäischen Bauhaus" als Leitidee fungieren, um einen Beitrag zum "Green Deal" zu leisten. Das Projekt vereint laut EU-Kommission ökologische, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte, mit denen Design, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit kombiniert werden sollen. Gesucht werden praktische Antworten auf die Frage, wie modernes Leben im Einklang mit der Natur aussehen kann. Eine erste Ausschreibungsrunde mit Preisen im Gesamtwert von 450.000 Euro wurde im Frühjahr lanciert und ist bereits abgeschlossen.

"Die Idee des neuen europäischen Bauhauses ermöglicht es auch in Österreich, zukunftsweisende Wege in der Stadt- und Raumentwicklung zu beschreiten", erklärte dazu der Grazer Architekt Ernst Rainer gegenüber der APA. Ihm zufolge hat der Klima- und Energiefonds etwa mit der Förderinitiative "Leuchttürme für resiliente Städte 2040" erste Schritte in diese Richtung gesetzt. Überhaupt sei Österreich im Bereich der Forschung und Innovation im Spitzenfeld vertreten, etwa mit den nationalen Förderprogrammen "Stadt der Zukunft", "Mobilität der Zukunft", "Energie der Zukunft" oder Förderschienen für Smart Cities.

Der Hund liege allerdings in der mangelnden strategischen und rechtlichen Unterstützung für innovationswillige Städte und Regionen begraben, bemängelt der Experte. "Österreich ist eines der wenigen Länder, in dem es kein nationales Raumordnungsgesetz gibt", sprach Rainer ein kürzlich auch von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger im ORF-"Sommergespräch" ins Spiel gebrachtes Thema an. "Wir haben keine nationale Zielvorgabe für Städte, Gemeinden und Kleinregionen, in welche Richtung sie bei der Infrastruktur gehen sollen", so Rainer.

Für Städte und Regionen, die sich nachhaltig entwickeln wollen, brauche es klare Rahmenbedingungen und ein entsprechendes Fördermodell des Bundes für nachhaltige Raumentwicklung. Dabei könne man sich beispielsweise an Deutschland orientieren, wo es sowohl ein Bundesraumordnungsgesetz als auch eine entlang der "Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt" modellierte, nationale Städtebauförderung gibt. Zudem würde sich Rainer bei einschlägigen Förderprogrammen einen speziellen Fokus auf die Ziviltechniker wünschen: "Das ist eine Berufsgruppe, die an vorderster Front ist und in ihren Büros auch Forschung betreibt." So befasst sich seitens der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen ein eigener Ausschuss mit dem Thema "Neues Europäisches Bauhaus", der dazu auch bereits ein Positionspapier verfasst hat.

Ähnlich schätzt die Lage Inge Straßl vom Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (SIR) ein, die ebenfalls am Arbeitskreis teilnimmt. Die Expertin begleitet Wohnbau-, Stadtteil- und Sanierungsprojekte und ist auch als Energieberaterin für das Land Salzburg tätig. "Ich habe wenige Projekte gesehen, wo gesagt wird, das geht technisch nicht. Die Technik ist nicht unser großes Problem. Meistens sind die Hemmnisse ganz woanders, im rechtlichen, gesellschaftlichen oder politischen Bereich. Wir müssen viel mehr in Gesamtprozessen denken", so Straßl zur APA.

Wie Rainer fordert sie neue Instrumente für übergreifende Infrastrukturmaßnahmen ein, mit denen man strategisch langfristig planen könne. Kein Geheimnis ist es aber auch, dass schon rein quantitativ der größte Klima-Hebel im Bauwesen trotz modernster Technologien nicht im Neubau liegt, sondern im Bestand, sprich in der Sanierung. "Wir brauchen hier und da Neubauten. Aber mit jedem noch so effizienten Neubau kommt irgendeine Umweltbelastung hinzu, und wieder gibt es eine versiegelte Fläche mehr und der Bodenverbrauch steigt", erklärte Straßl, die auch die Faktoren Zeit und Bewusstseinsbildung zu bedenken gibt: "Beim Neubau kann ich alles genau kalkulieren. Im dem Moment, wo es um Umstrukturierung, Sanierung, bestehende Lebensräume geht, dauern diese Prozesse erfahrungsgemäß länger." In Salzburg hat die Expertin etwa über 14 Jahre ein Projekt begleitet, bei dem mehr als 300 Wohnungen umgesiedelt und im Einvernehmen mit den Bewohnern 14 Häuser saniert, zwölf abgerissen und neu gebaut wurden.

"Um im Bestand etwas radikal zu verändern, muss man an den gesetzlichen Schrauben drehen", so die Expertin. Es müsse rechtlich möglich werden, aber auch wirtschaftlich sein, in Wohnanlagen alte Heizungen zu entfernen und mit modernen System zu ersetzen. Generell liege eine der mächtigsten Stellschrauben im Bereich Energie. "Wir müssen in der Sanierung ganz breit auf erneuerbare Energiesysteme umstellen, und es attraktiv machen, den alten Boden herauszureißen und eine Fußbodenheizung zu installieren und ähnliche Dinge."

Straßl hält die Zielvorgaben des Green Deal und des europäischen Bauhaus für extrem wichtig im Sinne, eine klare Botschaft auszusenden, dass man sich auf den Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit macht. Als Energieberaterin mache sie die Erfahrung, dass bei Endkunden großes Bewusstsein für nachhaltige Lösungen bestehe, die Politik aber zu zögerlich sei: "Ich finde, es ist höchste Zeit für klare Ansagen - auch was wie unterstützt wird. Die Leute erwarten und verstehen das."

Konkret sei die Fördersituation für Energie und Sanierung derzeit "ein Desaster". Plane jemand in Salzburg, sein Haus zu sanieren, also etwa eine Photovoltaik-Anlage und eine Wärmedämmung zu installieren, sehe er sich mit ungefähr acht verschiedenen Möglichkeiten der Förderung konfrontiert. Zusätzlich würden sich die Förderformate relativ rasch wieder ändern, deshalb brauche es klare Vorgaben, die auch die Vorlaufzeiten für solche Projekte berücksichtigen: "Das muss klar und einfach sein und kann nicht alle drei Monate wieder geändert werden." (APA)