Österreich : Millionenschaden mit Scheinfirmen am Bau

Lohndumping Sozialdumping Schwarzarbeit
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Am Wiener Landesgericht sind am Dienstag über die Betreiber eines Netzwerks an Scheinfirmen im Baugewerbe mehrjährige Haftstrafen verhängt worden. Die vier Angeklagten, die die Gebietskrankenkasse sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse um Millionen geschädigt hatten, fassten zwischen zweieinhalb und vier Jahren aus. Sämtliche Urteile sind bereits rechtskräftig.

"Die Baubranche hat ein Problem", hatte Oberstaatsanwalt Stephan Schmidmayer von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu Beginn der Verhandlung konstatiert. Immer wieder gebe es Firmen, die sich die Lohnnebenkosten ersparen wollen, indem sie Subunternehmen einsetzen, die sich fragwürdiger Methoden bedienen. Diese würden der Branche die dringend benötigten Arbeiter zur Verfügung stellen, existierten aber nur am Papier. "Nach drei bis vier Monaten wird klar, dass es Scheinunternehmen sind, weil keine Sozialversicherungsbeträge mehr entrichtet werden", erläuterte Schmidmayer. Nach der alsbaldigen Pleite der einen Firma würden die Arbeiter dann von einer weiteren Scheinfirma übernommen. "Der Masseverwalter muss dann die Scherben aufräumen", stellte der Ankläger fest. Jede einzelne Firma hinterlasse offene Verbindlichkeiten von mehreren 100.000 Euro.

Im konkreten Fall wurde den Angeklagten schwerer gewerbsmäßiger Betrug, betrügerische Anmeldung zur Sozialversicherung, organisierte Schwarzarbeit und kriminelle Vereinigung vorgeworfen. Mehr als 1.600 angeheuerte Arbeiter waren zwar angemeldet, die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge aber - wenn überhaupt - nur kurz entrichtet worden. Dann wurden die jeweiligen Firmen in den Konkurs geschickt.

Das Quartett soll Teil einer kriminellen Gruppe gewesen sein, der insgesamt mehr als 50 Personen angehörten. Ein Teil davon ist in einem separaten Verfahren am Wiener Landesgericht bereits abgeurteilt worden, weitere Verfahren dürften folgen.

Die Angeklagten hatten sich durchwegs schuldig bekannt. Einer von ihnen - ein 53-jähriger Frühpensionist - soll zwischen 2013 und 2017 15 Scheinfirmen gegründet bzw. übernommen und weiter betrieben haben, wobei ihm seine mitangeklagte Sekretärin - eine 60-Jährige - hilfreiche Dienste leistete. Den beiden legte die Anklage einen Schaden von 5,6 Millionen Euro zur Last. Der 53-Jährige fasste vier Jahre unbedingt, seine Sekretärin drei Jahre, davon zwölf Monate unbedingt aus.

Als Geschäftsführer der Scheinfirmen waren teilweise des Deutschen gar nicht mächtige Strohmänner eingesetzt worden, die aus Bosnien oder Serbien nach Wien gebracht und - so der Oberstaatsanwalt - "zum Notar geschleift wurden". Man habe "ein recht gut eingespieltes System betrieben, das darauf ausgelegt war, dem Ganzen einen legalen Anstrich zu geben", sagte der Anklagevertreter.

Davon profitierten unter anderem die beiden anderen Angeklagten, die eigene Baufirmen betrieben und eine Vielzahl an Arbeitern zur Verfügung gestellt bekamen, die sie dann teilweise auch weitervermittelten. Der eine - ein 61-jähriger Mann - war dergestalt von 2010 bis 2017 in kriminelle Machenschaften verwickelt, der andere - 32 Jahre alt - von 2015 bis 2017.

Beide verantworteten sich vor Gericht damit, sie hätten mit dieser Praxis aufhören wollen, ihre Festnahme wäre ihnen aber dazwischen gekommen. Der Ältere kassierte am Ende vier Jahre unbedingt, der Jüngere zweieinhalb Jahre, davon zehn Monate unbedingt. Bei sämtlichen Angeklagten wurde zusätzlich ein Verfall zwischen 2.600 Euro und 140.000 Euro ausgesprochen, wobei sich die Summe an der Höhe ihrer illegal bezogenen Einkünfte bemaß.

"Hier ist eine asoziale Tendenz festzustellen", wetterte Helene Gnida, die Vorsitzende des Schöffensenats, in ihrer Urteilsbegründung. Das, was die Angeklagten betrieben hätten, "schädigt uns alle, die wir bei der Gebietskrankenkasse versichert sind". Man habe sich "leicht verdientes Geld" verschaffen wollen und "ein System mit Scheingeschäftsführern" aufgezogen: "Dass das eine kriminelle Vereinigung ist, liegt auf der Hand." Die gegenständlichen Machenschaften gingen vor allem zulasten "ehrlicher Baufirmen", wie Gnida zu bedenken gab: "Die haben Probleme, wenn mit solchen Methoden ein Konkurrenzdruck aufgebaut wird."

Die Arbeiterkammer (AK) Wien, die das Strafverfahren mit Interesse verfolgt hatte, sprach in einer Presseaussendung von "mafiösen Strukturen", die die WKStA aufgedeckt hätte. Die Interessensvertretung forderte als Konsequenz die Einschränkung der Subvergabe bei öffentlichen Auftragsvergaben sowie die Einführung einer Generalunternehmerhaftung. Nur auf diese Weise sei zu verhindern, dass unseriöse Unternehmen zum Zug kommen. (APA)